Berlin. Der Klimawandel sorgt für immer mehr heiße Tage in Deutschland. Es drohen gesundheitliche Folgen. Doch das Land ist kaum vorbereitet.

Portugal kämpft gegen Waldbrände, in Italien liegen Flussbetten trocken und Spanien bereitet sich auf 44 Grad vor. Große Teile von Süd- und Westeuropa sind im Griff einer erbarmungslosen Hitzewelle, deren Ausläufer auch Deutschland wohl bald erreichen werden.

In den kommenden Tagen wird es auch in vielen Teilen Deutschlands wieder heiß. Die Rekordtemperaturen über 40 Grad, die einige Meteorologen befürchtet hatten, werden laut aktuellen Vorhersagen des Deutschen Wetterdiensts (DWD) wohl nicht erreicht werden. Doch vor allem in Süd- und Westdeutschland müssen sich die Menschen auf 35 bis 38 Grad einstellen – schon zum zweiten Mal in diesem Sommer.

Längere, intensivere und häufigere Hitzewellen gehören schon jetzt zu den spürbarsten Auswirkungen der Erderhitzung in Deutschland, und den gefährlichsten. Die Zahl der sogenannten Hitzetage, an denen die Temperaturen über 30 Grad steigen, hat sich seit Mitte des Jahrhunderts verdreifacht: Laut einer Auswertung des DWD im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gab es in den 1950er-Jahren in Deutschland noch durchschnittlich 3,6 Hitzetage im Jahr. Zwischen 2011 und 2020 waren es 11,1. Und dieses Jahr haben die Meteorologen schon bis Ende Juni 12 solcher Tage gezählt. Ein Ende dieser Entwicklung ist angesichts global weiter steigender Treibausgasemissionen nicht abzusehen.

Klimawandel: Sommer wird zur einer bedrohlichen Zeit

Für viele Menschen in Deutschland wird der Sommer damit zu einer bedrohlichen Zeit. Denn große Hitze, vor allem über längere Zeiträume, ist eine enorme körperliche Belastung und kann lebensgefährlich werden. „Diese Hitzewelle könnte viele Todesopfer bringen“, warnte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Wochenende. So wie es vergangene Hitzewellen schon getan haben.

2018, 2019 und 2020 starben Tausende Menschen in Deutschland als Folge von Hitze, das ergab eine Auswertung von Robert Koch-Institut (RKI), Umweltbundesamt (UBA) und Deutschem Wetterdienst. Allein für 2018 gehen die Forschenden von 8700 hitzebedingten Sterbefällen aus – Grundlage ist eine statistische Auswertung, denn als Todesursache wird Hitze nur selten erkannt und angegeben.

Gesundheitliche Folgen betreffen vor allem ältere und kranke Menschen

„Gefährdet sind vor allem diejenigen, die keine sehr hohe körperliche Anpassungskapazität haben“, sagt Henny Annette Grewe, Professorin an der Hochschule Fulda und Expertin für die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels. Das betrifft ältere Menschen, Menschen mit chronischen Erkrankungen, sehr kleine Kinder, Schwangere und Ungeborene. Aber nicht nur körperliche Faktoren spielen eine Rolle: Dicht bebaute Innenstadtlagen etwa heizen sich mehr auf als Häuser am Stadtrand mit Garten. „Wer in ungünstigen, besonders warmen Wohnungen lebt und auch keine Möglichkeit hat, die zu verlassen, ist stärker gefährdet“, sagte Grewe.

Und auch Vereinsamung sei ein großer Risikofaktor. „Viele Menschen, vor allem ältere, haben niemanden, der nach ihnen sieht, ein Auge darauf hat, ob genug getrunken wird oder die Person zumindest zeitweise mitnimmt an einen kühleren Ort wie ein klimatisiertes Einkaufszentrum“, erklärt die Gesundheitsexpertin. Bei vielen bekommt schlicht niemand mit, wie es ihnen bei hohen Temperaturen geht und ob sie Hilfe bräuchten.

Deutschland ist kaum vorbereitet

In einem Land in dem rund 18 Millionen Menschen über 65 Jahre alt sind, sind das bedrohliche Aussichten. Doch bislang scheint Deutschland kaum vorbereitet. Einen nationalen Aktionsplan gegen Hitze, wie ihn Frankreich hat, gibt es hier nicht. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern legte 2017 zwar Handlungsempfehlungen für die Erstellung solcher Pläne vor, doch nur wenige Kommunen sind denen bereits gefolgt. Erst in den letzten vier bis fünf Jahren sei das Bewusstsein für das Problem in Deutschland wirklich gewachsen, sagt Grewe. Der Großteil der Städte und Gemeinde stehe noch am Anfang der Entwicklung von Hitzeaktionsplänen.

In den Plänen, wie sie etwa Mannheim und Offenbach schon haben, sammeln Kommunen Maßnahmen, um die Bevölkerung vor den negativen Folgen von Hitze zu schützen. Das geht von mehr Trinkbrunnen in der Öffentlichkeit über Aufklärungsangebote bis zu Umstellungen der Tagesabläufe in Seniorenheimen. Das Umweltministerium stellt außerdem Geld bereit für 100 „Klimaanpassungsmanager“, die den Kommunen bei der Erstellung der Konzepte helfen sollen.

Blick auf den Rhein bei einem Pegel von 154cm - im Hintergrund ist der Kölner Dom zu sehen.
Blick auf den Rhein bei einem Pegel von 154cm - im Hintergrund ist der Kölner Dom zu sehen. © Rolf Vennenbernd/dpa

Landsberg: Es braucht Kühlungs-Zentren und andere Umbauten

Doch Beratung allein reicht nicht, sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, es brauche auch eine „auskömmliche Förderung der baulichen innerstädtischen Anpassungsmaßnahmen“, also: Geld. Damit Kühlungs-Zentren aufgebaut werden können, mehr Dächer und Fassaden begrünt werden können, in Kitas und Seniorenheimen nötige Umbauten gemacht werden können.

Ähnlich sieht das auch Claudia Moll, Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung. Kurzfristig, zum Beispiel in der kommenden Hitzewelle, könnten schon kleine Änderungen in Senioren- und Pflegeheimen große Unterschiede machen. In den kühleren Morgenstunden Stoßlüften, verdunkelte Fenster, regelmäßigere Kontrollen, ob Bewohnerinnen und Bewohner genug trinken. „Ich kenne viele Einrichtungen, die so ihre eigenen Tipps und Tricks haben“, sagt Moll. „Aber letztendlich werden viele Einrichtungen in Baumaßnahmen investieren müssen.“ Das kann bessere Isolierung bedeuten, Räume, in denen es kühler ist als im Rest des Hauses, oder Außenrollläden.

In der Pflicht seien hier die Länder, sagt Moll. Doch die wenigsten würden die Umbauten bezahlen, und die Träger der Einrichtungen selbst könnten die Investitionen oft nicht stemmen. „Leidtragende sind die Bewohner und auch die dort arbeitenden Pflegekräfte“, sagt die Bevollmächtige. „Ich wiederhole daher permanent meinen Appell an die Länder, die Investitionskosten in den Pflegeeinrichtungen endlich mal zu übernehmen.“

Forscherin Grewe hofft, dass das geplante Klimaanpassungsgesetz des Bundes dafür sorgen wird, dass bald mehr Kommunen auf die heißer werdenden Sommer vorbereitet sind. Bis dahin appelliert sie, die Hitze nicht zu unterschätzen: „Wir müssen aufeinander aufpassen.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.