Washington. Es war der Skandal bei der Oscar-Verleihung 2022: Der Schauspieler Will Smith (“Men in Black“) ohrfeigte Chris Rock auf der Bühne.

Man kann nach einer heftigen Auseinandersetzung das Kriegsbeil begraben. Oder man kann es so scharf schleifen, dass bei der nächsten Benutzung Blut fließt; wenn auch nur rhetorisch.

Ein Jahr nach dem „Oscar-Skandal“, bei dem Hollywood-Star Will Smith wegen eines missratenen Witzes über den kahlen Kopf seiner Gattin Jada Pinkett Smith dem Moderator der Film-Preisverleihung auf offener Bühne eine schmerzhafte Ohrfeige verpasste, hat sich Chris Rock offensichtlich für die zweite Variante entschieden. Und damit die 95. Glamour-Show der Traumfabrik Hollywood am kommenden Sonntag reichlich verschattet.

Am Ende einer eigens live für potentiell 230 Millionen Kunden auf Netflix inszenierten Aufführung nahm der prominente Künstler für die physische Entgleisung schonungslos Rache an den Eheleuten Smith – mit Worten.

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So schonungslos, dass in sozialen Medien der Aufruf hundertfach Zustimmung erfuhr, der Held aus Kassenschlagern wie „Men in Black“, „Ali“ oder „King Richard“ möge dem Comedian doch bitteschön „noch eine verpassen“.

Chris Rock nach Smith-Ohrfeige nicht befriedet

Das andere Lager sieht Chris Rock dagegen nach „virtuosem Kampf als klaren K.o-Sieger“ gegen Smith, der sich seit dem beispiellosen Ausraster vor laufender Kamera mehrfach entschuldigt hat.

Dass Chris Rock dadurch alles anderes als befriedet ist, wurde auf der Bühne des Hippodrome-Theaters in Baltimore geradezu physisch spürbar.

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Dem 58-Jährigen, der seit zwölf Monaten nichts Offizielles zum Zwischenfall verlauten ließ, stand die heißkalte Wut in den Augen, als er die aus seiner Sicht wahre Geschichte hinter dem Gewaltausbruch rekapitulierte.

Danach ging es gar nicht um den lauwarmen Gag, den Rock (angeblich nicht wissend) indirekt über die an kreisrundem Haarausfall leidende Schauspieler-Gattin gemacht hatte. Will Smith habe ihn vielmehr in einem „Akt der Verdrängung“ und der „selektiven Empörung“ haftbar dafür machen wollen, dass ihn die ganze Welt für einen „eierlosen Schlappschwanz“ hielt. Wie meinen?

Will Smith mit seiner Ehefrau Jada Pinkett im November 2022 bei der Premiere des Films „Emancipation“
Will Smith mit seiner Ehefrau Jada Pinkett im November 2022 bei der Premiere des Films „Emancipation“ © Matt Winkelmeyer/Getty Images

Hintergrund: Jada Pinkett Smith hatte 2021 eine Affäre mit August Alsina, dem gut 20 Jahre jüngeren Freund ihres Sohnes.

Rock über Smith-Ehefrau Jada Pinkett: „Sie hat die Freunde seiner Söhne ...“

Den Seitensprung verhandelten die Promi-Eheleute damals gegen alle Usancen öffentlich in bizarren Internet-Auftritten, in denen Smith teilweise wie ein geprügelter Hund wirkte, weil die Gattin ihn regelrecht vorführte. O-Ton Rock: „Sie hat die Freunde seiner Söhne gef…ckt und dann das ganze Internet darüber informiert.“

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Darüber habe er, Rock, von Beruf Comedian und Spötter, Witze gemacht, die ihm die Smiths offenbar nie verziehen hätten. Die Sottise gegen Jada Pinkett Smith bei den Oscars habe dann die Wut des weniger später mit dem Hauptpreis für „King Richard“ geadelten Mimen getriggert.

In einem der Schlüsselsätze in Jada Pinketts Smiths Heimatstadt Baltimore, der Will Smith besonders wehtun muss, legte Rock nach: „Sie hat ihn viel stärker verletzt als er mich.“

Feministinnen verzeihen Chris Rock nicht

Dass Rock in seiner versuchten Will-Demontage dessen Frau bitterböse aufs Korn nimmt, verzeihen ihm viele Fans und Feministinnen nicht. Sie erinnern daran, dass Rock seit 20 Jahren aus unerfindlichen Gründen immer wieder Jada Pinkett Smith verbal angerempelt hat.

März 2022: Chris Rock präsentiert den Preis für den besten Dokumentarfilm bei der 94. Oscar-Verleihung.
März 2022: Chris Rock präsentiert den Preis für den besten Dokumentarfilm bei der 94. Oscar-Verleihung. © Chris Pizzello/Invision/AP/dpa

Chris Rock legt unterdessen auf die Feststellung Wert, dass er sich nicht als Opfer sieht. In die Talkshow der „Mutter der Nation“, Oprah Winfrey, zu flüchten, um sich bemitleiden zu lassen, komme für ihn nicht in Frage. Smiths Ohrlasche, obwohl schmerzhaft gewesen, will er eingesteckt haben wie der Weltmeister-Boxer Manny Pacquiao so manchen Hieb seiner Gegner.

Wie sehr das Tischtuch zwischen den afro-amerikanischen Super-Stars der Unterhaltungsbranche zerschnitten ist, kleidet Rock in eine böse Episode. Sein ganzes Leben über habe er Will Smith „bewundert und angefeuert“. Heute schaue er sich Smiths (nicht für die 2023er Oscars nominiertes) Bürgerrechts-Drama „Emancipation“ nur an, um zu sehen, wie der Star in seiner Rolle als Sklave auf einer Plantage in Louisiana übel misshandelt wird.

Chris Rock: „Prügele dich niemals vor Weißen!“

Auch der Schluss-Gag von Rocks bitterernstem Counter-Punch besaß Blattschuss-Qualität. Er werde oft gefragt, warum er damals bei den Oscars nicht direkt zurückgeschlagen habe. Antwort: Seine Eltern hätten ihm beigebracht: „Prügele dich niemals vor Weißen!“

Will Smith hatte seinen Aussetzer damals lautstark mit der Forderung garniert, Chris Rock möge den Namen seiner Frau nie wieder in seinen „verdammten Mund“ nehmen. Hat Rock auch nicht getan. Er nannte sie stattdessen „Schlampe“ und „Raubtier“.

Eine Antwort von Will Smith wird kommen. Und nicht erst in einem Jahr. Die Frage ist: Nur welche?