Clausthal-Zellerfeld. Das neuartige Klärsystem reinigt giftiges Wasser mit Schilf und Sonneneinstrahlung – und das sogar besser, als angenommen.

Jahrelang produzierten die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges TNT in Clausthal-Zellerfeld. Dies wirkt sich bis heute aus, denn ein Großteil des 110 Hektar großen Geländes ist immer noch mit giftigen sprengstofftypischen Verbindungen verseucht.

Becken fassen 15 und vier Millionen Liter Wasser

Seit fast einem Jahr hilft nun dagegen eine spezielle Kläranlage (wir berichteten). Sie reinigt das giftige Wasser mit Schilf und Sonneneinstrahlung – und das funktioniert scheinbar besser als von Experten angenommen. Gut elf Monate nach der Inbetriebnahme würde die Anlage laut Michael Riesen, Leiter der Unteren Bodenschutzbehörde des Landkreises Goslar, bereits ihre Ziele erreichen, obwohl sie noch nicht voll funktionsfähig ist.

Ende November 2020 wurde an dem Ort die erste Pflanzen-Kläranlage in Betrieb genommen. Sie besteht hauptsächlich aus zwei großen Wasserbecken, die 15 bzw. vier Millionen Liter Wasser fassen. Aus der Luft sind die Wasserspeicher gut zu erkennen – anders als die ehemalige Munitionsfabrik, deren Gebäude unter mit Fichten bepflanzten Dächern versteckt waren und teilweise noch sind. Daher trug das Werk den Decknamen „Tanne“.

Wie Schilfgewächs Kriegsaltlasten im Harz beseitigt

In einem der beiden Becken wird kontaminiertes Sickerwasser gesammelt und anschließend durch Sonneneinstrahlung gereinigt. Über eine Kaskade fließt das Wasser in das zweite Reservoir weiter, wo es mithilfe von Schilfpflanzen aufbereitet wird. Idealerweise muss das Schilf dafür anderthalb Meter hoch sein. Derzeit messen die 28.000 Pflanzen noch zwischen 60 und 90 Zentimetern. Doch bereits jetzt müsse das Wasser seit April nicht mehr über eine ältere Kläranlage geleitet werden.

Ruinen der ehemaligen Sprengstoff-Fabrik „Werk Tanne“. Die Böden und Gewässer rund um das Gelände der ehemaligen NS-Sprengstofffabrik im Harz sind mit giftigen Altlasten kontaminiert.
Ruinen der ehemaligen Sprengstoff-Fabrik „Werk Tanne“. Die Böden und Gewässer rund um das Gelände der ehemaligen NS-Sprengstofffabrik im Harz sind mit giftigen Altlasten kontaminiert. © dpa | Swen Pförtner

Das neue pflanzliche System sei günstiger und größer als die bisherige Kläranlage, die mit Aktivkohlefiltern betrieben wird. Bei der neuen Anlage musste Riesen zufolge aber erst erprobt werden, ob sie wirklich funktioniert. Das Wasser wird nach der Reinigung in die angrenzenden Pfauenteiche geleitet. Bis sich die Gefahrenstoffe komplett aus dem Boden ausgewaschen haben, werde es wohl noch Jahrzehnte dauern, sagt der Behördenleiter. Das Gelände wird bereits wieder jagd- und forstwirtschaftlich genutzt. 2018 hatte es die Halali Verwaltungs GmbH erworben.

Altkreis Osterode klagte und forderte Sanierung in Herzberg

Laut eines Experten des niedersächsischen Umweltministeriums (MU) hatte der Altkreis Osterode wegen einer kontaminierten Fläche im Raum Herzberg im Jahr 1990 gegen die Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG) geklagt und die Sanierung des Grundstücks gefordert. Das Unternehmen war im Besitz mehrerer belasteter Flächen in Niedersachsen – neben der Fläche in Herzberg zum Beispiel auch das Werk Tanne. 2014 kam es zu einem Vergleichsvertrag. Bisher sind von vorgesehenen 30 Millionen Euro für die Sanierung der kontaminierten Grundstücke über 25 Millionen Euro an das Land geflossen.

Künftig soll eine zweite Pflanzen-Kläranlage weiteres Sickerwasser auf dem Gelände reinigen. Im Frühjahr 2022 soll der Bau beginnen.