Helmstedt. Manche Betriebe investieren in Heizstrahler und wollen weiter außen bewirten. Andere Restaurants räumen ihre Tische. Eine Kneipe schließt bald.

Ganze sieben Grad Celsius zeigte das Thermometer am Montagabend, am Dienstag zu ähnlicher Zeit immerhin elf Grad bei leichtem Regen. Der Herbst ist längst da – und nach der Zeitumstellung am Sonntag wird es auch noch früher dunkel. In Normalzeiten wäre das für die meisten Gastro-Betriebe der Zeitpunkt, Tische und Stühle draußen abzubauen und nach drinnen zu verlagern. Nur sind dies keine normalen Zeiten. Bundesweit diskutieren Gastronomen und Verwaltungen, Restaurantbesucher und Kneipengänger über die Maßnahmen in der Corona-Krise, über Heizpilze und Pavillons. Was aber haben die Helmstedter Gastronomen vor?

Wie sich bei unserer kleinen Rundfrage herausstellt, sind sich alle Gastro-Inhaber einig: Das Schwierige wird erst jetzt kommen. „Dieses Unbeschwerte, was man irgendwo schon im Sommer entwickelt hat, das ist weg“, erklärt beispielsweise Markus Suchand, Inhaber der Gaststätte EQ. Auch Jürgen Rost, Beisitzer des Stadtmarketingvereins Helmstedt Aktuell, sagt: „Der Sommer war verhältnismäßig gut, manchmal sogar besser als ohne Corona. Aber nicht im Laden, sondern die Freisitzfläche wurde frequentiert – die Betriebe innen waren ja eigentlich leer.“

Allerdings reagieren die Betriebe unterschiedlich auf das anstehende Schmuddelwetter: manche investieren, manche überlegen – andere räumen oder schließen sogar ganz.

Erste Hemstedter Kneipe schließt komplett

Dirk Schliefke etwa ist einer der ersten Helmstedter Gastwirte, der bereits jetzt Konsequenzen zieht: Das La Vida Loca in der Magdeburger Straße schließt Ende Oktober – teils aufgrund der Corona-Krise. „Die Krisenmonate haben mich dazu bewegt, umzudenken“, sagt Inhaber Schliefke unserer Zeitung. Noch 2019 hatte er den Innenhof seines Betriebes aufwendig renoviert. „So eine Investition bringt aber nichts, wenn ich wie jetzt aufgrund der Corona-Regeln nur noch drei Tische dort aufstellen kann.“

Er habe überlegt, die Plätze noch zu überdachen und zu beheizen – das rechne sich für ihn jedoch in Kombination mit den Tischen drinnen nicht. Schliefke zieht es bald in den Touristenort Sankt Peter-Ording, wo er eine bessere Perspektive sieht.

Andere Gastronomen haben bereits auf- oder abgebaut

Die anderen befragten Gastronomen hoffen jedoch weiter auf die Gunst der Helmstedter – trotz Corona und Kälte. So wie zum Beispiel Markus Suchand. Der Inhaber der Gaststätte EQ geht ins finanzielle Risiko: über seiner Terrasse auf dem Sternberger Teich, an dem sein Betrieb liegt, thront seit zwei Wochen ein stabiles Zelt mit Metallstützen. Je nach Gruppenkonstellation können Suchand und sein Team so etwa 40 Plätze beibehalten – über den Tischen hängen mehrere Heizstrahler, damit den Gästen nicht kalt wird.

„Ob es sich rechnet? Das weiß ich nicht. Wir planen ja ins Ungewisse. Aber wenn ich das Zelt und die Heizstrahler nicht gekauft hätte, dann hätte ich ein extremes Platzproblem drinnen gehabt“, sagt Suchand, der das Lokal erst Anfang dieses Jahres übernommen hat. „Also haben wir gesagt: Entweder wir machen ab November zu oder wir kratzen noch einmal das Geld zusammen und investieren in ein vernünftiges Zelt.“ Eine sehr hohe Summe, wie Suchand zugibt – das gehe auch an die persönliche Substanz. „Ich hoffe, dass ich es überstehen werde und die Investition irgendwann wieder reinkriege.“

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Natürlich mache er das, um Geld zu verdienen – aber auch, um seinen Kunden einen Ort zu bieten, an dem sie sich weiterhin treffen können. Wenn das denn erlaubt ist. Die Preise aufgrund der Anschaffungen erhöhen, will er nicht. Was er will: „Schnipsen und es März werden lassen.“

Hoffnung auf einen milden Winter

Über die Außenbewirtung denkt auch Jürgen Rost nach. Er ist Inhaber des Bistros und Cafés Erbprinz am Marktplatz. „Wir beobachten in den nächsten Wochen die Nachfrage. Es ist ja schon jetzt rückläufig, weil die Temperaturen nicht mehr so sind wie vor sechs Wochen. Aber allein mit den Sitzplätzen drinnen muss man sich einen gespitzten Bleistift nehmen und sagen: So rechnet sich das nicht – für keinen.“ Innen stehen Rost und seinem Team momentan höchstens 30 Plätze zur Verfügung.

So aber soll wohl ein großer Schirm mit Sitzen für den Erbprinz draußen stehen bleiben, dazu wahrscheinlich ein Zelt, wenn die Stadt zustimmt. Heizpilze sieht Rost eher kritisch: bei zweistelligen Minustemperaturen im Winter würden auch die nicht ausreichend wärmen. „Dann haben wir Gastronomen am Ende mehr Heizkosten als alles andere.“ Nur bei einem milden Winter könne man mit solchen Mitteln überleben. Der Aufbau eines Puffers für das traditionell schwache erste Quartal im Jahr falle definitiv weg.

Ratskeller Helmstedt packt ein – wegen des Winds

Ein paar Schritte weiter ist die Entscheidung bereits gegen eine Außenbewirtung gefallen. Das teilt uns Ratskeller-Betreiber Patrizio Principale mit. Die Außenterrasse des Restaurants sei in der kalten Jahreszeit zugig, die Tische werden ganz abgebaut. „Da nutzen auch Heizpilze nichts“, so Principale. Andere Möglichkeiten wie etwa ein Pavillon seien zum einen kostenintensiv, zum anderen würden diese Randalierer anlocken.

Der Ratskeller hat jedoch einen Vorteil: das Kellergewölbe. „Wir werden das ausgleichen, indem wir unsere Räumlichkeiten maximal ausnutzen – natürlich mit allen Mindestabständen. Das Gewölbe haben wir ansonsten immer nur zu Weihnachten bei großer Anfrage aufgemacht. Das öffnen wir schon jetzt“, sagt Principale. Im oberen Gastraum fallen fast die Hälfte der Tische weg, wie eine Mitarbeiterin zeigt. „Auch wir müssen wie alle Kollegen kämpfen“, sagt der Betreiber. Gerade sei es so, dass man sich am Limit bewege – jede schlechte Woche mache sich bemerkbar. „Angst ist definitiv da.“