Berlin. Das EU-Parlament hat seinen Mitarbeitern verboten, die chinesische App TikTok zu nutzen. Wie sieht es bei der Bundesregierung aus?

Kurze Videoclips, auf denen meist meist junge Menschen ihr Tanzbein schwingen – untermalt von einer trendigen Musik. Das ist die Social Media-App TikTok, die sich auch in Deutschland einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Eigentlich ein spaßiger Zeitvertreib, dem sich auch vereinzelt Politiker wie Markus Söder anschließen, der häufig auf dem TikTok-Kanal der CSU zu sehen ist.

Doch die App wird von dem chinesischen Unternehmen ByteDance betrieben, dem immer wieder Sicherheitslücken nachgesagt werden. Nun haben einige EU-Institutionen ihren Mitarbeitern die Nutzung von TikTok untersagt.

Zuerst hatte die Europäische Kommission ihren Mitarbeitern die Nutzung von TikTok auf Diensthandys und Laptops ab Mitte März verboten. Am Dienstag zog nun auch das EU-Parlament nach: Laut einem Schreiben der Generaldirektion für Innovation und technische Unterstützung an 8100 Mitarbeiter darf die App auf Geräten des EU-Parlaments „nicht genutzt oder installiert werden.“ Auch von der Installation auf privaten Geräten rät die Generaldirektorin ab. TikTok selbst bezeichnete die Entscheidung des EU-Parlaments als „fehlgeleitet und auf grundlegend falschen Annahmen beruhend“ und forderte ein „ordnungsgemäßes Verfahren und Gleichbehandlung“.

Für die Bundesverwaltung gibt es kein generelles Tiktok-Verbot

Während auch die USA und Kanada den Mitarbeitern ihrer Behörden eine berufliche TikTok-Nutzung untersagt hatten, bleibt die deutsche Bundesregierung vage in ihrem Umgang mit der Social Media-Plattform. Ein Sprecher des für IT-Fragen zuständigen Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) teilte dieser Redaktion mit: „Ein Verbot von Apps kann das BSI rechtlich für die Bundesverwaltung nicht aussprechen.“ Darüber hinaus gebe es „keine allgemeingültigen Richtlinien zur Nutzung von TikTok auf Dienstgeräten der Bundesverwaltung.“ Demnach entscheiden die einzelnen Behörden in Eigenregie, welche Apps auf dienstlichen Mobiltelefonen installiert werden dürfen.

Diese Aussage deckt sich mit den Angaben, die deutsche Ämter über den Umgang mit dienstlichen Geräten ihrer Mitarbeiter machen. „Es gibt eine Positivliste von Apps, die im Bundespresseamt ausgewählt werden und die man dann installieren kann“, sagte etwa der stellvertretende Leiter des Bundespresseamtes, Wolfgang Büchner, für seine Behörde, bei der nach eigenen Angaben TikTok nicht gelistet ist. Auch auf Endgeräten des Gesundheits-, Verkehrs-, Innen- Verteidigungs- und Justizministeriums sei die App nicht installierbar, wie diese Redaktion erfuhr.

TikTok ist weltweit beliebt – und doch in der Kritik

Unter den privaten Nutzern erfreut sich die App aber wachsender Beliebtheit, gerade unter den Jüngeren: Eine Studie von ARD und ZDF aus dem letzten Jahr ergab, dass der Anteil der Altersgruppe zwischen 14 und 29 Jahren, die in Deutschland TikTok nutzen, bei 44 Prozent liegt. Insgesamt etwa 19 Millionen Menschen haben TikTok in Deutschland derzeit installiert.

Durch die App werden kurze Videos aufgenommen, die meist mit Musik unterlegt werden. Oft tanzen die Nutzer und singen den Text mit Lippenbewegungen stumm mit. Aber auch kurze Ausschnitte von Reden oder Ereignissen können hochgeladen und mit Effekten oder Filtern bearbeitet werden. Andere Social Media-Anbieter waren von dem Erfolg des chinesischen Konzerns zunächst überrumpelt worden. Youtube hat mit dem neuen Format „Shorts“ nun mit einem ähnlichem Konzept nachgezogen.

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Doch Datenschützer warnen, wobei sich das Sammeln von Daten nicht nur auf TikTok beschränkt: „Grundsätzlich ist bekannt, dass zahlreiche Apps Daten an die jeweiligen Hersteller wie auch an Dritte übermitteln“, teilte das BSI mit. „Ein Missbrauch dieser Daten, etwa von Bewegungsdaten, ist aus technischer Sicht nicht auszuschließen.“

Auch andere Social Media-Apps können sensible Daten abgreifen

Deutlicher äußert Martin Schanzenbach gegenüber dieser Redaktion: „Unabhängig davon, ob das Tiktok, Twitter oder Facebook ist, sammeln diese Apps sehr viele Meta- und personenbezogene Daten – und das relativ aggressiv“ , so der Leiter der Forschungsgruppe „Applied Privacy Technologies“ vom Fraunhofer Institut. Dazu gehören etwa die Kontaktliste, Audio- und Videomaterial, die WLANs der Umgebung oder der Standort. Darüber hinaus sei es nicht garantiert, dass es nach Updates der Apps bei diesen Daten bleibe oder ob zusätzlich neue gesammelt werden. „Man hat dann keine Kontrolle darüber, wo diese Informationen letztlich landen.“

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Dass nun gerade TikTok in den Fokus der Öffentlichkeit gerät, ist aus Schanzenbachs Sicht demnach kein technischer Grund: „Wir wissen seit Snowden, dass über das Programm PRISM Daten von amerikanischen Apps an die NSA abfließen.“ Bei TikTok bestehe eben die Angst, dass die Daten letztlich bei der chinesischen Regierung landen.

Patrick Breyer ist Digitalpolitiker im EU-Parlament für die Piratenpartei
Patrick Breyer ist Digitalpolitiker im EU-Parlament für die Piratenpartei © Michael Rauhe

Zu einem ähnlichem Ergebnis kommt auch der Europaabgeordnete Patrick Breyer: „Die TikTok-App ist eine Datenkrake, die viel mehr ausspioniert über den Nutzer, als tatsächlich erforderlich ist“, sagte der Digitalpolitiker der Piratenpartei dieser Redaktion. „Es ist ein krasser Verstoß gegen das Datenschutzrecht und man sollte die Finger von dieser App lassen.“

Jedoch müssten neben TikTok auch andere soziale Netzwerke ins Visier genommen werden. „Was mir hier fehlt ist wirklich ein systematisches und konsequentes Vorgehen“ so Breyer. Er fordert einheitliche Kriterien, auf deren Grundlage Apps auf ihre Sicherheit geprüft werden. „Man muss sich ehrlich machen und darf nicht so tun, als ob mit TikTok das Problem erledigt wäre.“