Scharm el-Scheich. Hitze, Dürre und Stürme: Die Auswirkungen des Klimawandels sind anderswo stärker zu spüren als in Deutschland. Vier Erfahrungsberichte.

Zum ersten Mal überhaupt gibt es bei der Weltklimakonferenz eine Übereinkunft, dass besonders arme und verwundbare Länder Geld bekommen sollen für die verheerenden Folgen des Klimawandels. Aktivistinnen und Aktivisten aus der ganzen Welt kämpfen dafür seit Jahren, viele von ihnen erleben die Auswirkungen des heißer werdenden Planeten sehr direkt. Zum Abschluss der Konferenz haben wir vier von ihnen gebeten, zu berichten, was die UN-Formulierung von „Schäden und Verlusten“ für sie bedeutet.

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Brände in Kanada: Skw’akw’as Dunstan-Moore, 26, fordert Reparationen

Zerstörte Häuser in Lytton Creek am 1. Juli 2021.
Zerstörte Häuser in Lytton Creek am 1. Juli 2021. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Darryl Dyck

„Am 30. Juni 2021 brannte ein Feuer 90 Prozent meiner Stadt Lytton Creek nieder. Ich war auf der anderen Seite des Flusses und sah von dort aus die Helikopter, die explodierenden Propantanks, und meine Stadt, wie sie brannte. Das Feuer entstand mitten in einer Hitzewelle, die es ohne den Klimawandel nicht hätte geben können. In den Tagen vorher hatten wir fast die 50-Grad-Marke erreicht, alles war heiß und trocken.

Ich bin in Lytton aufgewachsen und habe mein ganzes Leben lang Klimakatastrophen erlebt. Jährliche Fluten, Hitzewellen, die inzwischen fast die Norm sind. Dass wir in einer Klimakrise sind, war in meinem Leben immer sehr deutlich. Aber es wird einfach nicht genug darüber geredet.

Die Älteren erzählen, wie sich das Klima ändert. Sie sehen es in der Art, wie wir ernten, in der Natur um uns herum. Meine Großeltern sind über 80 und sie reden schon sehr lange davon. Die Winter sind nicht mehr so kalt, was Folgen hat für die Pilze im nächsten Jahr. Die Sommer werden heißer und die Pflanzen, die wir traditionell anbauen, vertrocknen schneller. Manchmal hört man von Politikern, die erst als Erwachsene mitbekommen haben, dass es den Klimawandel gibt. Ich glaube, das liegt daran, dass sie nicht verbunden sind mit dem Land.

Wir brauchen Reparationszahlungen. Es wird so viel darüber geredet, dass dafür kein Geld da sei, aber das stimmt nicht. Besteuert Öl- und Gasunternehmen, und fangt endlich an, aus den fossilen Energien auszusteigen. Politiker müssen jetzt mutig sein.“

Die Kanadierin Skw'akw'as Dunstan-Moore, 26.
Die Kanadierin Skw'akw'as Dunstan-Moore, 26. © Privat

Dürre in Kenia: Ein dringender Appell von Kevin Mtai, 26, an China

„Kenia wird vor allem von Dürren getroffen. Jetzt im Moment leiden mehrere Regionen unter Dürre, vor allem Frauen und Kinder leiden. Das ist eine Auswirkung des Klimawandels. Die Tiere verdursten – wilde Tiere wie Giraffen, aber auch Herdentiere. Viele Menschen in Kenia verdienen ihren Lebensunterhalt mit Viehhaltung. Wenn die Tiere sterben, fallen sie in die Armut. Und manche von ihnen werden kriminell. Afrika ist nur für zwei bis drei Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, aber wir leiden sehr. Fluten in Nigeria, Dürren nicht nur in Kenia, auch in anderen Teilen Ostafrikas.

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Ein Esel, der aufgrund der Dürre in Kenia gestorben ist.
Ein Esel, der aufgrund der Dürre in Kenia gestorben ist. © dpa | Brian Inganga

Die Mächtigen müssen jetzt schnell handeln. Wir wissen, dass sie es können. Als Covid-19 vor allem den Globalen Norden betraf, haben sie gezeigt, dass sie zusammenarbeiten können, und haben schnell einen Impfstoff entwickeln. Dasselbe müssen sie jetzt für Schäden und Verluste tun. Auch China muss zahlen und darf sich nicht hinter Afrika verstecken. China, die EU, Großbritannien und die USA müssen sich jetzt einigen, denn der Weg, auf dem wir sind, ist kein guter. Es ist höchste Zeit, dass sie liefern und nicht nur versprechen. Denn während sie versprechen, sterben Menschen wegen des Klimawandels.“

Klimaaktivist Kevin Mtai, 26, aus Kenia.
Klimaaktivist Kevin Mtai, 26, aus Kenia. © Privat

Stürme auf den Philippinen: Mitzi Jonelle Tan, 25, fühlt sich von der Konferenz betrogen

„Ich bin mit den Auswirkungen des Klimawandels groß geworden. Wenn Stürme unsere Gegend trafen, wurde unser Haus manchmal überflutet, wir hatten tagelang keinen Strom. Einmal, als ich sieben oder acht war, kamen wir nach Tagen einem Sturm nach Tagen wieder aus dem Haus, und jeder Baum um uns herum war entwurzelt. Ich musste weinen – da war dieses tiefe Gefühl von Verletzung. Ich wusste, dass etwas nicht stimmt, aber ich hatte die Worte dafür noch nicht.

In den vergangenen 20 Jahren hatten die Philippinen die höchste Zahl von Extremwetterereignissen. Ich wurde in eine Zeit hineingeboren, in der der Klimawandel schon eskalierte. Meine Mutter sagt, als sie ein Kind war, war es nicht so heiß und die Stürme waren nicht so heftig. Ich kann jetzt beobachten, wie die Stürme zu anderen Zeiten im Jahr kommen als früher. Einige der heftigsten Supertaifune haben die Philippinen im November getroffen, genau in dem Zeitraum, in dem die Klimakonferenzen stattfinden.

Wenn wir über Schäden und Verluste sprechen, klingt das sehr abstrakt. Aber in Wirklichkeit geht es um diese entwurzelten Bäume, um den Verlust, den ich gespürt habe. Es geht um die Menschen, die wir verlieren, um die Häuser, die weggespült werden, um die Kulturen die wir verloren haben und unsere psychische Gesundheit, die leidet.

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Oktober 2022: Bewohner ruhen neben den vom Taifun Rai beschädigten Häusern in Negros Oriental, Zentralphilippinen, aus.
Oktober 2022: Bewohner ruhen neben den vom Taifun Rai beschädigten Häusern in Negros Oriental, Zentralphilippinen, aus. © dpa | Uncredited

Die Klimakrise ist ein Symptom des kaputten Systems, das wir haben, das Profite über Menschen stellt. Und die Klimakonferenz wurden aus diesem System heraus geboren. Sie hat Verschmutzer als Sponsoren, fossile Energiefirmen hatten eine der größten Delegationen hier. Diese Treffen werden sich nicht darauf konzentrieren, die Krise tatsächlich zu lösen, wenn wir keinen Druck machen. Ohne Druck würden die Staatschefs hier gar nichts machen.

Wir brauchen drastische Einsparungen bei Emissionen, um unter 1,5 Grad Erwärmung zu bleiben, kurzfristige Ziele, konkrete Wege zu überprüfen, ob wir diese Ziele erfüllen, einen Ausstieg aus fossilen Energien und Klima-Reparationen vom Globalen Norden an den Globalen Süden. Neues Geld, nicht umgeschichtet, und als Zuschüsse, nicht Kredite. Die Industriestaaten müssen die 100 Milliarden Dollar liefern, die sie seit 2009 versprechen. Es reicht nicht, aber wir fangen da an.

Diese Konferenzen können ermüdend sein und man fühlt sich betrogen. Sie verhandeln Worte auf Papier, als ob es nicht um das Leben von Menschen ginge. Meine Hoffnung liegt nicht bei den Staatschefs, sie liegt bei den Leuten, die jeden Tag gegen die Klimakrise kämpfen, hier und zuhause.“

Die 25-jährige Mitzi Jonelle Tan (zweite Person von rechts) kommt von den Philippinen.
Die 25-jährige Mitzi Jonelle Tan (zweite Person von rechts) kommt von den Philippinen. © PR | pr

Hitzewellen in Indien: Disha Ravi, 24, ruft zum sofortigen Handeln auf

Eine Person geht durch ein ausgetrocknetes Flussbett in Neu Delhi.
Eine Person geht durch ein ausgetrocknetes Flussbett in Neu Delhi. © dpa | Manish Swarup

„Indien ist das Vorzeigeland für Klimafolgen, wir haben fast jede vorstellbare Klimakatastrophe erlebt und manche gleichzeitig. In diesem Jahr hatten Hitzewellen im Nordosten und zur selben Zeit waren andere Teile des Landes überflutet. Und ein paar Wochen später kamen Taifune und mehr Hochwasser. Es passiert wieder und wieder. Millionen Menschen haben ihr Zuhause an diese Krise verloren, ihre Leben, ihre Sprache, ihre Kultur. Sie nimmt uns so viel. Wenn es bei 1,2 Grad Erwärmung schon so ist, will ich mir keine Zukunft vorstellen, wo es 1,5 Grad sind. Mit jedem Zehntelgrad geht es für Indien um Leben und Tod, und es sind schon zu viele gestorben. Wir müssen dringend handeln.

Die Menschen leiden heute unter Schäden und Verlusten und sie werden morgen leiden. Wir brauchen Geld für wirtschaftliche und nicht-wirtschaftliche Verluste. Häufig geht es darum, Geld von Emissionsminderung oder Anpassung umzuleiten, aber das reicht nicht. Wir brauchen alles gleichzeitig.“

Disha Ravi, 24, aus Indien.
Disha Ravi, 24, aus Indien. © Privat | Privat

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.