Berlin. Bund und Länder ringen um eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket. Es geht ums Geld. Der Verkehrsminister Wissing sollte jetzt mutig sein.

Von Energiepreispauschale über Tankrabatt bis zur Gaspreisbremse: Die Palette der von der Regierung in den vergangenen Monaten beschlossenen Entlastungen ist groß. Bisher zeigt sich: Nicht alles, was gut gemeint war, war auch gut gemacht. Und ob der Kanzler und seine Regierung das Versprechen „You’ll never walk alone“, also niemanden mit den Belastungen durch die hohen Energiepreise allein zu lassen, einlösen können, wird sich erst noch zeigen müssen. So manche Maßnahme wird ihre erhoffte Wirkung erst im kommenden Jahr entfalten.

Ein Beschluss aus der Vielzahl der Maßnahmen sticht jedoch hervor: das 9-Euro-Ticket. In den drei Monaten seiner Gültigkeit wurde das Ticket mehr als 50 Millionen Mal verkauft. Die Entlastung durch das günstige Angebot, war für Menschen mit geringem Einkommen direkt spürbar. Der bundesweit gültige Fahrschein schenkte vielen Bürgern in diesem Sommer zudem ein Gefühl von Freiheit und ermöglichte soziale Teilhabe. Ein „Wir-Gefühl“ lag über dem Land.

Kommt das 49-Euro-Ticket?

Manche der politisch Verantwortlichen zeigten sich selbst erstaunt über den Erfolg des Tickets. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte den Fahrschein „eine der besten Ideen, die wir hatten“. Das lag nicht nur an dem günstigen Preis, sondern auch daran, dass das Ticket zumindest für kurze Zeit der Kleinstaaterei der Verkehrsverbünde ein Ende setzte. Was läge also näher, als schnell an einen solchen Erfolg anzuknüpfen?

Eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket soll Pendler davon überzeugen, mit der Bahn zur Arbeit zu fahren.
Eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket soll Pendler davon überzeugen, mit der Bahn zur Arbeit zu fahren. © dpa | Moritz Frankenberg

Dies fällt Bund und Ländern jedoch schwer – und das hat in erster Linie mit der Finanzierung zu tun. Die Länder können sich ein Ticket vorstellen für 49 Euro im Monat, sie erwarten dafür aber mehr Geld vom Bund. Umweltverbänden ist dies aber schon viel zu teuer. Klar ist allerdings: Ein bundesweiter Fahrschein für einen rein symbolischen Preis, lässt sich nicht finanzieren. Schon gar nicht inmitten einer Krise, in der der Staat auch an vielen anderen Stellen Milliarden einsetzt, um Unternehmen und Haushalte vor dem finanziellen Ruin durch dramatisch hohe Energiepreise zu bewahren.

Neues Ticket muss Beitrag zum Klimaschutz leisten

Für viele Inhaber von Monatstickets und Abo-Karten wäre ein 49-Euro-Ticket eine deutliche Verbesserung. Gleichzeitig soll ein solcher Fahrschein aber nicht nur den Wochenendausflug ermöglichen, sondern auch einen bedeutsamen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dafür müssen Pendler das Auto stehen lassen und mit der Bahn zur Arbeit kommen. Liegt der Preis also zu hoch, entfällt für viele Menschen der Anreiz umzusteigen.

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Jan Dörner, Politikredakteur Funke Zentralredaktion
Jan Dörner, Politikredakteur Funke Zentralredaktion © Privat | Privat

Hinzu kommt, dass es mit einem günstigen Ticket allein nicht getan ist. Hat der Großstädter die nächste Station für Bus oder Tram oft in Laufweite, kann die nächste Bahn-Haltestelle auf dem Land kilometerweit entfernt sein. Daher müssen Busse eingesetzt werden, die dorthin fahren. Aber auch Park & Ride-Parkplätze – am besten gleich mit Ladesäule. Damit der öffentliche Nahverkehr attraktiv ist, braucht es zudem Busse und Bahnen, die nicht überfüllt sind, sondern regelmäßig und zuverlässig fahren.

Nachfolger des 9-Euro-Ticket: Mut zur Revolution

Deutlich wird: Das alles kostet Geld, viel Geld. Sicher muss der Bund nicht jedem Ruf der Länder nach mehr Geld nachgeben. In der Frage der 9-Euro-Ticket-Nachfolge liegt jedoch eine Chance, nicht nur in der aktuellen Krise, sondern auch langfristig. Der bisher unauffällige Verkehrsminister Volker Wissing sollte sie ergreifen. Der FDP-Politiker könnte nach einer Reihe von schwachen Vorgängern als der Ressortchef in die Geschichte eingehen, der für eine Revolution im Verkehr sorgt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.