Königslutter. Die Entscheidung des Kreistags, die Prüfung eines Umzugs des Gymnasiums nach Königslutter auszusetzen, sorgt für Unmut in der Domstadt.

Wieder scheinen die Aussichten in weite Ferne gerückt, dass Königslutter ein gymnasiales Angebot bekommt. In die Diskussion um einen möglichen Umzug des Helmstedter Gymnasiums am Bötschenberg (Gabö) ist neuer Zündstoff gekommen. Erst hat der Kreistag entschieden, mit den Planungen aufgrund der Corona-Situation zu pausieren, jetzt hat der Stadtrat Helmstedt eine Resolution beschlossen, in der sie fordert, diese Planungen gänzlich einzustellen.

Bei den Königslutteraner Ratsfraktionen herrscht zumindest in einem Punkt geschlossene Einigkeit: Die zweitgrößte Stadt des Landkreises braucht ein Gymnasium. Gerade bereiten sie ein gemeinsames Papier dazu vor. Unabhängig davon haben wir den Bürgermeister und die Vertreter der Fraktionen beziehungsweise Gruppen um Stellungnahmen zu den jüngsten Entwicklungen gebeten.

Auf dem Niveau „keine zielführende Diskussion“

Bürgermeister: Nüchtern betrachtet, sei im Landkreis Helmstedt eine örtliche Verteilung der gymnasialen Standorte mehr als sinnvoll. „Dies würde dem seitens des Landkreises formulierten Anspruch, eine kreisweite positive wirtschaftliche Entwicklung zu stärken und eine Zukunftsgestaltung der prosperierenden Teile des Landkreises zu gewährleisten, entsprechen“, findet Alexander Hoppe.

Die Fokussierung auf die Kosten eines Solitärneubaues bilde keine Grundlage für die zu führende Diskussion, weil die Synergien einer gemeinsamen Nutzung von Fach- und allgemeinen Räumen im Schulzentrum völlig ignoriert würden. Fest stehe: „Eine Diskussion auf dem vorliegenden Niveau ist nicht zielführend.“ Die Königslutteraner Stadtgesellschaft werde die Diskussion und Entscheidungsfindung weiterhin sachlich begleiten. Aber: „Die zeitnahe Fortsetzung einer zielgerichteten Planung ist dafür unerlässlich.“

„Ein unsäglicher Vorgang“

SPD: Die Begründung des Kreistages, die Gabö-Planung für die Dauer der Corona-Pandemie zurückzustellen, stellt Christine Jahn vor folgende Frage: „Was bedeutet das eigentlich konkret? Da die Dauer der Pandemie ja nicht abzusehen ist – eine Verschiebung bis zum Sankt-Nimmerleinstag?“ Unabhängig von der schwierigen Situation müsse es doch einzig und allein um eine sachgerechte und transparente Entscheidung für oder gegen ein Gymnasium in Königslutter gehen.

Auch Helmstedts Resolution kritisiert sie deutlich: „Damit wird Königslutter als stetig wachsende, zweitgrößte Stadt im Landkreis Helmstedt ganz einfach von der schulpolischen Landkarte ausradiert. Ein unsäglicher Vorgang.“ Jahn fordert, endlich das jahrzehntelange Kirchturmdenken und die „rückwärtsgewandte Haltung“ aufzugeben zugunsten einer gleichwertigen und „nachhaltigen Entwicklung für die zukunftsorientierte Schullandschaft für alle Schülerinnen und Schüler“.

Direkt an den Landrat gerichtet, sagt sie: „Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Königslutter fordert den Landrat des Landkreises Helmstedt auf, nicht länger zu zögern, sondern jetzt eine konkrete und transparente Planung mit allen Fakten, Daten, Finanzprognosen, Kostenrahmen und einer Schulentwicklungsplanung vorzulegen, welche die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten für alle Schulstandorte ins Visier nimmt.“

„Man kann wegen Corona nicht alles stoppen“

CDU/FDP: Gruppensprecher Marc Schneider zeigt sich „weiterhin überzeugt“, dass das Gabö nach Königslutter gehört. Eigentlich habe die Planung lange genug gedauert. Erst die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise abwarten zu wollen, hält er nicht für eine ausreichende Begründung. „Eigentlich war der Fahrplan vorgegeben, und es muss doch weitergehen. Man kann doch wegen der Auswirkungen von Corona nicht alles stoppen – andere Projekte laufen auch weiter“, machte er deutlich.

Dass ein Umzug teuer werden und Geld kosten würde, sei bereits vorher klar gewesen. Noch nie sei Königslutter so nah an einem Gymnasium gewesen wie im letzten Jahr, führte Schneider weiter aus. Doch bis jetzt überhaupt eine Entscheidung kommt, würden wieder Jahre vergehen. Zur Resolution der Stadt Helmstedt sagte er: „Ich will niemandem absprechen, für sich zu kämpfen. Aber, was hat sich seit der letzten Entscheidung geändert? Nichts. Die Schülerzahlen sind gleich, die Flächen sind gleich, der Zustand des Gebäudes ist gleich.“

„Ein Jahr Ruhe vor der nächsten Wahl“

Grüne: „Mit Entsetzen haben wir Grünen den Kreistagsbeschluss gelesen und insbesondere auch dessen traurige Begründung ,Corona’“, äußert sich Ronald Handschuch stellvertretend dazu. Seiner Meinung nach erhofften sich die großen Fraktionen im Kreistag ein Jahr Ruhe vor der nächsten Wahl, „um ihre blockierende Kirchturmpolitik weiter treiben zu können“. Und weiter: „Wir fordern den Landkreis auf, Schulpolitik, die eine ureigene Aufgabe ist, voranzutreiben. Planungen nach Schülerzahlen, Infrastruktur, Ausstattung und Standorten von Schulen müssen ständig betrieben weiter werden.“

Es gehe nicht nur darum, wohin die Schüler im nächsten Jahr zur Schule gehen, die Frage sei doch: „Wo sind wie viele Schüler in zehn Jahren? Wie soll die Schullandschaft dann aussehen?“ Dazu müssten Annahmen gemacht und Gesamtkosten ermittelt werden, um dann aufgrund der Planungsergebnisse Entscheidungen transparent und erklärbar zu treffen.

„Ein ganz billiger Trick“

UWG: „Das Gabö nach Königslutter!“, fordert auch Hans-Jürgen Barsch für die UWG. Seit Jahrzehnten bestehe im Kreis Helmstedt eine „eklatante Schulstandort-Ungerechtigkeit zu Lasten der Stadt Königslutter, obwohl der Kreistag im Schulentwicklungsplan eine Gleichbehandlung der drei Schulstandorte Helmstedt, Königslutter und Schöningen im Hinblick auf ein gymnasiales Angebot festgelegt habe.

Erschwerend träfen die Königslutteraner Schülerinnen und Schüler sowie deren Erziehungsberechtigten die festen Schulbezirke. „Nicht sie können das für sie beste und passende Schulangebot wählen, nein, das macht der Landkreis“, verdeutlicht Barsch. Aus Sicht der UWG Königslutter sei der Kreistagsbeschluss zum Moratorium „ein ganz billiger Trick, um das Thema Gerechtigkeit in der Verteilung der Gymnasien aus dem anstehenden Kommunalwahlkampf herauszuhalten und den Status quo zu zementieren.“

Auch die UWG Königslutter fordert Landrat Radeck und den Helmstedter Kreistag auf, „unverzüglich und sofort die Rechtsgrundlage zu schaffen, dass die Planung für den Umzug des Gabö nach Königslutter fortgesetzt werden kann und dies mit hoher Intensität zu betreiben.“ Für die Übergangszeit sollen die Schulbezirke für die Gymnasien aufgehoben werden.

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