Berlin. Der Tod von Uwe Seeler geht Millionen Menschen nah. Unsere Autorin durfte den Fußballer mal von seiner privaten Seite kennenlernen.

Heute früh im Radio, auf Bayern 2, haben sie eine Sondersendung zu Uwe Seeler gebracht. Ich hatte mich kurz gewundert wegen Bayern, aber Uwe Seeler war eben nicht nur in Hamburg ein Star. „Uns Uwe“ das galt in ganz Deutschland. Und ich bin ehrlich, als die Moderatorin nach ihrer Würdigung seines Lebens in ganzer Länge „You’ll never walk alone“ gespielt hat, schossen mir die Tränen in die Augen.

Wann hätte diese Hymne jemals besser gepasst, als zum Tod eines der größten Fußballspieler? Das Lied beginnt mit der Strophe: „Wenn du durch einen Sturm gehst, halte deinen Kopf hoch und hab keine Angst vor der Dunkelheit. Wenn der Sturm zu Ende geht, dann wartet ein goldener Himmel und das süße, silberhelle Lied einer Lerche.“ Dann wirst du nie allein gehen.

Uwe Seeler schenkte dem Fußball die Faszination – Olaf Scholz versucht es mit Rhetorik

Dass am gleichen Tag der Bundeskanzler„You’ll never walk alone“ noch einmal zitiert angesichts der Energiekrise und seinem Versprechen an die Bürger, niemanden mit seinen Problemen allein zu lassen, kann ein Zufall sein. Jedenfalls versucht Olaf Scholz offensichtlich, das große Gemeinschaftsgefühl aus den Fußballstadien auf seine Politik zu transferieren. Und mit der Referenz auf diese große, emotionale Pop- und Fußballhymne auf schwere Zeiten einzuschwören.

Das kann man jetzt genial finden, wie offensichtlich sein Büro im Kanzleramt, oder geschmacklos oder zumindest ein bisschen zu flach. Die Emotionen, auf die Scholz jedenfalls anspielt und die er so gern für sich nutzen möchte, hätte es in Deutschland ohne Uwe Seeler so nicht gegeben.

Uwe Seeler und Ilka Seeler sprachen mit mir über die Liebe und ihre Ehe

Wirklich gesprochen habe ich Uwe Seeler nur einmal. In dem Interview ging es nur am Rand um Fußball, er feierte damals im Jahr 2009 Goldene Hochzeit mit seiner Frau Ilka. Die beiden trafen sich mit mir und meinem Kollegen Dieter Matz, wir wollten etwas über ihre Liebe und das Geheimnis ihrer Ehe erfahren. Stattgefunden hat diese Unterhaltung, weil mein Kollege Uwe Seeler jahrzehntelang in sportlicher Hinsicht begleitet hatte. Und nur deshalb waren die Seelers wohl auch so offen.

Uwe Seeler, ehemaliger Fußballprofi beim Hamburger SV und Ehrenspielführer der Fußball Nationalmannschaft, steht mit seiner Frau Ilka in der Paul Hauenschild Sportanlage des HSV in Norderstedt vor einer HSV Fahne.
Uwe Seeler, ehemaliger Fußballprofi beim Hamburger SV und Ehrenspielführer der Fußball Nationalmannschaft, steht mit seiner Frau Ilka in der Paul Hauenschild Sportanlage des HSV in Norderstedt vor einer HSV Fahne. © dpa | Christian Charisius

Lesen Sie hier das Gespräch mit Uwe und Ilka Seeler aus dem Jahr 2009 nach:

Auf die Frage, wie man 50 Jahre miteinander auskommt, antwortete Seeler damals: „Vertrauen ist wichtig und dass man über alles spricht. Und man darf sich nicht zu wichtig nehmen.“ Das habe ihm seine Frau auch nicht durchgehen lassen. „Auch wenn ich vielleicht ein außergewöhnlicher Fußballer bin, bin ich noch lange kein außergewöhnlicher Mensch.“

Geht es noch anständiger und bescheidener? Aber das Gespräch wurde noch besser. Als seine Frau Ilka erklärte, was sie ihm erlaubte und was nicht. „Nachts um die Häuser ziehen und trinken, das war nicht, da habe ich schon aufgepasst.“

Seelers Frau war die Chefin zu Hause

Fußballer-Gattinnen in Gucci und Versace, wechselnde Lebensabschnittspartnerinnen, Starlets, die den Ruhm des Fußballers nutzen, um einen Vertrag als Model oder Moderatorin zu bekommen, das alles wäre für sie nichts gewesen. „So war ich nicht“, sagte sie. Und vor allem so eine wollte er nicht. Er blickte sie bewundernd an und sagte dann: „Sie hätte auch im Mittelpunkt stehen können. Sie sieht ja auch gut aus. Aber bei uns war das anders.“

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Der Draufgänger war Seeler nur auf dem Platz, zu Hause war Ilka Seeler „die Chefin“. So nannte er sie, sie ihn „Mäuschen“ und „Dicker“. Seeler galt in 60er-Jahren als einer der besten Fußballer der Welt, so einen wollten viele Frauen. Doch bei der Treue machten die beiden keine Abstriche, so sagten sie es jedenfalls damals. „Aus wäre es gewesen“, bekräftigte Ilka Seeler.

Diana Zinkler durfte Uwe Seeler 2009 zusammen mit seiner Frau kennenlernen. Es wurde ein sehr privates Gespräch.
Diana Zinkler durfte Uwe Seeler 2009 zusammen mit seiner Frau kennenlernen. Es wurde ein sehr privates Gespräch. © ZRB | ZRB

Nach einem Streit gab es eine neue Regel

In einer Nacht hätten sich die beiden mal ganz schlimm gestritten. So sehr, dass die Ehe auf der Kippe stand. Sie hätten dann eine ganze Nacht durchgeredet und sich gefragt: „Was bringt uns eigentlich auseinander?“ Von da an sei es mit ihnen weitergegangen und es gab eine neue Regel: Bevor einer das Haus verlässt oder auf Reisen geht, müssen alle Streitigkeiten geklärt sein. Man geht nur im Frieden.

Ob es sie eigentlich nie störte, dass sie ihren Mann immer mit vielen Menschen und dem Fußball teilen musste? Damals antwortete Ilka Seeler: „Nein, im Gegenteil. Ich habe geliebt, wie Uwe Fußball gespielt hat.“ Den Uwe Seeler, der immer beim HSV geblieben ist. Inter Mailand brauchte er nicht zum Glück, genau so wenig wie eine andere Frau.

Uwe Seeler: So einer geht nie allein

Und egal, wo Seeler jetzt ist oder seine Seele herumfliegt, Millionen Fußballfans sind in Gedanken bei ihm. Aus Dank für die einzigartigen Momente, für jedes seiner Tore, sein verschmitztes Lächeln und seine menschenfreundliche Art. Er war ein Superstar und blieb doch auf dem Boden. So einer geht nie ganz – und vor allem nicht allein.

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