Berlin. Die Entlastungsschritte der Ampel-Koalition bringen auch Änderungen für Sozialhilfe-Empfänger. Das sind die wichtigsten Punkte.

  • Hartz-IV-Empfänger leiden besonders unter den stark gestiegenen Lebenserhaltungskosten
  • Im neuen und dritten beschlossenen Entlastungspaket ist festgehalten, dass Hartz-IV-Empfänger deutlich mehr Geld erhalten sollen
  • Der Regelsatz soll auch im neuen Bürgergeld-System steigen. Es ist nicht die einzige Maßnahme

Die Ampel-Koalition erwartet in den nächsten Monaten teils starke Erhöhungen der Preise für Gas und Strom. Mit ihrem dritten Entlastungspaket plant sie daher verschiedene Maßnahmen, die den Bürgerinnen und Bürgern bei der Bewältigung der höheren Lebenshaltungskosten helfen sollen.

Auch Hartz IV-Bedürftigen kommt das Entlastungspaket zugute. Zum Beispiel sparen Personen in der Grundsicherung durch die geplante Strompreisbremse. Außerdem soll es knapp zehn Prozent höhere Regelsätze beim Bürgergeld geben, mit dem das Hartz IV-System ab 2023 abgelöst wird. Die Ergebnisse für Hartz IV-Empfängerinnen und -Empfänger im Überblick:

Der Koalitionsausschuss um Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, 2.v.l.) stellt die Verhandlungsergebnisse vor.
Der Koalitionsausschuss um Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, 2.v.l.) stellt die Verhandlungsergebnisse vor. © Michael Kappeler/dpa

Hartz IV: Bürgergeld ab 1. Januar 2023 - Regelsatz wird erhöht

  • Bedürftige sollen mit der für 1. Januar geplanten Weiterentwicklung des heutigen Hartz-IV-Systems zu einem Bürgergeld um 50 Euro höhere Regelsätze erhalten: etwa 500 Euro monatlich. Dies soll durch einen "Paradigmenwechsel" (Bundeskanzler Olaf Scholz) geschehen: Bei der Berechnung der Sätze soll künftig schon die zu erwartende Inflation im Jahr der Anpassung berücksichtigt werden. Bisher wurden nur zurückliegende Werte angesetzt.

Wohngeld: Heizkostenzuschuss wird Komponente des Wohngelds

  • Ein weiterer Heizkostenzuschuss soll im Herbst an die Wohngeldbeziehenden gehen. Er beträgt einmalig 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt. Im Zuge der für Jahresbeginn geplanten Wohngeldreform soll er dann zur dauerhaften Komponente des Wohngelds werden. Zudem soll der Kreis der Wohngeldberechtigten auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert werden. Ende 2020 hatten laut Statistik-Amt 618 200 Haushalte Wohngeld bezogen.

Strompreisbremse: Privathaushalte erhalten vergünstigten Strom

  • Privathaushalte sollen die Strommenge für einen Basisverbrauch zu einem vergünstigten Preis erhalten. Für kleine und mittlere Unternehmen mit Versorgertarif soll dies auch gelten. Finanziert werden soll die Preisbremse mit Einnahmen durch eine neue Erlösobergrenze für Energieunternehmen. Zudem sollen die beim Strompreis relevanten, voraussichtlich steigenden Netzentgelte damit bezuschusst werden.

Midi-Jobs: Bis zu 2000 Euro monatlich möglich

  • Eine Beschäftigung knapp über der Mini-Job-Schwelle mit geringeren Sozialbeiträgen soll erleichtert werden. Die sogenannten Midi-Jobs sollen künftig monatlich bei bis zu einem Verdienst von 2000 Euro liegen können.

Entlastungspaket III: Wovon alle profitieren

Von einigen Entlastungen profitieren ohnehin alle Bürgerinnen und Bürger:

  • Schutz für Mieterinnen und Mieter: Kann jemand die hohen Preise für Gas und Strom nicht zahlen, sollen Sperren dennoch vermieden werden. Dem Papier zufolge soll das Energierecht angepasst werden, um Mieterinnen und Mieter vor dem Abschalten von Energie zu schützen. Für einen Basisverbrauch an Strom soll künftig ein vergünstigter Preis gelten, außerdem will die Ampel-Koalition ein neues bundesweit gültiges Nahverkehrsticket. Ziel ist eine Preisspanne zwischen 49 und 69 Euro im Monat dafür.
  • Nachfolge für das 9-Euro-Ticket: Nach dem Vorbild des 9-Euro-Tickets, das als Sonderaktion von Juni bis August günstiges Fahren mit Bus und Bahn möglich machte, soll es künftig dauerhaft ein Ticket geben, mit dem bundesweit der ÖPNV genutzt werden kann. Die Koalition legt in ihrem Ergebnispapier aber weder Startzeitpunkt noch Preis fest. Sie nennt einen Preiskorridor von 49 bis 69 Euro und spricht von einer "zeitnahen" Einführung.
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Hartz IV: Mehr Geld, doch es gibt weiter Kritik

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat das dritte Entlastungspaket der Ampel-Koalition als unzureichend kritisiert. Zwar sei es etwa richtig, dass Rentner und Studierende in die Energiepreispauschale einbezogen würden, sagte Merz am Sonntag im Sommerinterview der ARD. Aber ob es wirklich ausreiche auch für diejenigen, die so gerade eben oberhalb der Wohngeld-Grenze und oberhalb der Sozialhilfesätze lägen, das müsse man sehen. "Man hätte mehr tun müssen für diejenigen, die so eben gerade oberhalb der Grenzen liegen", sagte Merz, der auch Fraktionschef der Union im Bundestag ist. Lesen Sie auch: Rente – Diese Entlastungen bekommen nun Ruheständler

Die Linke hat das Entlastungspaket der Ampel-Regierung als unzureichend kritisiert. In Wahrheit sei es "wieder nur ein Entlastungspäckchen", sagte die Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali unserer Redaktion. "Alle drei dieser Entlastungspäckchen zusammen, bleiben immer noch hinter den 100 Milliarden zurück, die über Nacht für Aufrüstung beschlossen werden konnten."

Der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagte eine anhaltende soziale Schieflage. In dem Entlastungspaket würden Fehler und Ungerechtigkeiten korrigiert, indem nun auch Rentner und Studierende berücksichtigt werden, erklärte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider mit Blick auch auf die geplante Wohngeldreform. Er kritisierte allerdings, dass der Hartz-IV-Regelsatz erst zum Jahresbeginn auf voraussichtlich 500 Euro angehoben werden soll. Das sei "ein schlechter Witz".

Zudem könne die Erhöhung kaum die Inflation ausgleichen. "Alles in allem sind die vorgelegten Pläne nicht geeignet, um den Menschen in diesem Herbst wirklich Zuversicht zu geben."

(amw/mit dpa und afp)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.