Berlin. Am Sandstrand der Urlaubsinsel befindet sich das Ökosystem im Überlebenskampf. Wissenschaftler entlarven Bakterien als Klimakiller.

In der freien Natur lassen sich immer wieder gleichmäßige Formen, Dynamiken und Strukturen an verschiedensten Orten und unterschiedlichsten Lebensformen beobachten. Die grundlegendste Form ist dabei der Kreis. Ob in Luftblasen, Bakterienkulturen, Baumringen oder gar Planeten, immer wieder fällt die Natur auf die simpelste aller Bauarten zurück. So auch an den Küsten Mallorcas. Dort bilden Seegraswiesen rätselhafte Kreise im Sand unter der Meeresoberfläche. Doch der schöne Schein trügt, die Spiralen könnten auf den Tod des Ökosystems hindeuten.

Den "Feenkreisen" an der Küste von Spaniens beliebtester Urlaubsinsel ist eine Forschergruppe nun auf den Grund gegangen. Das Institut für interdisziplinäre Physik und komplexe Systeme (INIFSC) untersuchte das Phänomen gemeinsam mit dem Mediterranen Institut für angewandte Wissenschaft (IMEDEA) und nahm dabei Proben aus dem Küstenbereich von Pollença und Alcúdia unter die Lupe, die bis ins Jahr 1973 zurückreichen. Was sie dabei herausgefunden haben, erinnert an einen Teufelskreis.

Posidonia reinigt Meerwasser, sorgt für Lebensraum und stabilisiert das Sediment. Ein Bakterium bedroht die Pflanze.
Posidonia reinigt Meerwasser, sorgt für Lebensraum und stabilisiert das Sediment. Ein Bakterium bedroht die Pflanze. © IFISC | IFISC

Mallorcas Sandstrand in Gefahr: Todeszone "Feenkreis" bedroht Ökosystem

Denn die Forschungsresultate geben nicht nur Aufschluss über die Ursache der "Feenkreise", sondern bieten auch einen düsteren Ausblick auf die weitere Entwicklung des Ökosystems Mittelmeerküste. Betroffen von den kreisförmigen Wachstumsimpulsen ist das sogenannte Poseidongras, auch Neptungras genannt. Touristen auf der Urlaubsinsel begegnet die Pflanze oft als unangenehmes Glibbern an den Füßen beim Gang ins Meer oder massenhaft als getrocknetes Unterseelaub am Strand.

Weil Urlauber meist wenig erpicht auf die Posidonia sind, werden Seegraswiesen jedes Jahr im Frühling vor der Badesaison entfernt. Dabei sind die Gräser fürs Ökosystem am Übergang von Land zu Meer eigentlich ein echter Klimaschützer. Die weltweit sonst nur in Australien bekannten Kulturen sind ein natürlicher Schutz für die Erhaltung der beliebten Badestrände.

Wälder, Wüsten, unter Wasser: Phänomen taucht überall auf

"Viele chemische und biologische Vorgänge ergeben eine solche Form, es ist eine Art universelles Verhalten", erklärte Studienautor Damià Gomila der "Mallorca Zeitung". Ringförmig wachsende Pilze, sogenannte "Hexenkreise", haben in Europas Wälder schon lange Faszinierte in ihren Bann geschlagen. Ein ähnliches Phänomen ist in der namibischen Wüste zu beobachten, wo sich dichtes Buschwerk um kreisrunde Lichtungen schart.

Auslöser für die mallorquinischen Feenkreise sind anaerobe Bakterien, die sich zwischen der dichten Posidonia-Vegetation ansammeln. Die Kleinstlebewesen nutzen die Nährstoffe der Seegraswiesen und scheiden als Stoffwechselprodukt giftigen Schwefelwasserstoff aus. Als Folge davon sterben benachbarte Pflanzen. Nicht ohne jedoch in einem finalen Wachstumsimpuls ein paar Zentimeter weiter kräftig auszutreiben. Über die Jahre entwickelt sich so ein Verdrängungswettbewerb zwischen Bakterien und Pflanzen. Das Ergebnis bringt Gomila auf den Punkt: "Die Ringe werden im Laufe der Jahre größer"

Rekordhitze im Mittelmeer: Klimawandel könnte Teufelskreis brechen

Wissenschaftler der ebenfalls beteiligten IMEDEA erhoben über einen Zeitraum mehrerer Jahre die in den kahlen Sandkreisen hinterbliebenen Schwefelkonzentrationen. Das Ergebnis: Je weiter vom Rand entfernt, desto geringer die Kontamination. Gesprenkelt in den Feenkreisen sind auch immer wieder kleinere Seegraspopulationen zu beobachten. In den vergangenen Millionen Jahren dürften sich demnach das Neptungras und die schwefelproduzierenden Bakterien in einem ausbalancierten Teufelskreis befunden haben.

Doch das fürs ökologische Gleichgewicht lebenswichtige Neptungras treibt nur dann innerhalb der Feenkreise wieder aus, wenn die äußeren Faktoren dafür günstig stehen. Davon kann angesichts des Klimawandels keine Rede sein. In den letzten Jahren verzeichneten die Behörden mehrmals neue Rekordtemperaturen im Wasser, vergangenen Sommer wurden erstmals 31 Grad Celsius gemessen. Zudem steigt die Schadstoff-Belastung im Küstenbereich des Mittelmeers immer weiter. Obwohl Gomila keine genaue Prognose zur Entwicklung der Feenkreise wagt, glaubt er doch, den größten Faktor für die zunehmend eingehenden Seegraswiesen zu kennen: "Es liegt in unserer Hand." Lesen Sie auch: Bis zu vier Meter groß: Mysteriöse Fischarten vor Mallorca