Berlin. Krach um Verbrenner, Heizungen und Finanzen: In der Ampel knirschte es zuletzt gewaltig. Das sind die Ergebnisse der Verhandlungen.

Die Spitzenpolitiker von SPD, Grünen und FDP haben nach dreitägigen Verhandlungen im Koalitionsausschuss eine Einigung in wichtigen Streitthemen erzielt. Kurz vor 20 Uhr am Dienstagabend traten der Parteichef der FDP Christian Lindner, SPD-Parteichef Lars Klingbeil und Grünen-Chefin Ricarda Lang vor die Presse.

Zudem stellten die Ampel-Parteien ein Beschlusspapier bereit. Darin geht es unter anderem um den schnelleren Ausbau von Autobahnen, eine Förderung des Heizungsaustauschs, Neuregelungen beim Natur- und Klimaschutz sowie die Stärkung der Bahn. Hier der Überblick:

Investitionen in die Deutsche Bahn und Erhöhung der Lkw-Maut

Unter anderem will die Ampel die Lkw-Maut erhöhen, um mehr finanziellen Spielraum für Investitionen in die Bahn zu haben. Das Geld daraus solle zu 80 Prozent in den Ausbau der Schiene fließen, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang. Bei der bundeseigenen Deutschen Bahn gebe es laut dem Bericht einen Investitionsbedarf bis 2027 von rund 45 Milliarden Euro.

Bei der Nutzungsgebühr soll nun zum 1. Januar 2024 ein CO2-Aufschlag von 200 Euro je Tonne eingeführt werden. Emissionsfreie Lkw sollen bis Ende 2025 von der Maut befreit und anschließend nur 25 Prozent des regulären Satzes zahlen müssen. Zudem sollen ab 2024 auch schon kleinere Lkw ab 3,5 Tonnen in die Mautpflicht einbezogen werden. „Handwerksbetriebe werden ausgenommen“, heißt es im Beschlusspapier.

Für Bahn-Vielfahrer soll das 49-Euro-Ticket ohne Aufpreis in die Bahncard 100 integriert werden, so dass diese in allen Städten auch für den Nahverkehr genutzt werden kann.

Ampel-Einigung: Ausbau von Autobahnstrecken soll beschleunigt werden

Darüber hatte die Koalition zuvor heftig gestritten: Die FDP wollte nicht nur Bahnstrecken, sondern auch Autobahnen schneller ausbauen, um Staus bei mehr Güterverkehr zu verhindern. Die Grünen stemmten sich lange dagegen.

Nun soll eine eng begrenzte Zahl von besonders wichtigen Autobahn-Projekten eine Sonderstellung bekommen. Das soll diese Projekte beschleunigen, unter anderem durch nicht weniger aufwendige Umweltschutzprüfungen. Lindner sprach von 144 Projekten. Der Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Staatssekretär Michael Theurer (FDP), nannte als Beispiele für eine Planungsbeschleunigung von Straßen an Engpässen die Autobahnen A5, A6 und A8.

Klimaschutzziele werden aufgeweicht, Naturzerstörung ausgeglichen

Bei Eingriffen in Natur und Landschaft, beispielsweise durch den Bau von Windrädern oder Straßen, soll künftig Geld als Kompensation gezahlt werden können. „Damit können die Vorhabenträger Infrastrukturprojekte einfacher und schneller planen“, erklärte die Ampel. Über die Mittel sollen dann größere und zusammenhängendere Flächen gekauft werden, um eine Renaturierung und den Naturschutz zu stärken – ein Aspekt, den auch viele Umweltorganisationen für sinnvoll halten. Lesen Sie dazu: Klimaschützer entsetzt: "Horror-Nachrichten" kaum zählbar

Zudem will die Regierung die bislang strikten Emissionsvorgaben für einzelne Wirtschaftssektoren im Klimaschutzgesetz aufgeben, so FDP-Chef Lindner. Demnach sollen Zielverfehlungen in einem Sektor in einem anderen ausgeglichen werden und auch eher längerfristige Zielvorgaben gesetzt werden.

Bisher wird der jährliche Ausstoß an Treibhausgasen für die Wirtschaftsbereiche wie Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges erhoben. Überschreitet ein Bereich (Sektor) die mit den deutschen Klimazielen vereinbaren Jahresmengen, müssen die zuständigen Bundesministerien sogenannte Sofortprogramme für mehr Klimaschutz ausarbeiten.

An dieser jährlichen Erhebung der Treibhausgas-Emissionen für jeden Sektor will die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP zwar festhalten. Nachsteuern soll die Bundesregierung künftig aber erst, wenn die Daten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren auf eine Verfehlung der Klimaziele für das Jahr 2030 hindeuten – und zwar für alle Sektoren zusammen.

Ampel-Koalition will Heizungstausch angehen - Pläne noch in Arbeit

Auch zu der umstrittenen Frage nach klimafreundlicheren Heizungen äußerten sich die Spitzenpolitiker. Die Ampel-Koalition will den Einbau klimafreundlicherer Heizungen angehen – dabei soll es einen sozialen Ausgleich geben. „Man kann sagen: Niemand wird im Stich gelassen“, betonte Lang. Details nannten die Koalitionäre zunächst nicht.

Das Geld soll laut Lindner aus dem Klima- und Transformationsfonds, einem Geldtopf außerhalb des regulären Bundeshaushalts. Heizungen, die derzeit fossile Energieträger nutzen, sollen laut Lindner weiter betrieben werden können, wenn sie mit klimafreundlichen Gasen betrieben werden. Bereits vor einem Jahr hatte die Koalition sich im Grunde schon geeinigt, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Über einen ersten Gesetzentwurf dazu aus dem Wirtschafts- und dem Bauministerium, der Ende Februar bekannt wurde, wurde heftig diskutiert.

Koalitionsausschuss: Parteispitzen zeigen sich zufrieden mit Ergebnis

Die Beschlüsse wirken sich laut Lindner nicht direkt auf den Bundeshaushalt für das kommende Jahr aus. So solle die Stärkung der Bahn-Infrastruktur über die Lkw-Maut finanziert werden und die Förderprogramme für Heizungen aus dem Klimafonds. Der Streit um den Etat für 2024 und die Folgejahre ist demnach noch nicht gelöst. Er sei beim Koalitionsausschuss nur kurz angerissen worden, sagte Lindner. Auch zur Finanzierung und Gestaltung der ab 2025 geplanten Kindergrundsicherung äußerten sich die Koalitionäre nicht. In dem Programm sollen staatliche Leistungen für Familien wie Kindergeld und Kinderzuschlag zusammengefasst werden. Umstritten ist, ob auch Sätze erhöht werden.

SPD-Chef Lars Klingbeil zeigte sich dennoch „hoch zufrieden“ mit den Ergebnissen. Diese zeigten, „dass wir uns als Koalition in großen Schritten in Richtung Zukunft und Stärke für Deutschland bewegen“. FDP-Chef Lindner sagte: „Wir haben echte Durchbrüche erzielt, wirkliche Paradigmenwechsel, und deshalb spricht das Ergebnis einfach für sich.“ Grünen-Chefin Lang betonte: „Wir gehen jetzt endlich auch Strukturreformen an.“

Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich ebenfalls zufrieden mit den Ergebnissen der dreitägigen Koalitionsgespräche. „Nach vielen Stunden intensiver Diskussionen kann ich sagen: Es hat sich gelohnt“, schrieb der SPD-Politiker am Dienstagabend auf Twitter. „Die Modernisierung unseres Landes bringt Wachstumschancen, wie es sie lange nicht gab. So schaffen wir die Digitalisierung und halten den menschengemachten Klimawandel auf.“ Die Ampel-Koalition hatte seit Sonntagabend mit Unterbrechungen um Kompromisse in diversen Streitfragen gerungen.

(lro/dpa/AFP)