Berlin. Cathy Hummels sorgt mit einem Video für große Empörung. Ein Experte erklärt, warum ihre Botschaften zu Depressionen so gefährlich sind.

Ein bisschen Sonne, ein bisschen Yoga – dazu ein gutes Buch, und schon ist die Stimmung gut. Könnte sein, dass es hilft, wenn man einfach mal miese Laune hat. Doch Influencerin Cathy Hummels gibt dieses Rezept als Therapie gegen Depressionen aus. Die Reaktionen sind saftig: Zynismus, Oberflächlichkeit. An Ignoranz nicht zu überbieten. Hummels nutze die schwere Krankheit Depression für Werbezwecke, so die Vorwürfe.

Cathy Hummels (34), Ex-Spielerfrau, tut seit geraumer kaum etwas anderes, als auf mentale Erkrankungen wie Depressionen aufmerksam zu machen. Sie hat ein Buch darüber geschrieben „Mein Umweg zum Glück“und lud zum Thema Depressionen Influencerinnen zu einem „Sun & Soul“-Retreat ein.

Ein Ausflug, der es in sich hatte: Die Reise nämlich ging in ein luxuriöses Resort nach Rhodos. Drei Tage lang war auf der Insel Griechenlands Entspannen angesagt. Mit dabei die bekannte Influencerin Maren Wolf, Influencerin und Investorin Diana zur Löwen, Sport-Influencerin Sophia Thiel und Schauspielerin Mimi Fiedler. Ebenfalls an Bord: ein Kamerateam und eine Fotowand mit allen 20 Sponsoren. Auf dem Programm standen Yoga-Kurse wie gesponserte Malkurse.

Vorwurf der Depressionsliga: Hummels fehlt die Bodenhaftung

Auch wenn Experten wie Armin Rösl, Sprecher der Deutschen Depressionsliga, es gut finden,dass das Thema Depression verstärkt in die Öffentlichkeit getragen wird – diese Art der Darstellung empört ihn: „Wenn Cathy Hummels wirklich ernst genommen werden will, sollte sie auf dem Boden bleiben“, sagte er im Gespräch mit dieser Redaktion. „99 Prozent der Leute können sich ein solches Retreat doch gar nicht leisten.“

Cathy Hummels in ihrem umstrittenen Video.
Cathy Hummels in ihrem umstrittenen Video. © Twitter | Twitter

Die Botschaft, die sie dort vermittelt, kritisiert er ebenfalls massiv. „Die Sonne ist wichtig für die Seele“, schrieb sie auf Instagram und lobte die Farbe Gelb als Impuls zum Stimmungsaufhellen. „Das stößt mir sauer sauer auf“, so Depressionsliga-Sprecher Rösl. Sonne könne vieles, auch die Laune verbessern – „aber Depressionen sind eine schwere Krankheit“, die Betroffenen extremes Leid bescheren. Die Therapie müsse intensiv und individuell sein.

Cathy Hummels gibt schlechtes Vorbild ab

Dass Hummels vor allem junge Leute mit seelischen Problemen anspricht, sieht Rösl auch. Und findet es prinzipiell gut. Aber sie nehme ihre Verantwortung für diese Menschen nicht wahr. „Jungen Leute so oberflächlich zu begegnen, ist sogar gefährlich: Sie fühlen sich nicht ernst genommen. Und denken vielleicht sogar, dass Depressionen cool sind, wenn sie die Posts von Cathy Hummels sehen.“

Auch im Netz spürt man das kollektive Kopfschütteln über Hummels Video aus dem Retreat im Luxus-Ressort, wo sie vor einer Werbewand stehend die Botschaft aussendet: „I suffered from Mental Health“. Die Kommentare dazu gehen in etwa in diese Richtung: „I suffered from Mental Health“ ???„Ich litt unter psychischer Gesundheit“ ??? – twittert Fabian bewusst verständnislos.

„Fremdschämen ohne Ende“ – so die Reaktionen auf das Video

Er ist nicht allein mit dem Gefühl, dass hier jemand den falschen Ton getroffen hat. „Es gibt kaum etwas Seltsameres als Influencer, die wie Depression-Powerrangers vor einer Sponsorenwand posieren. Mental Health, aber als Panini-Stickeralbum“, twittert Anton Rainer.

Twitter-Reaktionen auf Cathy Hummels Video-
Twitter-Reaktionen auf Cathy Hummels Video- © Twitter | Twitter

„Fremdschämen ohne Ende“, schreibt Ben. Und jen_devil legt auf Instagram nach: „Hätte man nur Aaron Carter gesagt, dass er einfach mal Yogaurlaub bräuchte... Das Video ist wirklich eine Klatsche für alle, die Menschen an der Krankheit verloren haben.“

Cathy Hummels über den Neid auf Promis wie sie

Cathy Hummels, klar, hat eine andere Sicht auf die Dinge. Auf Instagram schreibt sie: „...Ein Fakt den wir alle feststellen ist: ALLE von uns werden oft “beneidet” weil wir “berühmt” sind….ABER : Wir haben alle unsere Struggles, Unsicherheiten und auch “Krankheiten”. Eine seelische Krankheit sieht man nicht. Jeder von uns hat seine Geschichte. Oft auch eine sehr Traurige. Bewegende. Die Medaille glänzt von zwei Seiten und so hat das Showbusiness auch seine sehr dunklen Seiten.“

Es gibt auch nicht nur Schelte für Hummels, die mit ihrem Auftritt dafür sorgt, dass das Thema der mentalen Erkrankungen vor allem bei jungen Menschen schon stark vom Tabu befreit wird, so Rösl.

Ann Wältin zum Beispiel twittert: „Über mentale Gesundheit zu sprechen finde ich richtig, und dass man seine Reichweite nutzt, um Probleme anzusprechen, die gesellschaftlich noch nicht akzeptiert sind, wie z.B. psychische Probleme.“ Aber die Empörung folgt: „Weshalb hierfür 13 Influencerinnen unter ständiger Kamerabegleitung einen medienwirksamen dreitägigen Auslandstrip mit dem Flugzeug in ein Luxus 5-Sternehotel nach Griechenland fliegen mussten und ein Aufenthalt im Inland nicht ausreichend war, sei mal dahingestellt.“

So viele Menschen sind an Depressionen erkrankt

Etwa 5,3 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Depressionen, so die Deutsche Depressionsliga. Laut Experten kann es jeden treffen. Viele Prominente, zunehmend auch Fußballstars, sehen zunehmend mit dem Thema an die Öffentlichkeit. Auch viele, die für gute Laune stehen, sind betroffen. Comedian Kurt Krömer zum Beispiel hat jüngst in der Öffentlichkeit offen über seine Depressionen berichtet. Nach einem Klinikaufenthalt fühlt er sich geheilt.

Viele Künstler und Comedian betroffen

Auch der Comedian, Schriftsteller und Kabarettist Torsten Sträter aus Dortmund, seit 2018 Schirmherr der Deutschen Depressionsliga, hatte mit Depressionen zu kämpfen. Er sei der „lebende Beweis dafür, dass das Leben trotz einer Depression wieder lebenswert sein kann“, sagt er.

Therapie aus Kombination von Medikamenten und Psychotherapie

Depressionen lassen sich mit modernen Behandlungsmethoden oft rasch heilen oder lindern und die Lebensqualität der Betroffenen damit entscheidend verbessern. Trotzdem handelt es sich in mehr als 50 Prozent der Fälle um eine wiederkehrende oder chronische Erkrankung, deren Ursachen sich bisher nicht beseitigen lassen, so der Neurologen- und Psychiaterverband.

Grundlage der Behandlung ist der Einsatz antidepressiver Medikamente, die Durchführung einer Psychotherapie oder die Kombination beider Maßnahmen.

Depressionen: Wo finde ich Hilfe?