New York. Der Streit um Wolkenkratzer tobt seit dem Amtsantritt von New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul – und gekämpft wird mit harten Bandagen.

Sollen im Herzen der größten US-Metropole New York Geschäfte und Wohnhäuser abgerissen werden, um den Weg freizumachen für neue Wolkenkratzer, die einem völlig heruntergekommenen Viertel ein neues Gesicht geben würden?

Oder sollten die betroffenen New Yorker, ob Mieter, Wohnungseigentümer oder Ladeninhaber, selbst entscheiden können, was mit ihrer Nachbarschaft geschieht? Die Gouverneurin Kathy Hochul sitzt eindeutig am längeren Hebel, und rechtliche Einwände sind so gut wie chancenlos.

New York: Glasscherbenviertel soll weg

Zur Debatte stehen ein paar Straßenblocks um den traditionsreichen Zentralbahnhof „Penn Station", nur einen kurzen Fußweg von der beliebten Touristendestination Times Square und zahlreichen der legendären Broadway-Bühnen entfernt.

Der Bahnhof, am Passagieraufkommen gemessen die verkehrsreichste Transporteinrichtung in der westlichen Hemisphäre, einschließlich der größten Flughäfen, ist als Drehkreuz für Touristen und Geschäftsreisende einerseits unverzichtbar. Die angrenzende Nachbarschaft, das räumen selbst Vollblut-New-Yorker ein, ist aber alt, schmuddelig, verwahrlost und schlichtweg schmutzig. Lesen Sie auch: Kind schießt auf Lehrerin – lebensgefährliche Verletzungen

Kitschige Souvenirgeschäfte, die älteste McDonalds-Filiale in New York, heruntergekommene Fassaden, Bürgersteige mit umgekippten Mülltonnen, Obdachlose, die in den schmalen Gassen zwischen den Hochhäusern schlafen und der Geruch von Urin prägen die Gegend zwischen den West 31. und 34. Straßen mitten in Manhattan. Auch florieren dort der Drogenhandel und Taschendiebstahl. Hochul verspottet die zur Debatte stehende Nachbarschaft sogar als „Penner-Viertel". Auch interessant: McCarthy-Drama: So schadet das Hin und Her den USA

Menschen protestieren gegen ein Renovierungsprojekt in New York.
Menschen protestieren gegen ein Renovierungsprojekt in New York. © IMAGO / Levine-Roberts

Hochul möchte die Nachbarschaft wieder auf Vordermann bringen

Und obwohl sie ganz woanders, nämlich als Regierungschefin in der nördlich gelegenen Hauptstadt Albany residiert, ist es Hochul seit ihrem Amtsantritt von knapp eineinhalb Jahren ein Anliegen, mit einem ambitionierten, architektonischen Projekt die Nachbarschaft wieder auf Vordermann zu bringen. Lesen Sie hier: Neue Corona-Variante XBB.1.5 breitet sich in den USA aus

Geplant ist, bestehende Gebäude in der dicht besiedelten Großstadt abzureißen und zehn hochmoderne Wolkenkratzer bauen zu lassen, die in den Himmel über New York ragen. Dagegen laufen wiederum die unmittelbar Betroffenen Sturm.

Sicher ist, dass die Gouverneurin dazu die Waffen in der Hand hat. Erhält eine Gegend nämlich vom Staat New York die offizielle Designierung „blighted", was „verdorben" oder gar „zerstört" bedeuten kann, dann besitzt die Regierungschefin weitreichende Vollmachten, um Renovierungen und Neubauten in Auftrag zu geben und die betroffenen Eigentümer zu entschädigen. Auch interessant: Wie Buffalo nach verheerendem Wintersturm das Chaos bekämpft

Dasselbe hatten ihre Vorgänger vor längerer Zeit mit Teilen des Stadtbezirks Brooklyn gemacht oder auch dem Viertel um Times Square, das früher einem Rotlichtviertel glich.

Gouverneurin Kathy Hochul sitzt beim Bauprojekt am längeren Hebel.
Gouverneurin Kathy Hochul sitzt beim Bauprojekt am längeren Hebel. © IMAGO / Pacific Press Agency

Anwohnende laufen Sturm

Die Nachbarn des berühmten Bahnhofs haben nun zum Gegenangriff geblasen. Die Bürgerinitiative „City Club" ist eine von vielen Gruppen, die eine Klage gegen Hochuls Pläne eingereicht haben. In den Klagen wird argumentiert, dass der Begriff „blighted" subjektiv und willkürlich definiert sei und der Staat die Latte für eine solche Designierung viel zu niedrig legen würde.

Wie Richard Emery, ein Rechtsanwalt, der die Bürger vertritt, feststellt „hat der Staat selbst eingeräumt, dass nur acht von 61 der untersuchten Grundstücke als verdorben einzustufen sind". Die entsprechenden Gebäude deswegen effektiv als baufällig zu bewerten sei „so extrem, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass das durchgehen wird". Gute Chancen hätten daher die Klagen gegen das Projekt, ist der Jurist überzeugt. Lesen Sie auch: Joe Biden: So romantisch ist der Präsident der USA

„Unhygienische und unterdurchschnittliche Zustände" sind die Norm

Anders sieht es ein mehr als 200 Seiten umfassender Bericht, den der Staat New York in Auftrag gegeben hatte. Demnach wurde nach gründlicher Inspektion der Gebäude festgestellt, dass „unhygienische und unterdurchschnittliche Zustände" die Norm sind.

Gleichwohl wollte das Immobilienunternehmen Empire State Development, das mit der Leitung des Megaprojekts betraut ist, zu den laufenden Rechtsverfahren keine Stellungnahme abgeben. Geplant ist nach jetzigem Stand, je nachdem, wie die Prozesse verlaufen, dass der Bau der Wolkenkratzer bis spätestens 2044 komplett abgeschlossen sein wird.