Berlin. . Die fünfte Staffel der royalen Saga kocht alte Skandale von König Charles wieder hoch - und erfindet neue dazu. Im Palast ist man empört.

Schloss Windsor steht in Flammen – so beginnt der Trailer für die fünfte Staffel der Serie „The Crown“, die am 9. November bei Netflix startet. Erhitzte Diskussionen gibt es schon jetzt um die neuen Folgen der Saga um das britische Königshaus.

„Willkommen in den 90ern“, so kündigte der Streamingdienst die Folgen an, und genau das ist auch der Grund für die Aufregung: Jeder ab 35 erinnert sich an die denkwürdigen Jahre, als die Monarchie beinahe über sich selbst gestürzt wäre: Das erstarrte System stand im Widerspruch zu dem dekadenten Verhalten seiner Hauptfiguren, deren Privatleben ins Seifenopernhafte abschweiften.

König Charles: Die wüsten Skandale der 90er-Jahre

„Es ist als künftiger König deine Pflicht“, ruft die Queen (Imelda Staunton, 66) ihren lasterhaften Sohn Charles (Dominic West, 53) in einer Szene zur Raison, und es wird deutlich, wie sehr diese wüsten Jahre die Monarchie bis heute prägen. Die Queen ist vor weniger als zwei Monaten gestorben, König Charles III. (73) gerade im Amt – nun werden seine Verfehlungen für ein Millionenpublikum dramaturgisch überzeichnet wieder hochgekocht.

Dass die neue Staffel zufällig zeitgleich mit dem Queen-Tod und dem in Folge gesteigertem Interesse am Königshaus sendefertig ist, ist für die Netflix-Bosse ein Segen: Nach der Pandemie geriet das Unternehmen ins Straucheln. Große Hoffnungen setzte Netflix da auf die neue Staffel von „The Crown“. Budget für Produktion und Marketing wurden erhöht – doch der Queen-Tod beschert den Machern unbezahlbare Aufmerksamkeit. Aber auch harte Kritik, noch bevor die erste Folge gelaufen ist. Lesen Sie auch:Die fünfte Staffel von „The Crown“ geht an den Start

Judi Dench: „The Crown“ ist „grausam“ und „ungerecht“

So erzürnte sich Dame Judi Dench (87) darüber, wie negativ Charles dargestellt werde. Die Serie sei „auf grausame Weise ungerecht“, sagte sie. Wenn Dench spricht, hört man hin. Die Oscarpreisträgerin besitzt in ihrem Metier selber royalen Status. Von 1995 bis 2012 spielte sie „M“, die Chefin von James Bond, sie trat wahrscheinlich in mehr Shakespeare-Stücken auf und verkörperte mehr Königinnen als irgendjemand sonst. Die Queen adelte sie 1988.

Netflix solle kennzeichnen, dass es sich bei „The Crown“ um Fiktion handelt: „Für eine leidtragende Familie und Nation, als Zeichen des Respekts an eine Königin, die ihrem Land pflichtbewusst 70 Jahre lang gedient hat, und um seinen Ruf beim britischen Publikum zu erhalten.“

„The Crown“: Auch Ex-Premier empört

Zuvor hatte schon der ehemalige Premierminister John Major (79) durchgesickerte Szenen kritisiert, in denen Charles seine Mutter stürzen will, weil sie zu alt wäre und den Draht zum Volk verloren hätte. Ihre Erziehung sei so schlecht gewesen, „dass sie eine Gefängnisstrafe verdient hätte“.

Netflix reagierte: Die Serie sei immer schon als fiktionales Drama konzipiert und werde auch so verstanden. „Es ist eine Fantasie darüber, was hinter verschlossenen Türen passiert sein könnte in einem für die Royal Family bedeutendem Jahrzehnt, das zahlreiche Historiker und Biografen unter die Lupe genommen haben“, so eine Sprecherin.

„The Crown“: Hitzige Diskussionen in Talkshows

Besonders in den USA kocht die Debatte hoch. So gibt Moderatorin Sara Haines (45) in der Talkshow von Whoopi Goldberg (66) Dench Recht: „Wir sprechen so viel über die richtige Bildung in diesem Land. Bücher werden verboten, weil sie falsche Informationen enthalten.“ Netflix dagegen könnte Profit machen, indem es Unwahrheiten über real existierend Menschen verbreite.

Komikerin Joy Behar (80) hält dagegen, dass man mit „etwas Gehirn“ begreife, dass „The Crown“ keine Dokumentation sei und Dialoge und Handlungen erfunden seien, auch wenn tatsächliche Ereignisse die Grundlage bilden. Dabei war die Wahrheit dramatisch genug: Prinzessin Diana, die im Fernsehen über ihre „Ehe zu dritt“ klagte, während Charles sich in ein Hygieneprodukt seiner Geliebten Camilla Parker Bowles hineinfantasierte, das waren nur zwei Skandale jener Ära, in der zu allem Überfluss tatsächlich noch Schloss Windsor brannte.

Lasterhafter Thronfolger: Dominic West als Prinz Charles in der fünften Staffel von „The Crown“. 
Lasterhafter Thronfolger: Dominic West als Prinz Charles in der fünften Staffel von „The Crown“.  © Netflix | Netflix

König Charles: Die Rückkehr von „Tampon-Gate“

Die damals ebenso entfesselte britische Presse hatte ein entsprechendes Telefonat von 1989 abgehört. Charles-Darsteller Dominic West erklärte „Entertainment Weekly“, dass „Tampon-Gate“ ein Thema der fünften Staffel werde.

„Wenn man darauf zurückblickt und es spielen muss, ist man sich dessen bewusst, dass die Schuld nicht bei diesen zwei Leuten lag, zwei Liebenden, die ein privates Gespräch führten“, sagt er. Was ihn abstoße, sei die „aufdringliche und widerliche“ Berichterstattung, „dass sie es wortwörtlich abdruckten“ und man sich den Mitschnitt anhören konnte. „Tampon-Gate“ machte Prinz Charles zur Lachnummer.

Dianas letzte Tage: „Grenze überschritten“

Letzte Tage in Paris: Elizebeth Debecki als Prinzessin Diana.
Letzte Tage in Paris: Elizebeth Debecki als Prinzessin Diana. © imago/ZUMA Press | imago stock

Nach dem Tod von Exfrau Diana 1997 wurden er und Camilla (75) jedoch zu Hassfiguren. So gab es zahlreiche Verschwörungstheorie. Den Ruf als Ehe-Killerin hatte Camilla ohnehin schon. Der Weg zur jetzigen Akzeptanz der Königin Consort war lang und steinig.

Gerade die Handlungsstränge um Dianas letzte Tage in Paris wurden auch intern kritisiert. Mit einigen Dialogen wäre „eine Grenze überschritten“ worden, zitieren britische Medien Crew-Mitglieder bei „The Crown“. Die Produzenten teilten daraufhin mit, dass der Unfall selbst nicht gezeigt werde. Prinz William (40) reicht das nicht. Der Thronfolger sei verärgert, dass aus dem Schicksal seiner Mutter Entertainment für den Couch-Abend werde, berichten Medien.

„The Crown“: Kluft zwischen Brüdern wird größer

Den Zwist zu seinem Bruder Harry hat die Serie nur vergrößert. Denn der steht seiner Meinung nach im Kampf gegen die Geschäftemacherei mit der Royal Family auf der falschen Seite: Harry (38) und Ehefrau Meghan (41) sind selber bei Netflix unter Vertrag. Kurz nach der letzten „The Crown“-Folge soll eine Dokumentation über ihr Leben laufen.

Die neue „The Crown“-Staffel ist allerdings nicht die erste Fiktionalisierung jener Zeit.

Imelda Staunton übernimmt die Rolle der Königin Elizabeth II.
Imelda Staunton übernimmt die Rolle der Königin Elizabeth II. © dpa | Alex Bailey

Im vorigen Jahr spielte Kristen Stewart (32) in „Spencer“ eine fahrige, hilflose Diana, die im eisernen Labyrinth Monarchie gefangen ist. „,The Crown‘ als Horrorfilm“, jubelte ein Kritiker. Im (verrissenen) Kitsch-Drama „Diana“ mit Naomi Watts (54) von 2013 erscheint die abwesende Queen eindimensional als böse Schwiegermutter.

Komplex dagegen die oscargekrönte Darstellung von Helen Mirren in „The Queen“ (2006) über die Tage nach Dianas Tod. Vor Drehstart schrieb die Britin ihrer Königin einen Brief: „Wir beleuchten eine wirklich schwierige Zeit in Ihrem Leben“, habe sie darin sinngemäß formuliert. „Ich hoffe, dass es nicht zu fürchterlich für Sie ist.“ Die Antwort? Eine Kenntnisnahme-Floskel des königlichen Sekretariats.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.

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