Berlin. In der Corona-Pandemie hat Influencer Fynn Kliemann Masken verkauft. Das ZDF “Magazin Royale“ unterstellt ihm nun Ungeheuerliches.

Erinnern Sie sich noch an den Beginn der Corona-Pandemie? Im Frühling 2020 begann der erste Lockdown, Schutzmasken waren vielerorts ausverkauft. Dagegen wollte der Influencer Fynn Kliemann etwas unternehmen – und verkaufte zusammen mit seinem Partner Tom Illbruck vom Textilproduzenten "Global Tactics" Mund-Nasen-Bedeckungen. Der Verkauf lief über Kliemanns eigenen Onlineshop "ODERSO" und über den Bekleidungshändler "About You".

Diese Masken sollten fair in Europa produziert sein und zum Selbstkostenpreis verkauft werden. "Es geht in dieser Krise nicht darum, Geld zu verdienen, sondern darum, möglichst vielen Menschen zu helfen", sagte Kliemann damals dem Bremer "Weser Kurier".

Zweifel an dieser Darstellung lässt eine neue Recherche des "ZDF Magazin Royale" aufkommen. Der Satiriker Jan Böhmermann und sein Team haben sich in ihrer neuen Ausgabe mit Kliemanns und Illbrucks Maskengeschäften befasst und kommen zu dem Schluss: Der Influencer und sein Geschäftspartner sollen Masken aus Vietnam und Bangladesch als "fair" und "in Europa produziert" verkauft haben. Zudem sollen die Masken nicht ausreichend vor Durchdringung mit Viren geschützt haben.

Böhmermann: Kliemanns Masken kommen aus Bangladesch und Vietnam

Am Donnerstagabend veröffentlichte das "ZDF Magazin Royale" die Recherche auf einer eigens dafür erstellten Website: "lmaafk.de". Die Redaktion hat dafür laut eigener Angabe "interne Chats, Sprachnachrichten, E-Mails, Lieferscheine, Auftragsbestätigungen, Fotos, Videoaufnahmen und Anruflisten" ausgewertet.

In WhatsApp-Nachrichten, die die Redaktion des "ZDF Magazin Royale" veröffentlichte, soll Kliemann die Maskenproduktion in Asien selbst in die Wege geleitet haben. "In Bangladesch kann ich ab sofort 1.000.000 [Masken, Anm. d. Red.] pro Woche bekommen", schreibt ein Textilhersteller an Kliemann. Der Influencer schreibt wenige Minuten später zurück: "Dann lass erstmal nur Bangladesch machen?! Wenn da die Kappa [Produktionskapazitäten, Anm. d. Red.] am schnellsten hochgefahren werden kann, der preis stimmt und die den stoff haben."

Fynn Kliemann: Masken-Näherinnen verdienen 130 Dollar im Monat

Doch die Maskenproduktion hat einige Probleme, die Ware hängt im Zoll fest. "Das klingt schonmal beschissen", schreibt Kliemann in einer Mail, die das "ZDF Magazin Royale" veröffentlicht hat. "Ab jetzt keine Verzögerungen mehr, sonst lass uns das lieber direkt hier stoppen und das ganze abbrechen".

Faire Produktionsbedingungen habe es nach der Recherche in der Maskenfabrik nicht gegeben. Auf Anfrage des "ZDF Magazin Royale" liegt der durchschnittliche Monatslohn der Nähenden bei dem von Kliemann und Illbruck beauftragen Unternehmen bei 130 Dollar. Das Existenzminimum in Bangladesch betrage allerdings 255 Dollar im Monat, schreibt die NGO "The Global Wage Coalition". Böhmermann und sein Team veröffentlichten dazu ein Video, dass Näherinnen in Bangladesch bei der Herstellung von Masken für Kliemanns Onlineshop "ODERSO" zeigt.

Masken-Abnehmer "About You" soll bewusst getäuscht worden sein

Mindestens 2,3 Millionen Masken sollen Kliemann und Illbruck laut der Recherche in Bangladesch und Vietnam in Auftrag gegeben haben. Illbruck bestätigte zwar auf Anfrage des Böhmermann-Teams die Bestellung von über 500.000 Masken in Bangladesch, dementierte aber, die Fertigung von Masken in Vietnam in Auftrag gegeben zu haben.

Die Recherche zeigt jedoch: Illbruck hat sehr wohl Masken aus Vietnam bestellt und nicht nur in Kliemanns Onlineshop "ODERSO" verkauft, sondern auch an den Kunden "About You" geliefert. Dort werden die Masken mit dem Zusatz "Ursprungsland: Portugal" verkauft.

Dem "ZDF Magazin Royale" liegen Nachrichten von Tom Illbruck vor, die nahelegen, dass "About You" bewusst getäuscht werden sollte. Im April 2020 fragte Illbruck beim Maskenproduzenten nach "bekommen wir die Kisten neutral ohne Bangladesch als Ursprung hin?" Und auch als es infolge der Corona-Pandemie zu Lieferverzögerungen kommt, schreibt Illbruck an den Produzenten: "Die [Probleme mit der Lieferung, Anm. d. Red.] verstehe ich, aber 'About You' kann sie nicht verstehen, da wir ja als europäischer Produzent auftreten". Außerdem fügte er der Mail noch einen Zwinkersmiley hinzu.

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Fynn Kliemann: Mindestens eine Million Euro Gewinn mit Masken

Weitere Zweifel gibt es an Fynn Kliemanns Aussage, mit den Masken keinen Gewinn erzielt zu haben.Laut "ZDF Magazin Royale" liegen die Produktions- und Lieferkosten bei 40 bis 45 Cent pro Maske. Im günstigsten Paket konnten diese Masken dann 93 Cent pro Stück gekauft werden. Allein durch die 2,3 Millionen asiatischen Masken konnte so mit einem Gewinn von über einer Million Euro gerechnet werden, zeigt die Recherche.

Kliemann wusste laut der Recherche außerdem, wie viel Geld in dem Geschäft mit Masken steckt. In einem WhatsApp-Gesprächsverlauf mit einem Zwischenhändler weist dieser Kliemann auf die Gewinne hin, die chinesische Herstellerfirmen mit Maskenverkäufen erzielten. Kliemanns Antwort darauf: "ja das ist echt verrückt. Krise kann auch geil sein."

Kliemann spendete fehlerhafte Masken an Geflüchtete

Das gesamte Geschäft mit den Masken wurde von Kliemann und Illbruck als Wohltätigkeit inszeniert. Dazu passen auch mehrere Maskenspenden an Geflüchtete, die die beiden medienwirksam tätigten. Die Recherche des "ZDF Magazin Royale" zeigen allerdings, dass darunter auch Masken von minderer Qualität waren. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Kleve hervor, das Böhmermanns Team veröffentlicht hat.

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Bestätigt wird diese Information von einem internen Chatverlauf Tom Illbrucks, in dem er die Übersendung von 50.000 fehlerhaften Masken fordert: "Kannst du mir 50 k von dem Bangladesh kram rüberschicken, wir können die sofort in ein Camp nach Samos Griechenland und Bihac in Bosnien schicken".

Der Geschaftspartner antwortet darauf: "100.000 falsche Masken sind vollzählig hier. Logistik klappt", und schickt noch ein lachendes Emoji hinterher. Illbruck schreibt daraufhin zurück: "Dann her damit bitte". Und sendet ein lächelndes Emoji.

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Kliemanns Verhalten ist eine Gefahr für den investigativen Journalismus

Übrigens: Fynn Kliemann veröffentlichte am 2. Mai ein Video auf seinem Instagram-Kanal, in dem er den Fragenkatalog des "ZDF Magazin Royale" öffentlich beantwortet. Darin betont er, wie wichtig ihm investigativer Journalismus sei. Der Geschäftsführer von "Netzwerk Recherche", Günter Bartsch, bezeichnete Kliemanns Video gegenüber dem Branchenportal "Meedia" als "Versuch, die Veröffentlichung der Recherche [...] zu untergraben".

Investigativjournalist Hajo Seppelt bezeichnete Kliemanns Video als "lumpigen Trick". Kein Zwinkersmiley, sondern eine Gefahr für den investigativen Journalismus.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.