Berlin. Die Finanzprüfer des Bundesrechnungshofs gehen hart mit der Deutschen Bahn ins Gericht. Sie nennen den Konzern einen „Sanierungsfall“.

Die Deutsche Bahn ist „ein Sanierungsfall“, dazu kann jeder Fahrgast im Land seine Leidensgeschichte erzählen. Wie schlimm es wirklich um den Staatskonzern steht, geht jetzt aus einem Bericht des Bundesrechnungshofs hervor.

Das 33-seitige Dokument mit dem Titel „Dauerkrise der Deutschen Bahn“ liest sich wie eine Abrechnung: Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofes, wirft der Bundesregierung darin vor, seine Rolle als Alleineigentümer der Deutschen Bahn AG (DB) zu passiv wahrzunehmen. Er beschränke sich „nur darauf, ständig steigende Haushaltsmittel bereitzustellen“, schreiben die Finanzprüfer in dem Bericht, der unserer Redaktion vorliegt. Die Bahn sei stark verschuldet, eine Trendwende unter der Ampel-Koalition sei ausgeblieben.

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Obwohl die DB AG bei der Bahnreform von Finanzschulden freigestellt wurde, stand sie im Jahr 2018 mit 20 Milliarden Euro in der Kreide – Tendenz steigend, wie der Bundesrechnungshof schreibt. Insgesamt belaufen sich die Nettofinanzschulden demnach auf mehr als 30 Milliarden Euro, dies schränke die Handlungsspielräume zunehmend ein. Praktisch alle Konzernsparten fahren Verluste ein.

Rechnungshof: Verkehrsministerium fehlt eine Strategie für die Bahn

Täglich kämen etwa fünf Millionen Euro neue Schulden hinzu, obwohl der Staat den Konzern stützt. Dabei fließen pro Jahr 16,6 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern in die Bahn AG. Neben Geldproblemen verfehlt die Deutsche Bahn seit langem die Ziele bei Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Im Jahr 2022 war mehr als jeder dritte Fernverkehrszug unpünktlich.

Dem Bundesverkehrsministerium (BMDV) fehle eine Strategie für die Bahn. Darauf hatte der Rechnungshof 2019 schon den Vorgänger von Volker Wissing (FDP), Andreas Scheuer (CSU), hingewiesen, jedoch habe der Bund „vier weitere Jahre verstreichen lassen, ohne die vielfältigen strukturellen Probleme anzugehen“, heißt es in dem Bericht weiter. Der Bund müsse den Konzern nun schnell umstrukturieren.

Richard Lutz (links), Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG und Volker Wissing (FDP), Bundesverkehrsminister, stehen vor einer Berliner S-Bahn.
Richard Lutz (links), Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG und Volker Wissing (FDP), Bundesverkehrsminister, stehen vor einer Berliner S-Bahn. © FUNKE Foto Services | Jörg Krauthöfer

So soll der Bund die Deutsche Bahn umstrukturieren

Um die Bahn AG wieder auf Vordermann zu bringen, brauche es ein „System der Erfolgskontrolle“. Außerdem müsse der Bund klären, welche „Konzernteile künftig noch erforderlich sind“ – heißt: Der Verkehrsminister soll nicht mehr benötigte Unternehmen und Geschäftstätigkeiten loswerden. Der Bundesrechnungshof schlägt dafür die Großbeteiligungen der DB zum Verkauf vor, also DB Arriva und die Gütersparte DB Schenker.

Auch an das „umfangreiche Beteiligungsportfolio“, zu dem unter anderem der Betrieb von außereuropäischen Eisenbahnverkehren und die Entwicklung von Drohnenlandeplätzen gehören, sei nicht notwendig, damit die Bahn ihren eigentlichen Auftrag erfüllen könne. Dieser lautet laut Grundgesetz, „das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere der Verkehrsbedürfnisse“, zu erfüllen.

Hohe Boni für Bahn-Manager trotz verfehlter Ziele

Der aktuelle Verkehrsminister hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit 2021 den Anschein erweckt, endlich das marode System Bahn anpacken zu wollen. Wissing berief eine Steuerungsgruppe ein. Die ist nach Informationen unserer Redaktion jedoch weiter führungslos. Dabei rügt der Bundesrechnungshof, der Bund müsse als „verkehrspolitischer Gestalter, Alleineigentümer und Geldgeber“ von der Bahn ein „deutlich besseres Management der Problemfelder und wirksame Lösungen“ einfordern.

Bisher bestehe der Fehlanreiz auf Verschleiß zu fahren, damit marode Bahnbrücken, Bahnhöfe und Netze aus Bundesmitteln ersetzt werden. Rechnungshof-Präsident Scheller sagte: „Das hat System, deshalb ist der Generalsanierungsbedarf so groß.“

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Obwohl Bahnmanager seit Jahren ihre Ziele verfehlten und eine miserable Leistung ablieferten, zahlte unter anderem die DB Regio zuletzt Boni in Höhe von mehr als 400.000 Euro aus. Und das, obwohl im Pandemiejahr die Regionalverkehrssparte staatliche Hilfen aus dem Corona-Bundesrettungsschirm erhalten hat. Dieses Fehlverhalten hatte die Bundesregierung toleriert.