Washington. Joe Biden muss ab sofort ein schwer gedemütigtes China durch heikle Konflikte navigieren. Worauf es jetzt ankommt.

Ein geplatzter Spionage-Ballon macht keinen Weltuntergang. Und erst recht keinen Krieg der Supermächte. Aber nach dem grotten-dilettantischen Spitzel-Versuch Chinas über den schneebedeckten Prärien der Vereinigten Staaten besteht die Gefahr, dass der massive Gesichtsverlust, den sich das ach so stolze Riesenreich selbst zugefügt hat, zu Überreaktionen fürs heimische Publikum führt. Und damit zu einem kalten Krieg.

Der gerade jetzt bitternötige Dialog zwischen Peking und Washington, die noch keinen Modus zur friedlichen und fairen Ko-Existenz gefunden haben, würde so gekappt, bevor er richtig beginnen konnte.

Spionage-Vorwurf: US-Außenminister Blinken sollte seine Reise nachholen

Darum darf der Zwischenfall, der am Wochenende mit einer kurzen chirurgisch-militärischen Macht-Demonstration der USA am Himmel von South Carolina endete, nicht in eine feindselige Sprachlosigkeit einmünden. Sie würde nur zu noch mehr Friktion und Überhitzung führen. Die Spannungen um Taiwan, für das Peking unverantwortliche Invasionsgelüste hegt, sind schon jetzt zu massiv.

Als Geste des guten Willens wäre es darum hilfreich, wenn US-Außenminister Tony Blinken den Willen demonstriert, seine nachvollziehbar abgesagte Reise nach China beizeiten nachzuholen. Heißt: Nachdem klar ist, ob die Ballon-Affäre auf sträfliche Schusseligkeit, wetterbedingte Unwägbarkeiten oder eiskaltes, provokantes Kalkül zurückgeht. Und nachdem bekannt ist, was genau China „erbeutet“ hat. Blinken würde aus der Position des moralisch Stärkeren agieren. Vielleicht sind sogar Konzessionen von chinesischer Seite drin, die sonst ausgeschlossen wären.

USA sollten Konflikt nicht weiter anfachen, China sollte sich bekennen

Flankierend kann es nicht schaden, wenn der neue konservative Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, seinen avisierten Hurra-Beistands-Besuch in Taiwan aufschiebt. Nicht aus Feigheit. Sondern um nicht ohne Not noch mehr Benzin ins Feuer zu gießen und Chinas Säbelrasseln gegen die Insel zu intensivieren.

China könnte die baldige Rückkehr zu einer geordneteren Tagesordnung erleichtern, wenn es aus seiner Parallel-Welt (Wetter-Ballon…harmlos…hat sich verflogen…der böse Wind) in die Realität zurückkehrt und sich auf den dazu eingerichteten Kanälen dazu bekennt.

Wer stundenlang hochauflösende High-Tech im strahlend blauen „Big Sky” über Montana treiben lässt, wo Amerika einen Gutteil seiner atomaren Interkontinental-Raketen aufbewahrt, will nicht den Rindern beim Frieren zusehen.

China zeigt geopolitische Unreife – oder Chuzpe

Dirk Hautkapp, US-Korrespondent
Dirk Hautkapp, US-Korrespondent © Privat | Privat

Supermächte spionieren sich seit Jahrzehnten mit allen erdenklichen Mitteln aus. Auch die Amerikaner fahren Ballon. Aber man darf sich nicht dumm dabei erwischen lassen.

Das vor verletztem National-Stolz strotzende Lamento Pekings über den als unverhältnismäßig charakterisierten Abschuss des fliegenden Agenten, die plumpe Art und Weise, wie geleugnet wird, was offenkundig ist, zeugt von erstaunlicher geopolitischer Unreife - oder Chuzpe. Beides ist einer notwendigen Verständigung abträglich.

Als unsichere Kantonisten erweisen sich in dieser Hinsicht wieder einmal die durch Donald Trump radikalisierten Erst-schießen-dann-reden-Republikaner. Mit ihnen ist einfach kein Staat zu machen. Sie produzieren, mental schon im schmutzig werdenden Präsidentschaftswahlkampf, nicht viel mehr als heiße Luft. Man muss froh sein, dass Joe Biden Amerikas Krisen-Manager ist und kein Impuls-Täter wie Trump.

Bidens verzögerter Abschuss-Befehl über Wasser war richtig und staatsmännisch. Tote und Verletzte durch abstürzende Abhör-Technik hätte ihm niemand verziehen.