München. Kaiserin Sisi hatte mit „Sissi“ aus den Filmen mit Romy Schneider wenig gemein. Mit Beauty-Wahn und Körperkult erinnert sie an Promis heute.

„Sissi, ich liebe dich! Willst du meine Frau werden?“ „Nein, nie!“ Echte Fans erkennt man daran, dass sie den melodramatischen Dialog zwischen dem österreichischen Kaiser Franz Joseph und der jungen, bayerischen Adeligen Sissi Wort für Wort mitsprechen. Das „Niemals“ ist dann aber nicht mehr so gut zu verstehen – hier brechen sie in Tränen aus.

Das Erste zeigt „Sissi“, den Kostümfilm von 1955 über die österreichische Kaiserin Elisabeth (1837–1898) am ersten Weihnachtstag um 15.45 Uhr, ab 17.30 Uhr läuft dann die Fortsetzung von 1957, „Sissi – Die junge Kaiserin“; der dritte Teil „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ ist am zweiten Weihnachtstag ab 17.30 Uhr zu sehen. Ein Weihnachten ohne die „Sissi“-Trilogie mit Romy Schneider (1938 - 1982) oder gar kein Weihnachten – für viele käme das aufs Gleiche hinaus.

„Sissi“ passte in die Gemütslage der Nachkriegszeit

Die Sissi-Filme verraten allerdings mehr über die Gemütslage im Deutschland der 1950er-Jahre als über die tatsächliche Kaiserin Elisabeth von Österreich. Zur Ehrenrettung der „Sissi“-Macher sei gesagt: Sie hatten darauf immer verwiesen, dass sie Unterhaltungsfilme produziert hatten. Das zeigt sich schon darin, dass – im Gegensatz zum Filmtitel – die „echte“ Sisi nur mit zwei „S“ und nicht wie auf der Leinwand damals mit drei „S“ geschrieben wurde.

Die Produzenten entschieden richtig. Denn das Kinopublikum der Adenauerzeit wäre vermutlich nicht reif gewesen, sich mit der wahren Sisi auseinanderzusetzen. Die war erstaunlich modern. Man könnte sie auch als Erfinderin der „Ich-AG“ bezeichnen. Und als Pionierin darin, das eigene Bild in der Öffentlichkeit weitgehend so zu steuern, wie sie das wünschte.

Mit 31 Jahren hatte Sisi vier Kinder zur Welt gebracht, von denen drei das Erwachsenenalter erreichten. Und dann ziemlich deutlich klargemacht, dass sie zwar die Kaiserin an der Seite ihres Ehemannes Franz Joseph (1830-1916) bleiben wollte, aber dennoch ihrer eigenen Wege gehen.

Sportbesessenheit und bizarre Essgewohnheiten

Dazu zählte ihr unglaubliches Schönheitsbewusstsein, die aufwändige Pflege ihrer bodenlangen Haare (ihre persönliche Coiffeurin Fanny Angerer stieg bei Hof zu einer höchst einflussreichen Frau auf), ein heute teilweise als unappetitlich empfundenes Ernährungsprogramm (aus Rindfleisch gepresster kalter Fleischsaft) sowie ein enormes Fitnessprogramm.

Sie bezwang österreichische Berggipfel im Eiltempo ebenso wie sie in den 1880er-Jahren als beste Reiterin der Welt galt. Damals noch nicht vergebene olympische Medaillen wären ihr, so waren sich Zeitgenossen einig, sicher gewesen. Die teuersten Pferde mussten für sie gekauft werden, Reitreisen nach Großbritannien und Irland verschlangen nach heutigem Wert Millionen. Ihre Sprunghaftigkeit war berüchtigt: Über Nacht verlor Sisi ihr Interesse am Reitsport und stieg nie wieder in den Sattel.

„Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“, Funke One, mit 3D-Cover 12,50 Euro.
„Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“, Funke One, mit 3D-Cover 12,50 Euro. © FMG | FMG

Sisi litt unter ihren Zähnen

Nicht immer entsprach die Realität dem Bild, das Sisi gerne von sich haben wollte. Als sie als 16-Jährige an den Wiener Hof kam, hatte sie ausgesprochen schlechte Zähne – in ihrer ländlich-entspannten Kindheit am Starnberger See war Zahnpflege offenbar kein Thema gewesen.

Die adlige Gesellschaft kritisierte oft, dass Sisi bei Empfängen nuschelte – das lag daran, dass sie beim Sprechen die Lippen möglichst geschlossen hielt, damit keiner ihre Zähne sah.

Sisi verbarg sich hinter Fächer

Und tatsächlich schaffte es die Kaiserin, dass sie letztmals mit etwa Mitte 30 im Porträt fotografiert wurde. Die „offiziellen“ Bilder, beispielsweise für Amtsstuben, wurde in Folge nur minimal nachretuschiert – was heute in Wiener Archiven gut zu überprüfen ist.

Bei öffentlichen Auftritten hielt sich Sisi im fortgeschrittenen Alter stets einen Fächer vors Gesicht, es gibt zwar frühe Paparazzoaufnahmen, aber ein Studium ihrer Gesichtszüge ist dabei nicht möglich.

„Sisi – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“, Andy Englert, Klartext, 16,95 Euro.
„Sisi – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“, Andy Englert, Klartext, 16,95 Euro. © PR | pr

Sisi gab viel Geld aus, hatte aber wenig Interesse an der Liebe

Sisi gab viel Geld aus, das der bei eigenen Bedürfnissen höchst sparsame Kaiser gerne bezahlte. Sie bereiste die Welt, erwarb Immobilien, schrieb Gedichte und sympathisierte offen mit der Demokratie. Eines allerdings ist ihr nicht nachzuweisen: eheliche Untreue – weder mit ihrem schneidigen Reitlehrer Bay Middleton (1846-1892) noch dem ungarischen Magnaten Graf Gyula Andrássy (1823-1890), die immer als Favoriten gehandelt wurden – während von Franz Joseph sowohl Dauergeliebte als auch kurzzeitige Affären namentlich bekannt sind.

Aber weder in Sisis noch anderen Aufzeichnungen finden sich nur geringste Anhaltspunkte – im Gegenteil, sie vermerkte schon frühzeitig, dass sie der körperlichen Liebe nicht übermäßig zugetan war. Außerdem ist die Geschichte, dass sie „alleine“ reiste, ein schöner Mythos: Entouragen von bis 50 Personen waren immer dabei – und in ihrem Zirkel auch immer Informanten der Wiener Geheimpolizei.

Und Sisis Verhalten war clever kalkuliert: der Kaiser hatte Verständnis und offene Kassen für Sisis Extravaganzen. Seitensprünge seiner Frau, die womöglich noch bekannt geworden wären, hätte er wohl kaum akzeptiert. So blieb Sisi eine Vorreiterin der Emanzipation, die ihren eigenen Weg ging – aus heutiger Sicht historisch faszinierend, aber viel zu modern für das Kinopublikum der 1950er Jahre. Bemerkenswert, dann ihr eigener Tod (durch die Attacke eines Anarchisten in Genf) lag zu diesem Zeitpunkt schon sechs Jahrzehnte zurück.