Berlin. Im Streit um die Einbürgerung sind die Formalien zu wichtig. Hier lohnt sich immer der Blick auf das Individuum und seine Einstellung.

Nach dem Streit um das Bürgergeld kochen jetzt auch beim Thema Einbürgerung die Emotionen hoch. Den deutschen Pass soll es im Regelfall schon nach fünf Jahren geben, so der Plan von SPD-Innenministerin Nancy Faeser, die eine Verabredung aus dem Koalitionsvertrag der Ampel jetzt in die Tat umsetzen will.

Nicht nur die Union ist auf Gegenkurs, auch Liberale in der Ampel sehen bei dem Vorschlag rot. Neuer Streit ist programmiert und zeigt: Es gibt noch mehr Themen, bei der sich die Männer und Frauen der Ampel nicht „grün“ sind.

Der Streit entzündet sich nicht auf ei­nem Nebenkriegsschauplatz. Das Thema Einbürgerung ist heikel und zu Recht von ganz besonderer Bedeutung. Es darf einer Gesellschaft nie egal sein, wer – und auch wie schnell – die Staatsbürgerschaft erhält. Dazu kommt, dass zu leichte Verfahren unnötig Begehrlichkeiten wecken und Menschen anlocken, die im eigenen Volk vielleicht dringend gebraucht werden.

Einwanderung und Integration: Deutschland macht Fehler bei Gastarbeitern

Grundsätzlich ist eine geregelte Einwanderung zu begrüßen – vorausgesetzt, die Integration von Neubürgerinnen und Neubürgern funktioniert. Hier hat Deutschland seit den 70er-Jahren viele Fehler gemacht und teures Lehrgeld bezahlt.

Millionen sogenannter Gastarbeiter führten in den deutschen Industriezen­tren ein Leben jenseits der Gesellschaft. Man nahm irrtümlich an, sie würden mit der hart verdienten D-Mark wieder in ihre Heimat zurückkehren. Die meisten aber blieben, bekamen Kinder und schleppten als Opfer einer schlechten Einwanderungspolitik Integrationsdefizite wie mangelnde Sprachkenntnis als ewige Hypothek mit sich herum. Erschreckend oft bis in die nächste Generation.

Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke Zentralredaktion Berlin
Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke Zentralredaktion Berlin © Dirk Bruniecki

Deutsche Staatsbürgerschaft: Individueller Blick bei Einwanderungsbehörden fehlt

Deutschland braucht dringend gut ausgebildete Fachkräfte – und alles, was ihren Zuzug leichter macht, ist zu begrüßen. Ob ein Mensch gut integriert und für die Gesellschaft wertvoll ist, hängt jedoch weniger von der Frage ab, ob er acht oder fünf Jahre im Land ist. Hier lohnt sich immer der Blick auf das Individuum und seine Einstellung.

Ist er oder sie sich neben den Rechten auch der Pflichten der Staatsbürgerschaft bewusst? Was will er für sich und seine Familie erreichen? Das verraten weder Behördenformulare noch der standardisierte Einwanderungstest, bei dem man wissen muss, dass unser Wappentier der Adler ist. Man würde sich wünschen, dass der Streit über die Einbürgerung zu einem weniger formellen Verfahren führt. Ein Verfahren, in dem Menschen mehr individuell und nicht so bürokratisch begutachtet werden.

Ebenfalls wünschenswert wäre eine breite Debatte zum Thema – ohne populistische Kampfbegriffe. Niemand ist ein Fremdenfeind, wenn er vor der zu schnellen Vergabe der Staatsbürgerschaft warnt. Und niemand „verramscht“ den deutschen Pass automatisch, wenn er für kürzere Einbürgerungsfristen plädiert. Da lohnt sich durchaus der Blick über die eigenen Grenzen hinaus. Man sollte vorurteilsfrei vergleichen, ob andere Länder beim Thema Einbürgerung besser sind als wir.

Zum Erfolg zählen dabei nicht nur absolute Einwanderungszahlen, sondern auch die Zufriedenheit und die Sicherheit einer Gesellschaft mit ihren gebürtig Deutschen und den Zugewanderten. Die Bevölkerung sollte bei diesem Thema auch abgeholt werden und sich am Dialog über diese wichtige Frage beteiligen können. Zuwanderung und Einbürgerung ausschließlich der Politik zu überlassen, ist keine gute Idee.

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Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.