Berlin. Missbrauch von Scheckkarten, Zerstörung von Zetteln am Schwarzen Brett: Viele Paragrafen im Strafgesetzbuch gelten als überholt.

Der Paragraf 266 b im Strafgesetzbuch hat es in sich: Es drohen bis zu drei Jahre Haft, wenn das Gericht das volle Strafmaß ausschöpft. Geregelt ist in dem Paragrafen auch der „Missbrauch von Scheckkarten“. Nur: Mit Scheckkarten kann niemand mehr zahlen in Deutschland. Sie wurde 2002 abgeschafft. Mehr als 20 Jahre nach Ende des Zahlungsmittels ist das Strafrecht noch immer nicht angepasst. Wer Zweifel an der Effizienz der deutschen Justiz erhebt, findet Futter im Paragrafen 266.

Die Koalition von SPD, Grünen und FDP steht in ihrem zweiten Jahr. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat kurz vor Neujahr eine umfassende Reform des Strafrechts angekündigt. „2023 wird das Strafrecht ein Schwerpunkt unserer Arbeit sein. Wir werden das Strafgesetzbuch systematisch durchforsten. Wir werden genau prüfen, welche Straftatbestände historisch überholt sind. Unzeitgemäße Strafvorschriften werden wir streichen“, sagte Buschmann unserer Redaktion.

Buschmann: „Totes Holz im Strafgesetzbuch verstellt den Blick auf das Wesentliche“

Als Beispiele für mögliche überholte Paragrafen nannte der Minister etwa den Missbrauch von „Scheckkarten“, diese Karten seien seit mehr als 20 Jahren abgeschafft. Strafbar ist nach geltendem Recht etwa auch das Abreißen eines Zettels vom schwarzen Brett, sofern es eine amtliche Bekanntmachung ist, und wird mit einer Geldstrafe oder sogar einer Haftstrafe bis zu einem Jahr bestraft.

Ersatzfreiheitsstrafe: Viele Menschen in Armut landen in Haft, weil sie Geldstrafen nicht zahlen können. Die Maßnahme ist umstritten.
Ersatzfreiheitsstrafe: Viele Menschen in Armut landen in Haft, weil sie Geldstrafen nicht zahlen können. Die Maßnahme ist umstritten. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Justizminister Buschmann hob hervor, dass Strafe auch im liberalen Rechtsstaat notwendig sei. „Doch Strafrecht muss sich auf die Normverstöße konzentrieren, die wirklich gravierend sind. Und totes Holz im Strafgesetzbuch verstellt den Blick auf das Wesentliche“, sagte Buschmann.

Reform der Ersatzfreiheitsstrafe: Organisationen geht der Vorstoß nicht weit genug

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP hält die Bundesregierung fest, dass sie das Strafrecht „systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche“ prüfen wolle. Zuletzt hatte das Bundeskabinett bereits einen Gesetzentwurf zur Lockerung der Ersatzfreiheitsstrafe auf den Weg gebracht. Sie will mit dem Gesetzespaket auch Hetze gegen Frauen als Tatmotiv verschärft unter Strafe stellen.

Der Anwaltverein und andere Organisationen kritisierten die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe. Für sie gehört die Maßnahme abgeschafft. Die Strafe greift, wenn ein Verurteilter seine Geldstrafe nicht zahlen kann. In den allermeisten Fällen betrifft das Menschen in Armut und Wohnungslose.