Berlin. Am Dienstag beginnen Tarifverhandlungen für 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen. Die Gewerkschaft ist zu Streiks bereit.

An diesem Dienstag beginnen in Potsdam die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Es geht um die künftigen Löhne und Gehälter für mehr als 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen. Die Tarifrunde dürfte kompliziert werden, die Gewerkschaft Verdi droht bereits mit Streiks. Ein Überblick.

Was fordern die Gewerkschaften?

Verdi, der Beamtenbund sowie die Gewerkschaften der Erzieherinnen (GEW) und Polizisten (GdP) verlangen 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 500 Euro mehr pro Monat und Beschäftigtem. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags soll zwölf Monate betragen. Die Gewerkschaften argumentieren, dass die Beschäftigten angesichts der rasanten Preissteigerungen einen Ausgleich benötigten. Verdi-Chef Frank Werneke sagt: „Es geht um die Sicherung der Realeinkommen aller Beschäftigten und der ökonomischen Existenz von Beschäftigten mit eher niedrigen Einkommen.“

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Für wen wird verhandelt?

Betroffen sind jetzt 2,4 Millionen Mitarbeiter der Kommunen sowie 160.000 des Bundes. Es geht beispielsweise um Verwaltungsangestellte, Mitarbeiter von Stadtwerken oder Kita-Erzieherinnen – aber auch um Beschäftigte der Sparkassen. Die Tarifrunde für die 2,5 Millionen Angestellten der Länder startet erst im Herbst, üblicherweise wird hier aber der Abschluss aus den Verhandlungen für Bund und Kommunen übernommen. Dieser dient auch als Richtschnur für die Gehaltsentwicklung bei Beamtinnen und Beamten.

Was sagen die Arbeitgeber?

Sie halten die Forderungen der Gewerkschaften für überzogen und verweisen auf die angespannte Kassenlage. Für den Bund führt Innenministerin Nancy Faeser die Verhandlungen und für die Kommunen die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge in ihrer Eigenschaft als Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). Beide Politikerinnen gehören der SPD an – so wie Verdi-Chef Werneke auch.

Ist mit Streiks zu rechnen?

Die Gewerkschaften schließen Streiks und Warnstreiks nicht aus. Werneke sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Wenn es nötig ist, dann streiken wir.“ Die Arbeitgeber müssten zur zweiten Verhandlungsrunde im Februar ein Angebot vorlegen, das eine Einigung ermögliche. Bislang sind drei Runden angesetzt: Jene am Dienstag, dann eine am 22. und 23. Februar sowie eine vom 27. bis zum 29. März.

Wäre die Zahlung einer Inflationsprämie ein Weg, um den Konflikt zu entschärfen?

Grundsätzlich können Arbeitgeber ihren Beschäftigten bis zu 3.000 Euro steuer- und abgabenfrei gewähren. Mit dieser zeitlich befristeten Regelung will die Bundesregierung einen Beitrag dazu leisten, dass Tarifabschlüsse die Inflation nicht noch weiter anheizen. Werneke hat allerdings schon deutlich gemacht, dass die Gewerkschaft jetzt nicht auf die Prämie setzt sondern auf „dauerhaft wirksame“ Tariferhöhungen.

In Berlin fordert die Gewerkschaft die vorzeitige Zahlung einer eine Inflationsprämie für die Landesbediensteten – was der Senat mit der Begründung zurückweist, dass die Tarifverhandlungen für die Länder erst im Herbst anstehen. In der Metall- sowie der Chemieindustrie hatten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften im Rahmen ihrer Tarifabschlüsse auch auf die Zahlung von Inflationsprämien verständigt.

Ist die öffentliche Hand zu Zugeständnissen bereit?

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte unserer Redaktion, es brauche jetzt einen Tarifabschluss „mit Augenmaß“. Er ergänzte: „Natürlich wird es einen Gehaltszuwachs geben müssen, da auch die Beschäftigten unter der hohen Inflation leiden.“ Da die Kommunen enorme Probleme hätten, geeignete Fachkräfte zu gewinnen, sollte jedoch auch ein Schwerpunkt der Tarifrunde sein, die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern.

Nach wie vor seien die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst gut, auch die Bezahlung sei in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, ergänzte Landsberg. „Die Finanzlage der Kommunen entwickelt sich allerdings dramatisch.“ Da mit einer Rezession zu rechnen sei, dürften die Steuereinnahmen deutlich zurückgehen. „Gleichzeitig sind viele Städte und Gemeinden dramatisch verschuldet, da es bislang nicht gelungen ist, eine wirksame Altschuldenregelung zu vereinbaren.“

Welche Tarifrunden stehen noch an?

Die Deutsche Post befindet sich gerade mitten in einem Tarifkonflikt. Verdi fordert hier 15 Prozent mehr Geld, in der vergangenen Woche hatte es umfangreiche Warnstreiks gegeben. Bei der Deutschen Bahn startet die Tarifrunde Ende Februar – also dann, wenn die Gespräche im öffentlichen Dienst in die heiße Phase treten dürften. Gibt es einen Abschluss für Bund und Kommunen, dürfte dieser auch auf die Bahn ausstrahlen.

Was denkt die Wirtschaft über die Tarifrunde im öffentlichen Dienst?

Der Mittelstandsverband BVMW zeigte am Montag grundsätzlich Verständnis dafür, dass die Beschäftigten einen kräftigen Gehaltszuwachs verlangen. „Aus Sicht der Wirtschaft stellt sich allerdings die Frage der Finanzierbarkeit“, sagte der BVMW-Vorsitzende Markus Jerger unserer Redaktion.

Die von den Gewerkschaften geforderten Lohnsteigerungen würden Kosten von 14 Milliarden Euro nach sich ziehen und sicherlich nicht zum Abbau der Verschuldung beitragen. Jerger ergänzte: „Der öffentliche Dienst sollte vielmehr alles daran setzen, einen verdienten hohen Tarifabschluss angesichts leerer Kassen in Bund und Kommunen durch Einsparungen, Rationalisierung und Digitalisierung an anderer Stelle gegen zu finanzieren.“