Rom. Als Hoffnungsträger angetreten, setzte auch Papst Franziskus notwendige Reformen nicht durch. So zementiert er die Krise der Kirche.

Das muss ein außerordentliches Glücksgefühl für den Papst gewesen sein: Mehr als eine Million Menschen jubelten Franziskus bei der Open-Air-Messe auf dem Rollfeld des Flughafens von Kinshasa begeistert zu. Die Menschen sangen, tanzten, winkten mit ihren Fähnchen, und beteten mit dem Pontifex. Ein riesiges Fest des Glaubens. „Ich bin bei euch, ich möchte euch die liebevolle Nähe Gottes bringen“, bedankte sich Franziskus bei den Menschen.

Der umjubelte Besuch des Papstes in der Demokratischen Republik Kongo Anfang Februar dürfte dem Heiligen Vater gutgetan haben. Seine letzten Auslandsreisen hatten meist eine eher überschaubare Resonanz gefunden. Und während in Europa die Kritik an der Kirche allgegenwärtig ist und die Zahl der Gläubigen seit Jahren rapide sinkt, wächst auf dem afrikanischen Kontinent die Zahl der Katholiken.

Die Reise nach Kongo und anschließend in den Südsudan war gleichsam eine Reise in die Zukunft der katholischen Kirche – und bei aller körperlichen Anstrengung für den 86-jährigen Franziskus eine kleine Auszeit von dem Alltag im Vatikan.

Bilanz nach 10 Jahren Franziskus: Es blieb bei Gesten

Insgesamt aber hat die anfängliche Euphorie um den Argentinier Jorge Mario Bergoglio zehn Jahre nach seinem Amtsantritt deutlich nachgelassen. Durch seine joviale, fast schon lockere Art und sein betont volksnahes und bescheidenes Auftreten gleich zu Beginn seiner Amtszeit hatte der Papst, der sich als erster Pontifex nach dem Bettelmönch Franziskus nannte, große Hoffnungen geweckt. Viele Katholiken trauten ihm zu, endlich die von vielen dringend erwarteten Reformen anzustoßen, etwa in Sachen Sexualmoral oder bei der Rolle der Frauen in der Kirche.

Papst Franziskus besuchte Anfang Februar den Kongo - und wurde groß gefeiert.
Papst Franziskus besuchte Anfang Februar den Kongo - und wurde groß gefeiert. © dpa | Gregorio Borgia

Die Hoffnung: Nach dem professoral-verknöcherten Benedikt XVI., der mit seinem Rücktritt den Weg für Bergoglio frei gemacht hatte, komme da nun ein „Mann des Volkes“, einer der näher an der katholischen Basis ist als an der Kurie. Franziskus nährte solche Erwartungen durch kleine Gesten: Er ließ sich bei Auslandsbesuchen im Kleinwagen chauffieren statt in ausladenden Limousinen und zückte an der Hotel-Rezeption auch schon mal das eigene Portemonnaie. Ein Papst ganz im Geiste von Franz von Assisi.

Nach zehn Jahren im Amt ist zu bilanzieren: Es blieb weitgehend bei Gesten. Franziskus hat entweder nicht die Kraft, oder aber nicht den Willen zu grundlegenden Reformen, die der angeschlagenen katholischen Kirche neue Impulse geben und den Exodus der Gläubigen gerade in Europa stoppen könnte. Wie zementiert die Dogmen und Grundsätze im Vatikan sind, lässt sich am Beispiel der Deutschen Bischofskonferenz verdeutlichen.

Nebeneinander von zwei Päpsten hat Franziskus nicht geschwächt

Die Oberhirten haben mit ihrem „Synodalen Weg“ im Dialog mit den Gläubigen einen Prozess eingeleitet, der Reformen in den Bereichen Stellung der Frau in der Kirche, Umgang mit Macht, Sexualmoral und Zölibat anstrebt. Ein Synodaler Rat, in dem Kleriker und Nicht-Kleriker gemeinsam entscheiden, sollte als Leitungsgremium fungieren.

Wie wenig der Papst von solchen Experimenten hält, wurde Anfang des Jahres deutlich. In einem Brief an die deutschen Bischöfe, unterzeichnet von den drei wichtigsten Kardinälen im Vatikan, wurden die Pläne rigoros gestoppt. Ausdrücklich wiesen die Absender darauf hin, dass Franziskus ihre Haltung unterstütze.

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Von Beginn an musste Franziskus mit immer neuen Meldungen, Gerüchten und Spekulationen über die Rolle seines Vorgängers leben. Seit einem halben Jahrtausend hatte es keinen „Papst emeritus“ im Vatikan gegeben, mit großem Interesse blickte die Welt darauf, ob es zwischen „den beiden Päpsten“ zu Spannungen kommen würde. Eine Situation wie geschaffen für die Scharen von selbst ernannten Vatikan-Auguren, die jede Wortmeldung Benedikts als einen Angriff auf seinen Nachfolger deuteten.

Papst Franziskus (l.) und sein Vorgänger Benedikt XVI. (r.) haben sich unterschiedliche Sichtweisen nicht anmerken lassen.
Papst Franziskus (l.) und sein Vorgänger Benedikt XVI. (r.) haben sich unterschiedliche Sichtweisen nicht anmerken lassen. © epd | Osservatore Romano

Tatsächlich ist nicht erkennbar, dass das fast zehn Jahre dauernde Nebeneinander der beiden Kirchenführer Franziskus nachhaltig geschwächt hätte. Ebenso wenig belegen lassen sich Behauptungen, ein eigentlich für Reformen aufgeschlossener der Papst werde durch eine erzkonservative Garde von Kardinälen und anderen Strippenziehern im Vatikan an Neuerungen gehindert. Stattdessen ist nach zehn Jahren seines Pontifikats klar: Franziskus ist kein Reformer.

Auch Franziskus konnte Vertrauensverlust in die Kirche nicht stoppen

Ebenso von Beginn seiner Amtszeit an wurde Franziskus mit dem Missbrauchsskandal konfrontiert. Zehntausende Fälle, in denen katholische Amtsträger in Einrichtungen der Kirche sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ausübten, haben das Vertrauen vieler Christen in die katholischen Institutionen nachhaltig erschüttert. Immer öfter kamen auch Fälle von Vertuschung und Verschleierung ans Licht. Franziskus hat all dieses klar und scharf verurteilt. Den Vertrauensverlust stoppen konnte er nicht.

Positiv muss man sehen, dass sich Franziskus rigoros für die Armen und Benachteiligten in der Welt einsetzt. Mehrfach kritisierte er hemmungslosen Kapitalismus: „Wenn der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt steht, wenn das Geldverdienen das erste und einzige Ziel ist, befinden wir uns außerhalb jeder Ethik, und so bekommen wir Strukturen der Armut, Sklaverei und Verschwendung.“

Immer wieder hat er sich zuletzt gegen den Krieg Russlands in der Ukraine gewandt. Unvergessen ist auch das Bild des Papstes, der während des Corona-Lockdowns im März 2020 auf dem menschenleeren Petersplatz den Segen Urbi et Orbi spendete, unterbrochen nur vom Signalhorn eines vorbeifahrenden Ambulanzwagens. Das waren eindringliche Bilder in einer – damals gerade in Italien mit tausend Corona-Toten am Tag - schweren Zeit.

Papst ist gesundheitlich angeschlagen – kein Rücktritt

Nach zehn Jahren im Vatikan ist Franziskus, inzwischen 86 Jahre alt, gesundheitlich angeschlagen. Das Knie macht ihm zu schaffen, seit einiger Zeit ist er bei öffentlichen Terminen auf den Rollstuhl angewiesen. Zudem machte sich auch sein Darmleiden wieder bemerkbar, heißt es. Erst kürzlich sagte der Vatikan wegen einer schweren Erkältung des Papstes mehrere öffentliche Termine ab.

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Spekulationen, dass er es seinem Vorgänger gleichtun und von seinem Papst-Amt zurücktreten könnte, trat Franziskus aber entgegen. Er wolle nicht, dass Papst-Rücktritte „eine Mode, eine normale Sache“ werden, sagt er am Rande seines Besuchs in Kongo: „Ich habe das im Moment nicht auf meiner Agenda.“

Aufgeben ist seine Sache also nicht. Für den Herbst plant er eine Reise in die Mongolei. Eine Massen-Begeisterung wie in Kongo erwartet den Pontifex dort aber eher nicht: Die katholische Kirche in der Mongolei ist mit rund 1300 Mitgliedern eine der kleinsten Kirchen weltweit.