Berlin. Der Generalbundesanwalt hat einen BND-Mitarbeiter wegen möglicher Spionage festnehmen lassen. Es besteht der Verdacht auf Landesverrat.

Dieser Gang ist Bruno Kahl schwergefallen. Kein Geheimdienstchef redet gern und bereitwillig über einen Maulwurf in den eigenen Reihen. Über Verrat. Abgründe tun sich dann auf. Lesen Sie auch: BND – Warum der Ukraine-Krieg die "Stunde der Spione" ist

Aber am Donnerstag musste der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) die Flucht nach vorn antreten und an die Öffentlichkeit gehen. Denn am Vortag hatte die Bundesanwaltschaft einen Mitarbeiter des deutschen Auslands-Nachrichtendienstes verhaftet. Der Mann ist jetzt in Untersuchungshaft. Verdacht: Landesverrat. Spionage für Russland. Ob er schon länger Informationen preisgegeben hat oder erst nach Beginn des Ukraine-Krieges damit begonnen hatte, ließ die Bundesanwaltschaft offen.

Der Tipp zur Enttarnung kam von einem anderen Nachrichtendienst. Carsten L. wurde offenbar schon seit Wochen verdächtigt und beschattet. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof hatte bereits am 16. Dezember 2022 einen Haftbefehl erlassen. Seitdem waren nach Angaben aus Karlsruhe „die Wohnung und der Arbeitsplatz des Beschuldigten sowie einer weiteren Person durchsucht“ worden. „Wenn sich der Verdacht bestätigt, ist hier ein wichtiger Schlag gegen russische Spionage gelungen“, erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf Twitter. „Das zeigt, wie wachsam wir sein müssen.“

BND-Mitarbeiter wegen Verdacht auf Russland-Spionage verhaftet

Carsten L. wurde in Berlin verhaftet. Das legt den Verdacht nahe, dass es sich nicht um einen Abhörexperten aus Pullach oder anderswo handelte, sondern um einen Analysten aus der BND-Zentrale. Ein Insider mit Zugang zur Hausspitze? Laut "Focus" soll es sich gar um einen leitenden Mitarbeiter der streng geheimen technischen Auslandsaufklärung handeln.

In dieser Funktion hätte er Zugang zu Informationen westlicher Partnerdienste gehabt. Als Spezialist für Auswertung sei er offensichtlich für die Analyse sämtlicher Vorgänge und Informationen zuständig gewesen, die der BND durch weltweite Abhöraktionen gewonnen hat, heißt es weiter. Dass die Wohnung einer Kontaktperson durchsucht wurde, lässt zudem die größte Sorge der Ermittler erahnen: Handelte Carsten L. allein oder hatte er Mittäter?

Solche Ermittlungen sind nur vorstellbar in enger Abstimmung zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft, BND und der Behörde, die in Deutschland für die Spionageabwehr zuständig ist: das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Behörden hüllen sich dazu allerdings in Schweigen.

Die Enttarnung wird in der Bundesregierung als „gravierender Sicherheitsvorfall“ eingestuft. Der BND hat traditionell sehr gute Kontakte nach Russland, da hat er nicht zuletzt vom Zusammenbruch der DDR profitiert. Er hat zugleich Zugang zu vielen Quellen seiner westlichen Partner, vor allem der USA. Lesen Sie auch: Russland-Connection? Aus für Chef des Cyber-Sicherheitsamts

Spionage durch Russland: Interne Ermittlungen beim BND

Für Kremlchef Wladimir Putin wäre ein Zugang zum vertraulichen Herrschaftswissen der Regierung von Olaf Scholz (SPD) von großem Wert; auch indirekt, weil man über einen Spion für Desinformation in den Reihen eines Geheimdienstes sorgen kann, der von seinen westlichen Partnerdiensten doch gerade wegen exzellenten Analysefähigkeiten und seiner Russland-Kenntnisse geschätzt wurde.

Kahl versichert, nachdem sein Dienst „von einem möglichen Verratsfall“ in den eigenen Reihen Kenntnis erlangt hatte, habe man „sofort umfangreiche interne Ermittlungen eingeleitet“. Als sich der Verdacht erhärtete, „wurde umgehend der Generalbundesanwalt eingeschaltet“, teilte der BND-Präsident mit. Lesen Sie auch: Verdächtige Drohnenflüge – Hat Putin Deutschland im Visier?

„Mit Russland haben wir es auf der Gegenseite mit einem Akteur zu tun, mit dessen Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft wir zu rechnen haben“, sagte Kahl in Berlin. Nachfragen blockte der BND ab. „Zurückhaltung und Diskretion“, so Kahl, „sind in diesem besonderen Fall sehr wichtig“. Jedes Detail, das an die Öffentlichkeit gelange, „bedeutet einen Vorteil des Gegners.“

Reaktionen aus der Politik: „Spionage als zentrale Waffe“

Deutsche Politikerinnen und Politiker zeigten sich nach der Festnahme des BND-Mitarbeiters besorgt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte den Fall gegenüber RTL „besonders bedenklich“. Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte im Bayerischen Rundfunk: „Das ist ein Weckruf an alle, dass Russland keine Ausnahme macht, auch bei uns zu spionieren, um unser System, die Bundesrepublik, zu destabilisieren.“

CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte betonte gegenüber dieser Redaktion, der Fall zeige „dass Russlands hybride Kriegsführung eine sehr aktuelle Bedrohung auch für Deutschland ist“. Spionage sei eine zentrale Waffe in dieser militärischen Strategie.