Berlin. Drohungen gegen Reporter, Ermittlungen gegen Ex-Minister und Corona-Masken-Affäre. Jetzt muss Söder seine CSU aus der Krise führen.

Einen so kleinlauten Markus Söder wie an diesem Mittwochvormittag (4. Mai) erlebt man selten. Der CSU-Chef spricht von einem bitteren Tag, als er um 10. Uhr in der Parteizentrale in München vor die versammelte Presse tritt. „Ich bin auch persönlich sehr betroffen“, sagt Söder. Der Grund dafür heißt Stephan Mayer, bis zum Vortag Generalsekretär der CSU und bis dahin Söders große Hoffnung für einen erfolgreichen bayerischen Landtagswahlkampf im kommenden Jahr.

Doch nun ist es anders gekommen. Nach Berichten über eine verbale Entgleisung sah sich Mayer am Dienstag gezwungen, seinen Posten nach nur zweieinhalb Monaten im Amt niederzulegen. In seiner schriftlichen Rücktrittserklärung hatte er gesundheitliche Gründe genannt. Erst am 23. Februar war Mayer zum Generalsekretär gewählt worden. Nun muss sich Söder erneut auf Personalsuche begeben.

Der Fall Mayer: „Sieben Minuten Pöbelei und Geschrei“

Der 48-jährige Mayer soll einem Journalisten mit „Vernichtung“ gedroht haben, nachdem dieser Recherchen über das Privatleben des CSU-Politikers angestellt hatte. „Ich werde Sie vernichten. Ich werde Sie ausfindig machen, ich verfolge Sie bis ans Ende Ihres Lebens. Ich verlange 200.000 Euro Schmerzensgeld, die müssen Sie mir noch heute überweisen“, soll Mayer nach Darstellung des Journalisten Manfred Otzelberger von der Zeitschrift „Bunte“ am Telefon gebrüllt haben. Es wären reichlich unchristliche Worte aus dem Mund eines Spitzenpolitikers einer christlichen Partei.

„Es waren sieben Minuten Pöbelei und Geschrei“, berichtet Otzelberger später, „ich kam mir vor wie in einem Mafia-Film“. Otzelberger war bei seinen Recherchen nach eigenen Angaben Hinweisen aus der CSU nachgegangen, wonach der ledige, katholische Politiker aus dem oberbayerischen Altötting einen achtjährigen unehelichen Sohn habe, für den Mayer finanziell nicht aufkomme.

CSU-Chef Markus Söder (r) mit seinem zurückgetretenen Parteifreund Stephan Mayer.
CSU-Chef Markus Söder (r) mit seinem zurückgetretenen Parteifreund Stephan Mayer. © dpa

Mayer hatte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur eingeräumt, es habe mit dem Journalisten „ein sehr emotionales Streitgespräch infolge der eklatant rechtswidrigen Berichterstattung“ gegeben. An die einzelnen Formulierungen kann er sich nach eigenen Worten nicht erinnern. Für den Fall, dass die Vorwürfe des Journalisten zuträfen, „erachte ich die Wortwahl rückwirkend als unangemessen“, schrieb Mayer in seiner Antwort an die dpa.

Söder: Mayers Wortwahl war völlig unangemessen

Diese Auffassung teilt auch Söder am Mittwoch. Zwar nennt der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident die Umstände um den Rücktritt seines Generalsekretärs eine „menschliche Tragödie“. Er sei dem Wunsch Mayers, ihn aus gesundheitlichen Gründen vom Amt zu entbinden, „nicht leichten Herzens“ nachgekommen. „Es geht ihm tatsächlich nicht gut“, betont Söder.

Gleichzeitig kritisiert der CSU-Chef aber die offenkundige Wortwahl Mayers als inakzeptabel. Die „wohl gefallenen Worte sind in keinster Weise zu akzeptieren, sind völlig unangemessen und auch ein indiskutabler Stil“, macht Söder in seinem Statement klar. Er sei erschüttert und er fügt noch hinzu: „Das wäre auch nicht der Stil der CSU und meiner sowieso nicht.“

"Ein sehr emotionales Streitgespräch infolge der eklatant rechtswidrigen Berichterstattung": Stephan Mayer. © dpa

Zugleich ist bei Söder Enttäuschung herauszuhören. Mayers Start als Generalsekretär sei „exzellent und vielversprechend“ gewesen, er sei ein großes Talent, „wir waren alle überzeugt, ein gutes Team zu bilden und die CSU damit stark aufzustellen“, sagt Söder. Mayer, der seit 2002 als direkt gewählter Abgeordneter im Bundestag sitzt, war bis zum Ende der letzten großen Koalition im vergangenen Jahr Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Er gilt als überzeugter Konservativer und vertritt etwa in der Migrationspolitik einen eher rigiden Kurs.

CSU hat sich zu einer Art Skandal-Tradition entwickelt

Über eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger will Söder nach eigenen Worten nun zeitnah entscheiden, „denn wir wollen natürlich rasch handlungsfähig sein“. Noch für Mittwochabend kündigte er eine Schalte des CSU-Präsidiums an, bei der es aber noch keine Entscheidung über die Nachfolge geben werde.

Die Liste der möglichen Namen ist allerdings gar nicht so lang. Auch das ist ein Problem für Söder. Denn er braucht dringend eine schlagkräftige Mannschaft, die die Landtagswahl 2023 für die CSU zum Erfolg macht. Die Erwartungen in der Partei an ihn sind groß und die Umfragewerte keineswegs berauschend. Söder steht unter Druck.

Die Christsozialen werden immer wieder von personellen Problemfällen in den eigenen Reihen gebeutelt. Über die Jahrzehnte hat sich bei der CSU eine Art Skandal-Tradition entwickelt. Sie reicht von krummen Rüstungsdeals von CSU-Urgestein Franz Josef Strauß über Betrugs- und Schmiergeld-Affären seiner politisch aktiven Kinder Max und Monika bis hin zur Korruptions- und Amigo-Affäre von Strauß’ Amtsnachfolger als bayerischer Ministerpräsident, Max Streibl.

Der Ruf der CSU ist angeschlagen

Auch in der jüngeren Vergangenheit kam es mehrfach zu schweren Verfehlungen. Karl-Theodor zu Guttenberg etwa musste 2011 wegen Plagiaten in seiner Doktorarbeit als Verteidigungsminister zurücktreten. 2014 legte die bayerische Staatskanzleichefin Christine Haderthauer ihr Amt wegen der so genannten Modellauto-Affäre nieder. Die CSU-Politikerin hatte gemeinsam mit ihrem Mann luxuriöse Modellautos gewinnbringend vermarktet, die von psychisch kranken Straftätern in öffentlichen Einrichtungen gefertigt worden waren.

In Erinnerung sind auch Fälle aus der Corona-Pandemie, in denen sich CSU-Politiker an Geschäften mit Schutzmasken bereicherten, namentlich die langjährigen CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein sowie die PR-Unternehmerin Andrea Tandler, Tochter des CSU-Politikers Gerold Tandler. In dieser Woche dann sorgte Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer erneut für Negativschlagzeilen. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat wegen einer möglichen Falschaussage bei der Aufarbeitung der gescheiterten Pkw-Maut ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet.

Jetzt kommt das Aus für den einstigen Hoffnungsträgers Mayer hinzu. Der Ruf der Partei ist angeschlagen. Es könnte besser laufen für Söder. CSU-Vize Manfred Weber versucht dennoch, nach vorne zu blicken. Die Partei müsse den Menschen in Bayern zeigen, dass sie „ein gutes Angebot für morgen“ habe. Es klingt wie ein Arbeitsauftrag an seine strauchelnde Partei.

Dieser Artikel erschien zuerst waz.de.