Lützerath/Berlin. Die Polizei räumt den besetzten Kohleort Lützerath. Die Aktivsten seien friedlich. Robert Habeck verteidigt die Grünen gegen Kritik.

Der Räumungseinsatz für das von Klimaaktivisten besetzte Dorf Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier hat am Mittwoch (11, Januar) begonnen und wurde bis in die Nacht fortgesetzt. In dieser sei es weitgehend ruhig geblieben. Es habe keine besonderen Vorkommnisse gegeben, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstagmorgen. "Im Laufe des Tages geht es mit den Räumungsarbeiten weiter", betonte er.

Einmal seien am Mittwochabend einige Böller geworfen und Feuerwerksraketen aus einem besetzten Gebäude gezündet worden, verletzt wurde niemand. Währenddessen holte die Polizei nicht weit davon entfernt eine Gruppe von Klimaaktivistinnen und Aktivisten von einem Lagerhallendach.

An einer anderen Stelle war die Polizei in der Nacht mehrere Stunden damit beschäftigt, eine Aktivistin aus einem Autowrack zu befreien, das als Hindernis auf einem Weg aufgebaut worden war. Die Frau hatte sich in dem Wrack verschanzt und ihre Füße in den Weg zementiert. In den frühen Morgenstunden konnte sie herausgeholt werden.

Räumung von Lützerath: Habeck verteidigt Kompromiss - "Ort das falsche Symbol"

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat erneut den Kompromiss verteidigt, der zur Abbaggerung des Ortes Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier führt. "Lützerath ist nicht das Weiter-So der Energiepolitik der Vergangenheit", sagte Habeck am Mittwochabend im "heute journal" des ZDF. Es sei ein Schlussstrich und das Ende der Braunkohleverstromung in Nordrhein-Westfalen.

Leider sei das Dorf Lützerath, das ja schon abgebaggert werden sollte und das RWE gehöre, nicht mehr zu retten gewesen, sagte Habeck und fügte zu den Protesten hinzu: "Mit großem Respekt vor der Klimabewegung ist meiner Ansicht nach der Ort das falsche Symbol." Der Grünen-Politiker betonte, dass der Kohleausstieg im Westen Deutschlands um acht Jahre vorgezogen werde.

Habeck und die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) hatten sich im Oktober 2022 mit dem Unternehmen RWE auf den vorgezogenen Braunkohleausstieg 2030 verständigt. Die Vereinbarung sieht außerdem vor, die noch zur Verstromung verfügbare Braunkohlemenge im Tagebau Garzweiler II auf rund 280 Millionen Tonnen zu halbieren. Fünf bislang von Umsiedlung bedrohte Dörfer im rheinischen Revier - Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich, Berverath – sollen erhalten bleiben. Lützerath allerdings soll dem Kohlebagger weichen.

Räumung von Lützerath: Polizei bat am Mittwoch um gewaltfreies Verhalten

Am Mittwoch kam es bei der Räumung zu kleineren Rangeleien. Nach Angaben der Polizei sind Steine und Pyrotechnik in Richtung der Einsatzkräfte geworfen worden. Auch zwei Molotow-Cocktails seien zum Einsatz gekommen. Die Polizei schrieb bei Twitter: "Unterlassen Sie sofort das Werfen von Molotow-Cocktails. Verhalten Sie sich friedlich und gewaltfrei!"

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Am Mittwochnachmittag sprach die Polizei von einem "weitgehend friedlichen Verlauf". Es kam zwar zu einigen Zwischenfällen, gab aber nicht den massiven Widerstand, den einige Beobachter befürchtet hatten. Laut Polizei ist der gesamte Bereich inzwischen abgesperrt. Ein Sprecher der Polizei sagte auch: Es müsse "lobend erwähnt" werden, dass Aktivisten deeskalierend auf Gewaltbereite eingewirkt hätten. Lesen Sie auch die Reportage: Droht die Eskalation in Lützerath? Aktivisten verharren im Dorf

Heinsberger Landrat hofft, dass die Räumung von Lützerath nicht vier Wochen dauert

Der Heinsberger Landrat Stefan Pusch, in dessen Zuständigkeitsbereich Lützerath liegt, hat in einem Gespräch mit der "Rheinischen Post" die "gute und deeskalierende Arbeit der Polizei Aachen" gelobt und ist "guter Hoffnung, dass wir alle hier das ganze schneller beenden können". Pusch hofft, dass die Räumung nicht vier Wochen dauern werde – auch wenn man nicht wisse, was einen in den Häusern erwarte.

Am Donnerstag solle deshalb das SEK nach Lützerath kommen, um das Thema Baumhäuser und Gebäude zu klären, so Pusch. Dort hielten sich noch immer Aktivisten auf. In den Häusern haben sich Menschen zum Teil verschanzt. Manche sollen sich festgeklebt oder angekettet haben. Zahlen über Verletzte oder festgenommene Demonstranten lagen zunächst nicht vor. Mara Sauer, eine Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“, betonte jedoch, "von Verletzten gehört" zu haben.

Protesten in Lützerath: Greta Thunberg kündigt Besuch der Proteste an

Nach Angaben eines dpa-Reporters wurden die Beamten während der Räumung des Hütten- und Baumhauscamps von Schmährufen der Aktivisten begleitet. Nach Angaben der Aachener Polizei zählen die Holzbauten nicht zu den Bestandsgebäuden in Lützerath. Die werden später vom Tagebaubetreiber RWE abgerissen. Die Hütten müssten laut Sprecher jetzt weichen, um das Gelände zu räumen.

Auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg will sich an den Protesten gegen die Räumung des Dorfs Lützerath beteiligen. Thunberg werde am Samstag zu einer Demonstration in die Region kommen, teilten die Organisatoren der Proteste am Mittwoch mit. Die Schwedin war bereits im September 2021 nach Lützerath gereist, um gegen den Kohleabbau und für die Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels zu demonstrieren – einen Tag vor der damaligen Bundestagswahl.

Während die grünen Landesminister und die beiden Fraktionschefinnen der Grünen im NRW-Landtag die Entscheidung, Lützerath zu räumen, verteidigen, bleibt die Grüne Jugend in NRW bei ihrer ablehnenden Haltung: Die Vorsitzenden Nicola Dichant und Rênas Sahin unterstützen die Aktivisten vor Ort. Lesen Sie auch: Kohleausstieg – Die Grünen und das Lützerath-Dilemma

Lützerath: Polizei fordert Aktivisten auf, aufzugeben

Die Polizei forderte die Aktivistinnen und Aktivisten am Mittwoch mehrfach auf, die Besetzung von Lützerath aufzugeben. Es gebe noch eine letzte Möglichkeit, den Ort freiwillig zu verlassen. Andernfalls "müssen Sie mit der Anwendung unmittelbaren Zwangs rechnen", hieß es in einer Durchsage der Polizei am Mittwochmorgen. Erste Aktivistinnen und Aktivistenen folgten der Aufforderung und gingen freiwillig. Sie wurden von Polizisten vom Gelände eskortiert. Viele wollen aber weiter Widerstand leisten.

Ein Klimaaktivist hängt an einem Drahtseil im besetzten Braunkohleort Lützerath.
Ein Klimaaktivist hängt an einem Drahtseil im besetzten Braunkohleort Lützerath. © Rolf Vennenbernd/dpa

Zuvor waren bereits Sirenen und Alarmglocken in dem besetzten Ort zu hören gewesen. Einige Aktivisten kletterten auf hohe Monopods und Tripods – zusammengebundene Stämme mit Plattformen. Sie wurden in den vergangenen Tagen errichtet, um es der Polizei möglichst schwer zu machen, an die Aktivisten heranzukommen.

Der Energiekonzern RWE will den bei Lützerath liegenden Tagebau Garzweiler ausdehnen und die unter dem Ort liegende Kohle abbauen, wozu das von den früheren Bewohnerinnen und Bewohnern verlassene Dorf abgerissen werden muss. Das Unternehmen ist inzwischen Eigentümer der Siedlung.

Proteste in Lützerath: RWE plant Rückbau der Siedlung

Wie RWE erklärte, soll an diesem Mittwoch der Rückbau der Siedlung beginnen und diese anschließend "bergbaulich in Anspruch genommen werden". Als eine der ersten Maßnahmen werde "aus Sicherheitsgründen" ein gut anderthalb Kilometer langer Bauzaun aufgestellt. "Er markiert das betriebseigene Baustellengelände, wo in den nächsten Wochen die restlichen Gebäude, Nebenanlagen, Straßen und Kanäle der ehemaligen Siedlung zurückgebaut werden." Zudem würden Bäume und Sträucher entfernt.

Anschließend könne der nahe Tagebau Garzweiler damit beginnen, die Braunkohle für die Stromerzeugung in den Kraftwerken der Region unter dem ehemaligen Ort freizulegen. RWE appellierte an die Klimaaktivistinnen und -aktivsten, mit Besonnenheit vorzugehen, Gewaltfreiheit zu zeigen und den Rechtsstaat zu akzeptieren.

Lützerath-Räumung: Aktivisten protestieren kreativ

Einige Aktivisten protestierten bewusst mit leisen Tönen. Einer von ihnen saß im Regen an einem alten Klavier, ein anderer klimperte oben in einem Baumhaus auf seiner Gitarre. Andere hatten sich um ein Kreuz versammelt, beteten und sangen "Von guten Mächten wunderbar geborgen".

Erkelenz: Ein Aktivist spielt Klavier, während die Polizei den besetzten Ort Lützerath räumt.
Erkelenz: Ein Aktivist spielt Klavier, während die Polizei den besetzten Ort Lützerath räumt. © Christoph Driessen/dpa

Lützerath ist ein Ortsteil der 43.000-Einwohner-Stadt Erkelenz im Westen von Nordrhein-Westfalen. Der inmitten von Feldern gelegene Weiler befindet sich inzwischen unmittelbar an der Kante des Braunkohletagebaus Garzweiler. (AFP/dpa/fmg)