Berlin. Die Gabe von Hormonen kann Wechseljahrs-Beschwerden lindern. Doch aktuelle Zahlen zeigen: Sehr wenige Frauen entscheiden sich dafür.

Obwohl sie ein natürlicher Abschnitt im Leben einer jeden Frau sind, umgeben die Wechseljahre noch immer viele Tabus und mitunter auch Ängste. Ein Großteil der Frauen hat in den Wechseljahren typische Beschwerden: Hitzewallungen, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen.

„Bei einem Drittel bis zur Hälfte der Frauen sind die Beschwerden so stark, dass sie den Alltag beeinträchtigen“, sagte die Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft, Katrin Schaudig, bei der Deutschen Hormonwoche Ende September. Schaudig ist als Gynäkologin in Hamburg tätig und begleitet selbst viele Patientinnen durch die Wechseljahre.

Ausgelöst werden die Beschwerden vor allem durch den Wegfall des Hormons Östrogen. Zur Linderung der Symptome kann eine Hormonersatztherapie (HRT) gemacht werden. Dabei werden dem Körper die nicht mehr produzierten Hormone von außen zugeführt.

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Wechseljahre: Studie ist weniger aussagekräftig, als angenommen

Doch nur rund sechs Prozent der Frauen in den Wechseljahren nehmen in Deutschland Hormone ein – obwohl viel mehr von ihnen beeinträchtigende Beschwerden haben. Das zeigt der aktuelle Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse. Beim Blick auf die vergangenen zwei Jahrzehnte wird deutlich, dass immer weniger Frauen von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin Hormonpräparate verordnet bekommen.

Vor 20 Jahren galt die Einnahme von Hormonen gegen Beschwerden in den Wechseljahren noch als gängige Therapieform. Im Jahr 2000 entschieden sich 37 Prozent der Frauen dafür. Doch heute haben viele Frauen Angst vor potenziellen Risiken.

„Diese Sorge basiert auf der überwiegend negativen Berichterstattung in den Medien, nachdem 2002 die Studie Women’s Health Initiative veröffentlicht wurde“, sagt Schaudig. In dieser Studie hatten Frauen, die Hormone einnahmen, häufiger Brustkrebs, einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder eine Thrombose. In den Folgejahren stellte sich allerdings heraus, dass die Studie weniger aussagekräftig war, als angenommen.

Hormonpräparate: Nebenwirkungen treten selten auf

„In der Studie wurden Frauen untersucht, die im Durchschnitt 63 Jahre alt waren und damit die typische Wechseljahrsphase bereits hinter sich hatten. Außerdem wurden damals Hormonpräparate eingesetzt, die Ärztinnen und Ärzte heute überwiegend nicht mehr verwenden“, berichtet Schaudig. Und die in den Medien so stark hervorgehobenen Nebenwirkungen waren in Wirklichkeit selten: „In der Regel treten sie bei weniger als 10 von 10.000 Frauen pro Jahr auf“, so Schaurig. „Das muss man bedenken, wenn man über Vor- und Nachteile einer Hormontherapie spricht.“

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Heute steht eine Fülle von Daten zur Verfügung, die Experten eher zu dem Fazit kommen lässt, dass die Vorteile einer modernen Hormontherapie die Risiken bei den meisten Frauen überwiegen. In den offiziellen medizinischen Leitlinien wird Ärzten empfohlen, Frauen mit Wechseljahrsbeschwerden, die einen Leidensdruck haben, eine HRT anzubieten.

Schaudig zufolge gibt auch der gebräuchliche Begriff der Hormonersatztherapie mitunter Grund zur Diskussion. Eigentlich seien die Wechseljahre ein natürlicher physiologischer Vorgang, der nicht behandelt werden müsse, es gebe somit nichts, was ersetzt werden müsse, heißt es von Kritikern. Schaudig hat dazu eine klare Meinung: „Wenn es nun mal der Wegfall der Hormone ist, der die Beschwerden verursacht, sollte man zumindest darüber nachdenken, ob man es durch einen Ersatz der Hormone beheben kann“, so die gynäkologische Endokrinologin.

Risiko für Herz-Kreislauf-System kann umgangen werden

Entscheidet sich die Patientin nach ausführlicher Aufklärung durch Arzt oder Ärztin für eine HRT, besteht diese üblicherweise aus einem Östrogen und einem Gestagen. Bei Frauen, die keine Gebärmutter mehr haben, kann auf das Gestagen verzichtet werden. Die HRT gibt es mittlerweile nicht mehr nur in Tablettenform, Frauen haben auch die Auswahl aus Pflastern, Cremes und Gelen.

Tatsächlich rät Schaudig zu alternativen Darreichungsformen. „Wird das Östrogen über die Haut aufgetragen, werden die gering erhöhten Risiken der HRT für das Herz-Kreislauf-System praktisch umgangen“, sagt die Gynäkologin. Es bleibt das leicht erhöhte Brustkrebsrisiko, weshalb die Früherkennung extrem wichtig ist: „Wenn Frauen Hormone nehmen, sollten sie die Brustkrebsvorsorge extrem wichtig nehmen, das heißt, alle zwei Jahre zur Mammografie gehen und auf eigene Kosten jährlich einen Ultraschall der Brust durchführen lassen“, empfiehlt die Expertin.

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Allerdings können nicht alle Frauen eine HRT machen. Ein wichtiger Ausschlussfaktor ist zum Beispiel eine vorangegangene Brustkrebserkrankung. Kommt eine HRT nicht infrage oder wünscht die Frau keine Behandlung mit Hormonen, stehen nicht hormonelle Therapieansätze zur Verfügung.

Bei weniger starken Beschwerden rät Schaudig zu Sport oder Yoga, auch eine kognitive Verhaltenstherapie, eine Form von Psychotherapie, oder eine Hypnosetherapie könnten helfen. „Bei stärkeren Beschwerden gibt es bestimmte Antidepressiva, die gut gegen Hitzewallungen helfen“, ergänzte sie. Und Frauen könnten auch pflanzliche Substanzen ausprobieren. Hier empfiehlt Schaudig vor allem Präparate mit Traubensilberkerze (Cimicifuga).