Nach seinem Wahlsieg muss Brasiliens künftiger Präsident Lula da Silva das Land neu erfinden. Er ist um die Aufgabe nicht zu beneiden.

Es hatte Jair Bolsonaro die Sprache verschlagen nach der Stichwahl am Sonntag um das Präsidentenamt in Brasilien. Nach seiner hauchdünnen Niederlage gegen Lula da Silva war weder von ihm noch von seinen digitalen Milizen etwas zu hören. Journalisten konstatierten gar, dass im Präsidentenpalast in Brasilia sehr früh das Licht ausgegangen war. Was eine passende Metapher.

Der geschlagene brasilianische Präsident, ein Verächter der Demokratie, hat offensichtlich nicht damit gerechnet, dass er diese Wahl verlieren könnte. Wurde er Opfer seiner eigenen Propaganda?

Klaus Ehringfeld, Südamerika-Korrespondent
Klaus Ehringfeld, Südamerika-Korrespondent © Pablo Castagnola | Pablo Castagnola

Erkennt Bolsonaro seine Niederlage an?

Letztlich ist es egal, was er denkt. Wichtig ist, dass der abgewählte Staatschef jetzt die Niederlage anerkennt und die Angst gebannt wird, die über Lula da Silvas Wahlsieg schwebt: Dass Bolsonaro seine 58 Millionen Wähler, ein guter Teil von ihnen bewaffnet und gewaltbereit, zum Widerstand gegen dieses Wahlergebnis aufruft. Dann droht Brasilien im schlimmsten Fall ein Bürgerkrieg.

Das größte Land Lateinamerikas hat am Sonntag gezeigt, wie Demokratie geht und gehen muss. Wer schlecht regiert, bekommt die Quittung und muss gehen. Nun muss Lula sich Gedanken machen, wie er ab dem 1. Januar ein Land wieder aufbaut, in dem in den vergangenen vier Jahren die staatlichen Institutionen geschwächt oder gar zerstört wurden und das Bolsonaro und seine Gefolgsleute wie ihren Gutshof behandelt und ausgebeutet haben.

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Brasilien ist nicht mehr das Boomland, das es 2003 war, als es die sechstgrößte Volkswirtschaft und die Futterkrippe der Welt war. Lula muss Brasilien wieder neu erfinden. Er ist um diese Aufgabe nicht zu beneiden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.