Brüssel. Das EU-Gesetz für Einheitskabel ist beschlossen. Zu spät? Was sich für iPhones ändert, wie die Kabelvorschrift umgangen werden kann.

Jetzt ist es amtlich: Das Chaos mit unterschiedlichen Ladekabeln für Handys, Tablets oder Kameras hat bald ein Ende. In Deutschland und der gesamten Europäischen Union dürfen die Hersteller neue Modelle tragbarer elektronischer Geräte ab 2024 nur noch mit einem Einheits-Ladekabel verkaufen – zum Aufladen genügt dann ein einziges Kabel, der Stecker passt immer ins Smartphone, den Kopfhörer oder die Spielkonsole.

Am Montag gab der EU-Rat der Mitgliedstaaten in Brüssel final grünes Licht für die Regelung, nachdem das EU-Parlament bereits Anfang Oktober zugestimmt hatte.

Die Mitgliedsstaaten haben jetzt zwölf Monate Zeit, um die Regelung in nationales Recht umzusetzen, und weitere zwölf Monate bis zur Anwendung. Eine Nachrüstpflicht für Produkte, die vor Mitte 2024 auf den Markt kommen, gibt es aber nicht.

„Wichtig ist, keine falschen Erwartungen zu schüren“, sagt der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab. „Ab 2024 wird es einen einheitlichen Standard für neu produzierte kleine Elektrogeräte geben. Es wird aber deutlich länger dauern, bis alle bereits hergestellten Geräte abverkauft sind.“

Einheitliches Ladekabel: Was heißt das für iPhones?

Das gilt künftig: Der USB-C-Anschluss wird ab Mitte 2024 als neuer Standard vorgeschrieben für Mobiltelefone, Digitalkameras, Kopfhörer, Tablets, Videospielekonsolen, Keyboards, Laptops, E-Reader, Navigationsgeräte, Headsets und tragbare Lautsprecher, sofern sie mit einem Kabel aufgeladen werden.

Anfang 2026 wird der Ladestandard auch für Laptops gelten. Den USB-C-Anschluss verwendet schon jetzt die Mehrzahl der Hersteller bereits, etwa Samsung und Motorola. Durch eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen war die Zahl der Ladeanschlüsse in den vergangenen Jahren schon von über 30 auf 3 reduziert worden.

Lesen Sie auch: iPhone 14 (Pro) in der Praxis: Nicht mehr als nötig ausgeben

Die Neuregelung trifft vor allem Apple: Der Konzern versorgt seine iPhones und einige Tablet-Modelle bisher über das sogenannte Lightning-Kabel mit Strom; neuere MacBooks und iPads sind allerdings schon mit USB-C ausgestattet.

Apple hatte jahrelang alle Versuche einer verbindlichen Standardisierung der Buchsen abgewehrt und erklärt, seine Innovationsmöglichkeiten würden dadurch beschränkt. Eine Rolle dürfte aber auch gespielt haben, dass Apple bislang an Gebühren verdient, die Dritthersteller bezahlen müssen, wenn sie ihre Produkte für den Lightning-Anschluss lizenzieren lassen.

Doch scheint der Konzern jetzt einzulenken. Apple selbst hält sich bedeckt, doch Branchenexperten berichten, das Unternehmen teste bereits den USB-C-Anschluss für iPhones, auch AirPods und Mac-Zubehör würden entsprechend ausgestattet. Diesen Informationen zufolge könnte die Umstellung mit der für September 2023 geplanten Einführung des iPhone 15 starten.

Kabelloses Laden statt einheitliches Ladekabel: „Hersteller sind schon viel weiter“

Mittelfristig aber dürfte Apple ebenso wie andere Hersteller das Gesetz durch einen Umstieg auf induktives Laden ohne Kabel umgehen. So sieht es in Deutschland auch der Branchenverband Bitkom: „Die Hersteller sind längst schon viel weiter als die Politik: Induktives, kabelloses Laden auf Basis des herstellerübergreifenden Qi-Standards setzt sich immer weiter durch“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

„Handys, Smartwatches oder Kopfhörer sind nicht mehr einzeln per Kabel mit der Steckdose verbunden, sondern werden ohne Kabel geladen, Daten werden über die Luftschnittstelle übertragen.“ Kommt die EU also zu spät?

Auch interessant: Tablets im Test: Die drei besten Geräte für mobiles Arbeiten

Die EU-Regelung nimmt die Weiterentwicklung zwar in den Blick – doch sie beauftragt die Kommission lediglich, erst ab 2024 einen einheitlichen Standard für kabellose Ladelösungen zu erarbeiten. Bitkom hält allerdings den gesamten Ansatz für falsch: „Die politische Festlegung auf einen technischen Standard wird vor allem Innovationen bremsen und läuft dem wichtigen Grundsatz der Technologieoffenheit massiv zuwider.“

EU beschließt einheitliche Ladekabel: Bald auch für Zahnbürsten und Smartwatches?

Doch räumt auch der Verband ein, dass die EU mit gewaltiger Marktmacht agiert: Weil wohl kein Hersteller allein für den europäischen Markt eine Sonderlösung produziere, werde der USB-C ab 2024 faktisch der weltweite Standard für Ladekabel sein, erklärt Rohleder. Aber damit würden Innovationen etwa bei Ladedauer oder Datenübertragung politisch ausgebremst – zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher, warnt Rohleder.

EU-Politiker dagegen werten die Neuregelung als politischen Erfolg und als Beleg, wie das vereinte Europa zum Nutzen der Konsumenten agiert. EU-Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager sagt: „Die europäischen Verbraucher haben sich lange genug über nicht passende Ladekabel geärgert.“

Lesen Sie auch: 8. Dezember: Warum um 11 Uhr alle Handys gleichzeitig läuten

Aber der EU-Kommission, die das neue Gesetz im Wesentlichen erarbeitet hatte, ging es vor allem auch um den Umweltschutz: Nach ihren Berechnungen fallen durch das Einheitskabel jährlich rund tausend Tonnen Elektroschrott weniger an.

Ein Verbot des gekoppelten Verkaufs von neuen Elektrogeräten mit einem Ladekabel ist zwar diskutiert worden, nun aber nicht vorgesehen. Das Verbot soll später noch einmal geprüft werden – ebenso wie eine Ausweitung der Kabel-Regelung: Geht es nach dem EU-Parlament, wird das Einheitskabel in einigen Jahren auch für weitere elektronische Kleingeräte wie Zahnbürsten oder Smartwatches vorgeschrieben.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de. XHTML Wirtschaftsreporter Aktuellste Podcast-Folge WAZ-onlyXHTML Wirtschaftsreporter Aktuellste Podcast-Folge WAZ-only