Washington. Das “midterms“-Ergebnis hat Trumps Chancen auf eine erneute Kandidatur nicht gehoben. Ron DeSantis ist nun ein starker Konkurrent.

  • Bei den Zwischenwahlen in den USA zeichnet sich ein spannendes Rennen ab
  • Die von vielen Umfragen prognostizierte "rote Welle" bleibt derzeit aus
  • In Florida gewann Trumps innerparteilicher Rivale Ron DeSantis die Gouverneurswahlen

Rote Welle? Von wegen. Höchstens ein Bächlein. Der bisherige Es-geht-so-Ausgang der „midterms” für die Republikaner, noch sind nicht alle Ergebnisse in Stein gemeißelt, kann vor allem einem nicht gefallen: dem amerikanischen Ex-Präsidenten.

Donald Trump will, das war jedenfall der Stand bis gestern, am 15. November in Mar-a-Lago mutmaßlich seine dritte Kandidatur für das Weiße Haus (nach 2016 und 2020 nun auch 2024) bekanntgeben. Er hatte sich von den Halbzeitwahlen zum US-Kongresswahlen düsentriebartigen Rückenwind für seine innerparteilich umstrittenen Ambitionen erhofft.

Trump hatte Dutzende Kandidaten/-innen persönlich gesponsert. Sie sollten künftig im Repräsentantenhaus wie im Senat „Make America Great Again”-Politik machen, seine Lüge vom Wahlbetrug am Leben halten und ihm kommod den Weg für 2024 bereiten.

Allein, bei der Personalauswahl gab es wenig Licht und viel Schatten. In Ohio boxte sich zwar der Ex-Schriftsteller J.D. Vance („Hillbilly Elegy”) auf Trump-Ticket in den Senat durch. In Pennsylvania dagegen hatte der von Trump ausgesuchte Ex-TV-Doktor Dr. Mehmet Oz gegen das demokratische Urgestein John Fetterman das Nachsehen. Auch in New Hampshire (Dan Bolduc), Pennsylvania (Gouverneurs-Kandidat Doug Mastriano), Wisconsin (Gouverneurs-Kandidat Tim Michels) und Michigan (Gouverneurs-Kandidatin Tudor Dixon), um nur einige zu nennen, griff Trump ins Klo. Seine Extremisten fielen durch den Rost.

Ob der Ex-Football-Profi Herschel Walker in Georgia, der mit überschaubarem Intellekt und unschönen Geschichten über bezahlte Schwangerschaftsabbrüche seiner Ex-Geliebten für Aufsehen sorgte, gegen seinen demokratischen Senator-Gegner Raphael Warnock bestehen kann, wird sich möglicherweise erst bei einer Nachwahl am 6. Dezember entscheiden.

Ron DeSantis nannte sich stolz „Pitbull-Verteidiger” Trumps

Der amtierende republikanische Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, spricht auf einer Wahlparty in Tampa. Hinter ihm: Seine Frau Casey.
Der amtierende republikanische Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, spricht auf einer Wahlparty in Tampa. Hinter ihm: Seine Frau Casey. © Rebecca Blackwell/AP/dpa

Dazu kommt eine ganz besondere Note unter der Überschrift „Ziehsohn wird Ziehvater gefährlich”: Ausgerechnet in seinem Wahlheimat-Bundesstaat Florida ist dem 76-jährigen Trump in Gestalt des 32 Jahre jüngeren Ron DeSantis über Nacht ein veritabler Gegenspieler erwachsen.
Ein haushoher Wiederwahl-Sieg (20 Prozent Vorsprung) katapultiert den gelernten Rechtsanwalt aus Jacksonville, der Gouverneur des Sonnenschein-Staates ist, in die erste Reihe potenzieller Präsidentschaftsanwärter für die nächste Wahl.

Kommentar: Das Midterm-Ergebnis ist ein Rückschlag für Donald Trump

Verkehrte Welt: 2018 benötigte der Sohn italienischer Einwanderer, der in jungen Jahren ein exzellenter Baseballspieler war, Trumps Fürsprache. Ohne sie hätte er den Topjob in der Hauptstadt Tallahassee nicht bekommen.

Damals bezeichnete sich DeSantis stolz als „Pitbull-Verteidiger” Trumps. In einem Wahlkampfvideo stand er am Bett seines Neugeborenen. Das Baby räkelte sich in einem „Make America Great Again”-Strampelanzug.

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DeSantis ist cleverer als Trump

Als Gegenleistung erwartete Trump, dass DeSantis in die Knie geht und den Ring küsst. „Ich frage mich, warum der Typ nicht klarstellt, dass er nicht gegen mich antreten wird“, raunte Trump schon im vergangenen Jahr vor Vertrauten. Die Antwort sollte Trump nicht gefallen.

DeSantis hat an den Elite-Universitäten Yale und Harvard abgeschlossen. Vulgo: Er ist cleverer als Trump. Und er hat früh gewittert, dass es im republikanischen Lager viele Stimmen gibt, die sich nach einem Trumpismus ohne Trump sehnen.

Gemeint ist ein Typ, der politisch und wirtschaftlich auf der „Make America Great Again”-Welle surft und gegenüber der Linken als beinharter Kulturkrieger auftritt. Der dabei aber nicht den Rucksack eines Sexisten, Quartalsirren und Narzissten mit sich herumschleppt. „Für moderate republikanische und parteiunabhängige Wähler könnte das sehr anziehend sein”, sagten Partei-Analysten in Washington schon 2021.

Trump, ein Meister der mobilen Demütigung, versucht seither, den aus seiner Sicht undankbaren Youngster wegzubeißen.
„Wenn er antreten sollte, werde ich euch Dinge erzählen, die nicht sehr vorteilhaft sind. Ich weiß mehr über DeSantis als jeder andere. Mit Ausnahme seiner Frau, die in Wahrheit seine Wahlkampagne führt", sagte Trump laut Wall Street Journal am Wahltag in Florida und fügte hinzu: „Ich denke, er könnte sich schwer schaden, falls er antritt. Ich denke, er würde einen Fehler machen. Die Basis würde es nicht gut finden.”

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Sechs von zehn Wählern in Amerika lehnen Trump ab

Die Basis - damit meint Trump selbstredend allein seine ihn kultisch verehrenden Anhänger. Dass das beim Urnengang 2024 nicht reichen könnte, dämmert im republikanischen Establishment vielen. Hinter vorgehaltener Hand reichte man sich dort wie zum Beweis gestern Zahlen aus Nachwahlbefragungen weiter. Sechs von zehn Wählern in Amerika lehnen Trump ab. Das können in der „Grand Old Party” viele nachempfinden, auch wenn sie sich nicht trauen, es offen zu sagen.


Denn obwohl Donald Trump seit seiner skandalumwitterten Abwahl vor zwei Jahren offiziell aus dem Geschäft ist, fährt er eine beispiellose Schatten-Präsidentschaft. Ungeachtet etlicher strafrechtlicher Ermittlungen, die seine Privat-Unternehmen, ihn als Person wie auch seine Amtsführung von 2017 bis 2021 betreffen, tingelt er wie ein rachsüchtiger Privatier durchs Land, lockt in unregelmäßigen Abständen Zehntausende zu Kundgebungen an, sammelt Spenden in dreistelliger Millionenhöhe und grätscht tagtäglich mit der Standard-Bemerkung in die Tagespolitik, Amerika stehe am Abgrund und könne nur unter seiner Führung genesen.

Dass er sich dabei zum inoffiziellen Personal-Vorstand der republikanischen Partei aufschwingt und fragwürdig qualifizierte Seiteneinsteiger platziert, hat Mitch McConnell ihm nicht verziehen. Der Senator aus Kentucky, Macht-Magier und Schaltstelle der „Grand Old Party", hasst Trump. Was auf Gegenseitigkeit beruht. Trump fordert, dass McConnell vom Hof gejagt wird.

Ron DeSantis: eine Art unbeschädigter Mini-Trump


Ein Trump allerdings, der sich nicht glaubhaft als Königsmacher präsentieren kann, der bei seiner Personalauswahl offenbar etliche Nieten gezogen hat, ist „angreifbar”, sagten noch in der Nacht TV-Analysten. Wenn dann noch demnächst in einem der vielen Justiz-Verfahren gegen Trump der Hammer fiele und Anklage erhoben würde, könnten sich Leute wie Ron DeSantis als eine Art unbeschädigter Mini-Trump andienen.


Über die tatsächlichen Chancen Trumps bei der Wahl in zwei Jahren sagt das, vorausgesetzt, er tritt tatsächlich an, natürlich noch nichts. 24 Monate sind in der amerikanischen Politik zwei Ewigkeiten.

Aber Donald Trump weiß seit diesem Wahl-Dienstag, dass die interne es auf ihn abgesehen hat. „Ohne die vielen katastrophalen, kaum vorzeigbaren Kandidaten, die Trump uns da eingebrockt hat, stünden wir heute besser da”, schreibt ein republikanischer Funktionär aus Pennsylvania auf Anfrage, „Dave McCormick wäre die klar bessere Alternative zu Mehmet Oz gewesen. Aber den wollte Trump ja nicht.”

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Der Artikel ist zuerst bei morgenpost.de erschienen.