Berlin. Seit diesem Jahr gilt das Kennzeichen nicht mehr nur für verpacktes Fleisch, sondern auch für Milchprodukte. Doch es gibt weiter Kritik.

Immer mehr Menschen in Deutschland interessieren sich dafür, woher das Fleisch stammt, das bei Abend- oder Mittagessen auf dem Teller landet. Laut dem aktuellen Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft achten mittlerweile 89 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Packungsangaben zu den Haltungsbedingungen der Tiere.

Häufig waren die von der EU geforderten Herkunftsangaben für verpacktes Fleisch in der Vergangenheit wenig transparent: Deshalb haben mehrere große deutsche Lebensmitteleinzelhändler 2019 ein einheitliches Siegel eingeführt, mit dem Verbraucher auf den ersten Blick erkennen sollen, wie die Tiere gehalten wurden: das Label „Haltungsform“. Entwickelt wurde das in vier Stufen eingeteilte Siegel in Kooperation mit der Initiative Tierwohl, einem Zusammenschluss von Land- und Fleischwirtschaft sowie Lebensmitteleinzelhandel.

Doch was genau sagt das Siegel aus? Für das freiwillige Label des Handels wurden keine neuen Tierwohl-Standards eingeführt, sondern nur die bereits bestehenden Siegel in vier Kategorien aufgeteilt. Die Stufen sind dabei von 1 bis 4 gestaffelt und gelten für Rinder, Schweine, Hähnchen und Puten sowie für Pekingenten und Kaninchen. Seit diesem Jahr werden auch Milchprodukte mit dem Siegel ausgezeichnet.

Haltungsformen: Der niedrigste Standard erfüllt nur Mindestanforderungen

Die Haltungsform 1, „Stallhaltung“, entspricht dabei den niedrigsten Standards und erfüllt nur die gesetzlichen Mindestanforderungen oder Branchenstandards. Hier hat ein Schwein mit einem Gewicht von 50 bis 110 Kilogramm nur 0,75 Quadratmeter Platz im Stall zur Verfügung. Für Masthähnchen gilt eine Begrenzung von 39 Kilogramm pro Quadratmeter, was bei einem Gewicht von 1,5 Kilogramm in etwa 26 Tieren entspricht. Lesen Sie auch:Aldi, Lidl und Co.: Kritik wegen billigen Grillfleischs

Geringfügig besser haben es die Tiere in Haltungsform 2 – „Stallhaltung Plus“. Hier sind für Schweine immerhin zehn Prozent mehr Platz vorgesehen als in Haltungsstufe 1. Auch für Hähnchen ist mit 35 Kilogramm pro Quadratmeter etwas mehr Platz vorgesehen. Noch besser wird es mit Haltungsform 3, „Außenklima“. Das bedeutet, dass Schweine mit einem Gewicht von 50 bis 110 Kilogramm immerhin etwas mehr als einen Quadratmeter zur Verfügung haben, außerdem müssen die Ställe mindestens an einer Seite offen sein.

Verbraucherschützer weisen auf Grenzen des Labels hin

Auch Hühner dürfen nicht mehr so eng gehalten werden, hier sind nur noch 25 Kilogramm pro Quadratmeter erlaubt, was knapp 17 Tieren entspricht. Ihnen muss, genau wie Schweinen auch, außerdem mehr organisches Beschäftigungsmaterial zur Verfügung gestellt werden.

Seit 2019 im Handel zu finden: das Haltungsform-Siegel.
Seit 2019 im Handel zu finden: das Haltungsform-Siegel. © picture alliance / photothek | Ute Grabowsky

Am tierfreundlichsten ist die Haltungsform 4, „Premium“. In dieser Kategorie landet auch – aber nicht nur – bio-zertifiziertes Fleisch. In Haltungsform 4 müssen jedem Schwein knapp 1,5 Quadratmeter Platz im Stall zur Verfügung stehen. Die Tiere müssen außerdem entweder in Freilandhaltung leben oder aber einen ständigen Zugang nach draußen haben. Auch für Hähnchen bedeutet die vierte Stufe erneut mehr Platz und ebenfalls einen Zugang zu einem Außenbereich.

Kritik an dem Label gibt es unter anderem von Verbraucherschützern. Das Siegel habe zwar grundsätzlich mehr Transparenz ermöglicht, weise aber auch deutliche Grenzen auf, sagt etwa der Lebensmittelexperte der Verbraucherzen­trale NRW, Bernhard Burdick. Dazu zähle unter anderem, dass es sich nur um eine freiwillige Kennzeichnung handle.

„Einzig die Haltungsformen 3 und 4 stehen für eine deutlich verbesserte Tierhaltung“

Außerdem beziehe sich das Label nur auf die Haltungsform im Maststall und auf die Mast an sich. „Verhaltens- und gesundheitsbezogene Kriterien werden nicht berücksichtigt“, sagt der Experte. Zudem müsse die gesamte Prozesskette bedacht werden, „von der Haltung der Elterntiere über die Jungtieraufzucht, Mast und Transport bis hin zur Schlachtung“. Das sei ebenfalls nicht der Fall.

Einige Supermärkte haben mittlerweile erklärt, künftig kein Fleisch mehr aus den Haltungsformen 1 und 2 anbieten zu wollen. So will etwa der Discounter Aldi das Frischfleischsortiment bis zum Jahr 2030 vollständig auf die Haltungsformen 3 und 4 umstellen. Schon bis 2025 soll kein Fleisch aus Haltungsform 1 mehr angeboten werden. Laut Burdick sei das ein wichtiger Schritt: „Nach Auffassung der Verbraucherzentralen stehen einzig die Haltungsformen 3 und 4 für eine deutlich verbesserte Tierhaltung.“ Auch interessant: Vegetarisch und vegan für Kinder: Wie gesund ist fleischlos?

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    Aktuell dominieren in den Supermärkten allerdings weiterhin Fleischprodukte der Haltungsstufen 1 und 2. Eine Abfrage der Umweltschutzorganisation Greenpeace unter den Einzelhändlern ergab in diesem Jahr, dass 88,4 Prozent des Fleisches aus den ersten beiden Haltungsformen stammten. Die Stufe 2 machte dabei mit 69,9 Prozent den größten Anteil aus – allerdings sank der Anteil der Produkte aus Haltungsform 1 im Vergleich zum Vorjahr deutlich.

    Auch die Regierung arbeitet an einem Haltungskennzeichen

    Neben dem Haltungsform-Siegel sind auf vielen Produkten weitere Label aufgedruckt. Dazu gehört beispielsweise die eigene Kennzeichnung der Initiative Tierwohl sowie diverse Bio-Label. Seit Jahren wird außerdem über ein staatliches Tierwohl-Label diskutiert.

    Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft arbeitet derzeit an einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung für Lebensmittel tierischer Herkunft, die aus Deutschland stammen. Dem Konzept zufolge sind fünf Haltungsformen geplant: Stall, Stall+Platz, Frischluftstall, Auslauf/Freiland und Bio. In einem ersten Schritt soll frisches unverarbeitetes Fleisch von Schweinen gekennzeichnet werden. Weitere Tierarten und Produkte sollen folgen. Der genaue Zeitplan für die Einführung des Labels ist offen.

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    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.