Berlin. Bundesarbeitsminister Heil will die Weiterbildung in Deutschland massiv fördern. Was im Gesetzentwurf bislang konkret geplant ist.

Weiterbildung soll einen festen Platz im Berufsleben erhalten und künftig stärker als gefördert werden: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will allen Arbeitnehmern eine bezahlte Bildungszeit gesetzlich zusichern. Dies geht aus einem Entwurf zum geplanten Weiterbildungsgesetz hervor, das vom Bundeskabinett in den nächsten Wochen beschlossen werden soll.

Beschäftigte können sich demnach bis zu einem Jahr weiterbilden, sofern ihr Arbeitgeber dem zustimmt – und werden in dieser Zeit bei ihrem Lebensunterhalt finanziell unterstützt. So sollen die Berufschancen der Beschäftigten erhöht und der Fachkräftemangel eingedämmt werden.

„Wir werden nach österreichischem Vorbild eine Bildungszeit in Deutschland ermöglichen“, sagte Hubertus Heil der Deutschen Presseagentur. In Österreich können Beschäftigte bereits für mindestens zwei Monate bis maximal einem Jahr eine berufliche Auszeit für eine Aus- oder Weiterbildung nehmen – eine so genannte „Bildungskarenz“. Während dieser Zeit erhalten sie ein Weiterbildungsgeld.

Bezahlte Bildungszeit: Zwei bis zwölf Monate möglich

In Deutschland sollen laut Gesetzentwurf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Bildungszeitgeld erhalten, wenn sie mit ihrem Arbeitgeber eine Weiterbildung von zwei bis 12 Monaten vereinbart haben. Voraussetzung ist, dass sie bei dem Betrieb seit mindestens sechs Monaten sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Die Weiterbildung kann auch in Teilzeit über einen Zeitraum von zwei Jahren erfolgen.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt den Vorschlag. „Aus- und Weiterbildung helfen dabei, dem Fachkräftemangel abzuhelfen“, sagte Ver-di-Vorsitzende Frank Werneke dieser Redaktion. „Es kommt darauf an, dass die Unternehmen die Möglichkeiten ergreifen und in ihre Beschäftigten investieren.“ In diesem Fall könnten davon auch viele tausend Beschäftigte in Dienstleistungsbranchen profitieren, die von den Umbrüchen in der Wirtschaft in besonderer Weise betroffen seien, sagte Werneke. Insbesondere in Sozial- und Erziehungsberufen und bei vielen Berufen in Krankenhäusern und Pflege gebe es einen enormen Arbeitskräftebedarf.

Der Mittelstandsverband BVMW begrüßt zwar ebenfalls den geplanten Ausbau der Weiterbildung, befürchtet aber Probleme bei der praktischen Umsetzung. „Die mittelständischen Unternehmen profitieren gerade angesichts des akuten Fachkräftemangels von der Weiterbildung ihrer Beschäftigten. Ein Gesetz, das eine Weiterbildungs-Auszeit bis zu einem Jahr ermöglicht, geht aber völlig an der betrieblichen Realität vorbei“, sagte Markus Jerger, Vorsitzender des BVMW, dieser Redaktion. „Solange nicht die Finanzierung, der Ersatz für den ausfallenden Mitarbeiter und die Frage der Rückkehr an den Arbeitsplatz geklärt sind, ist ein solches Gesetz mit dem Mittelstand nicht zu machen.“

Bildungszeitgeld soll den Lebensunterhalt absichern

Während der Weiterbildung soll das Bildungszeitgeld der Absicherung des Lebensunterhalts dienen. Seine Höhe orientiert sich an dem üblichen Satz des Arbeitslosengeldes. Es entspricht 60 Prozent des Netto-Gehalts bei Alleinstehenden und 67 Prozent bei Menschen mit Kind. Die Summe soll von der Bundesanstalt für Arbeit bezahlt werden. Lesen Sie auch: Bürgergeld-Bonus für Weiterbildungen – So viel Geld gibt es

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die Weiterbildung in Deutschland stärker fördern.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die Weiterbildung in Deutschland stärker fördern. © dpa | Fabian Sommer

Zudem sollen junge Menschen in dem Weiterbildungsgesetz eine „Ausbildungsgarantie“ erhalten. Jeder solle eine Chance auf eine Ausbildung bekommen – egal wo er wohne. Aktuell finden Jugendliche in strukturschwachen Regionen kaum Ausbildungsplätze, während sie in Regionen mit Vollbeschäftigung händeringend gesucht würden.

Wenn Jugendliche für eine Ausbildung oder ein Praktikum an einen anderen Ort umziehen müssten, soll dies durch Übernahme der Fahrt- und Unterkunftskosten unterstützt werden, so Heil. Auch Familienheimfahrten sollen übernommen werden. Auch interessant: Rente erst mit 67: Kanzler Scholz will weniger Frührentner

Fast eine Milliarde Euro jährlich für Weiterbildung

Deutschland müsse zu einer „Weiterbildungsrepublik“ werden, ist Heil überzeugt. So sollten auch Unternehmen, die große Teile ihrer Beschäftigten weiterqualifizieren müssten, Qualifizierungsgelder erhalten.

Insgesamt soll die Bundesagentur für Arbeit für die verschiedenen Maßnahmen jährlich rund 771 Millionen Euro ausgeben. Weitere 190 Millionen Euro will der Bund dazugeben. Demgegenüber stünden mehr Beitrags- und Steuereinnahmen durch mehr Beschäftigung.

Der Bundesarbeitsminister will schon im Schulalter die jungen Leute für die Berufsausbildung sensibilisieren. „Deutschland braucht nicht nur Master, sondern auch Meister.“ Heil möchte deshalb bereits ab der fünften Klasse Berufsorientierungsangebote zur Pflicht machen. Viele junge Menschen wüssten gar nicht, wie viele tolle Berufe es gebe, so der Bundesarbeitsminister. Jährlich verlassen rund 45.000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss.