Berlin. Vorbild ist die Sonne: US-Forschern gelingt bei der Kernfusion ein Durchbruch. Woher kommt die Energie? Und wann gibt es Kraftwerke?

Geht es um saubere Energie der Zukunft, träumen Fachleute oft von Kernfusion. Kleinere Atomkerne werden dabei zu größeren verschmolzen. Anders als bei der bereits in Kernkraftwerken gewonnenen Energie gilt die Kernfusion als sicher und klimaneutral. Sie ist gut kontrollierbar, radioaktive Abfälle fallen nicht an. Befürworter sehen darin auf lange Sicht eine Alternative zur Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas und umstrittener Atomkraftwerke.

Nun ist US-Forschern aus Kalifornien offenbar ein Durchbruch gelungen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Kernfusion: Wie wird dabei Energie gewonnen?

In Kernfusionsreaktoren soll in Zukunft nachgeahmt werden, was seit fünf Milliarden Jahren im Inneren der Sonne geschieht: Wasserstoffkerne unter ungeheurem Druck miteinander zu Helium verschmelzen und dabei enorme Mengen Energie freisetzen.

Im Kernfusionsreaktor liegt der Brennstoff in Form von Plasma (extrem erhitztes Gas) vor. Ein Gramm Brennstoff könnte in einem Kraftwerk 90.000 Kilowattstunden Energie erzeugen, die Verbrennungswärme von elf Tonnen Kohle.

Was ist US-Forschern bei der Kernfusion gelungen?

Wissenschaftler der National Ignition Facility (NIF) am staatlichen Bundeslabor Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien (USA) haben es nach eigenen Angaben erstmals geschafft, in einem experimentellen Fusionsreaktor beim Verschmelzen von Atomkernen mehr Energie zu erzeugen, als für den Versuch eingesetzt wurde. Das verkündete US-Energieministerin Jennifer Granholm am Dienstag in Washington. „Einfach ausgedrückt ist dies eine der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts.“

Auch Experten zufolge ist es ein bedeutender Fortschritt in der Kernfusionsforschung, selbst wenn das Erreichen nur eine Frage der Zeit gewesen sei.

Die Forschenden in Kalifornien nutzten für ihre Experimente die weltstärkste Laseranlage, um winzige Mengen von schwerem und überschwerem Wasserstoff (Deuterium und Tritium) in ein Millionen Grad heißes Plasma zu wandeln. Dabei erhitzen viele Laserstrahlen das Innere eines wenige Millimeter großen Behälters.

Insgesamt sei mehr als doppelt so viel Energie gewonnen worden wie eingesetzt („Nettoenergiegewinn“). Nicht eingerechnet sei dabei aber „die Effizienz der Laser bei der Umwandlung von elektrischer in Laser-Energie“, schränkte Prof. Sybille Günter, Wissenschaftliche Direktorin am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching in einer Mitteilung ein. Günter freute sich aber über „tolle Ergebnisse“.

Schon vor knapp einem Jahr waren Fortschritte bei der Kernfusion an dem US-Institut verkündet worden. Dabei sei die Zündung des Plasmas erreicht worden, berichtete ein Forschungsteam Anfang des Jahres in der Fachzeitschrift „Nature“. Dies führt schlussendlich dazu, dass die Fusionsreaktion sich selbst erhält.

Wie sind die Ergebnisse aus den USA zu bewerten?

Die Fortschritte der US-Kollegen seien „historisch, hocherfreulich und extrem wichtig“ sagte Markus Roth, Professor für Laser- und Plasmaphysik an der Technischen Universität (TU) Darmstadt, unserer Redaktion. Roth hält die verkündeten Zahlen zum Energiegewinn für sehr glaubhaft.

Ein wissenschaftlicher „Durchbruch“ ist es laut Roth deshalb, weil man das Verfahren nun schrittweise weiterentwickeln könne zu einem System, das in Zukunft auch Energie für Stromnetze erzeugen kann. Roth sieht Fusionsstrom als eine der wichtigen Energiequellen der Zukunft. Optimisten sehen damit gar die Energie-Probleme der Welt gelöst.

Kernfusions-Anlage von innen: Atomkerne mittels Laser verschmelzen, das gelingt in Versuchsanlagen wie dem Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien.
Kernfusions-Anlage von innen: Atomkerne mittels Laser verschmelzen, das gelingt in Versuchsanlagen wie dem Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien. © dpa | Damien Jemison

Kernfusion versus Kernkraft: Was sind die Unterschiede?

Beide Methoden eint: Die Energie wird gewonnen aus den Bindungskräften von Atomkernen. Mit dem Unterschied: Bei der Kernkraft werden größere Atome gespalten. Dabei entsteht jedoch radioaktiver Abfall. Zudem besteht das Risiko schwerer Unfälle.

Anders bei der Kernfusion. Hierbei werden – daher der Begriff Fusion – kleinere Atomkerne zu größeren verschmolzen. Die Technologie gilt als sauber, sicher, gut kontrollierbar und zumindest auf lange Sicht günstig.

Größte Tücke: Um eine Kernfusion herbeizuführen, sind Temperaturen von etlichen Millionen Grad Celsius nötig. Dafür muss bislang deutlich mehr Energie aufgewendet werden, als dadurch gewonnen wird. Seit den Fünfzigerjahren wurden Dutzende Versuchsreaktoren gebaut. In keiner Anlage war es bislang gelungen, ein Plus an Energie zu erzeugen.

Kernfusionskraftwerke für Strom: Wie weit sind wir davon noch entfernt?

Prof. Markus Roth forscht an der TU Darmstadt zu Energie aus Kernfusionen.
Prof. Markus Roth forscht an der TU Darmstadt zu Energie aus Kernfusionen. © Privat | Privat

Mitte bis Ende der 2030er-Jahre könnten nach Einschätzung von Markus Roth und vielen Experten erste Kernfusionskraftwerke ans Stromnetz gehen. Das peilt etwa die Regierung in den USA an sowie zahlreiche staatliche und auch private Forschungseinrichtungen weltweit.

Wird auch in Deutschland an Fusionsreaktoren geforscht?

Mehr als 4000 Wissenschaftler und Ingenieurinnen befassen sich allein in Europa mit der Kernfusion, auch hierzulande. Vergangenen Mai stellte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) auf einem Fusionsgipfel in Aussicht, die Laserfusion auch hierzulande fördern zu wollen.

Die TU Darmstadt gründete vergangenen Juli das deutsch-amerikanische Start-up Focused Energy. TU-Professor Markus Roth ist Mitgründer und hofft, dass mit einem ähnlichen Verfahren wie jetzt in den USA 2037 oder 2038 das erste Fusionskraftwerk ans Netz gehen kann. „Es ist aber immer ein Blick in die Glaskugel“ so Roth. (mit dpa)