Berlin . Ein Rentner aus Niedersachsen erhielt zum Geburtstag ein Geldgeschenk für den Kauf eines E-Bikes. Das kostete ihn die Grundsicherung.

  • Nachdem er Geld für ein E-Bike zum Geburtstag bekommen hatte, meldete sich das Jobcenter bei einem Rentner
  • Die Freude über das Geburtstagsgeschenk währte nur kurz
  • Das Jobcenter kürzte seine Bezüge

Ob zu Geburtstagen, Weihnachten oder sonstigen Anlässen: Wer Sozialhilfe-Empfängern an besonderen Tagen eine Freude machen möchte, sollte sich genau überlegen, welche Art von Geschenk man seinen Liebsten übergibt, denn: Sofern es sich um Geldgeschenke handelt, könnte die nett gemeinte Aufmerksamkeit den Begünstigten unter Umständen einiges kosten.

Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei machte auf Twitter auf den Fall eines Rentners aus Niedersachsen aufmerksam: "Hans ist Rentner und wird durch Grundsicherung aufgestockt (SGB XII). Zu seinem 70. Geburtstag wollten Freunde und Familie ihm eine große Feier schenken, aber: Corona. Stattdessen kamen 1600 Euro für ein E-Bike zusammen, das Hans braucht, da sein Auto kaputt ist."

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Rente: Geld wurde überwiesen - Fast volle Anrechnung

Wie Steinhaus weiter berichtete, habe die Familie des Rentners das Geld auf dessen Konto überwiesen, wovon sich dieser kurze Zeit später ein E-Bike gekauft habe. Das Sozialamt habe kurz darauf wiederum das Geld angerechnet. Lediglich ein Freibetrag von 50 Euro seien abgezogen worden. Das bedeutet, dass nun monatlich 1550 Euro von der Grundsicherung des Rentners abgezogen werden.

"Wieso darf ein Rentner*in kein Geschenk bekommen? Es wäre ihm doch auch nicht abgezogen worden, hätte die Familie ihm das E-Bike direkt überreicht. Auch in Hartz IV sind die Regelungen zu Geschenken ähnlich und führen oft dazu, dass Geldgeschenke auch zu Weihnachten und Geburtstag mit den Leistungen verrechnet werden. Wieso werden armen Menschen sogar Geschenke unmöglich gemacht?", schrieb Steinhaus weiter und machte gleichzeitig auf das Thema Altersarmut aufmerksam.

Abzüge für Rentner: Klage vor dem Sozialgericht

Wie Steinhaus uns mitteilte, wurde der Fall bereits dem Sozialgericht übergeben. Unserer Redaktion liegen Dokumente mit der Begründung des Widerspruchs der Anwältin und die Ablehnung dessen durch das Sozialgericht vor.

Rente: So entsteht die Anzahl der Beitragsjahre

weitere Videos

    So begründete die Anwältin des Rentners die Klage damit, dass es sich bei dem Geldgeschenk um eine zwecksgerichtete Zuwendung handelte und daher nicht als Einkommen verrechnet werden dürfe. Unter anderem auch deshalb, weil es sich um eine einmalige Zuwendung und dazu um ein Jubiläum gehandelt habe. Solche Zuwendungen seien anrechnungsfrei, da deren Anrechnung "grob unbillig" wäre.

    Als weiteres Argument nannte die Anwältin die Regelung der Bundesagentur für Arbeit, die von einer Anrechnung absieht, sofern die Geldgeschenke mit einer Zwecksbestimmung verbunden sind. Als Beispiel nannte sie die Finanzierung eines Führerscheins.

    Zudem kritisierte die Anwältin, dass nur ein Freibetrag von 50 Euro verrechnet worden ist, während sich an dem Geschenk allerdings eine Vielzahl von Menschen beteiligt hätten. Demzufolge müsse für jede Person ein solcher Freibetrag gelten. Außerdem ging sie davon aus, dass das Fahrrad als Sachgeschenk nicht mit den Leistungen verrechnet worden wäre bzw. auch dann nicht, wenn das Geld direkt an den Händler überwiesen worden wäre.

    Da es der Anwältin zufolge keinen sachlichen Grund für die Abzüge gebe, könnte ihrer Meinung nach eine Ungleichbehandlung des Grundsicherungsempfängers vorliegen. Grundsicherungsempfänger erhalten nur aufgrund ihres Alters oder einer Behinderung Leistungen aus SGB XII und nicht aus SBG II. Daher läge eine Diskriminierung wegen Alters oder Behinderung vor.

    SystemDie gesetzliche Rente funktioniert nach dem Äquvivalenz- und dem Solidarprinzip.
    Renten-ArtenGrund-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrente
    AusnahmenSelbstständige und Freiberufler sind in der Regel von der Versicherungspflicht befreit.
    FinanzierungDie gesetzliche Rente in Deutschland ist grundsätzlich umlagenfinanziert.
    ProblemeDie Unterfinanzierung resultiert hauptsächlich aus der zunehmend älter werdenden Bevölkerung in Deutschland.
    Drei SäulenDie Altersvorsorge in Deutschland umfasst die gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge.
    UrsprungDie gesetzliche Rente wurde am 22. Juli 1889 unter Reichskanzler Otto von Bismarck offiziell eingeführt.

    Rechtsstreit: Sozialgericht lehnt Widerspruch ab

    In dem Widerspruch unterstrich das Sozialgericht, dass eine Härtefallprüfung vorgenommen worden sei: Entsprechend handle es sich in diesem Fall keinesfalls um einen Pauschalabzug.

    Das Sozialgericht beharrte darauf, dass Zuwendungen entsprechend der Einkommensdefinition nach § 82 SGB XII als Sach- und Geldleistung erfolgen können. Damit sei es rechtlich irrelevant, ob Geld für den Fahrradkauf oder ein Geldeswert in Form des Fahrrads überreicht worden sei. Letztlich erübrige sich nur die Frage, ob der Rentner Geld erhalten habe. Änderungen in persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seien stets anzugeben.

    Auf die Frage, wie der Rentner nun ohne Verkauf des Bikes unter Wert seinen Lebensunterhalt bestreiten soll, antwortete das Sozialgericht: "Praktisch stehen dem Kläger trotz Fahrradkauf Möglichkeiten zu Verfügung, mithilfe des Fahrrads Einnahmen zu erwirtschaften, mit welchen er für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann." Es gehe um eine rentable und nachhaltige Verwendung des Geldwertes. Ein möglicher Wertverlust des Fahrrads und die Notlage des Rentners seien eigenverschuldet.

    Was den Vorwurf der Ungleichbehandlung betrifft, dementierte das Sozialgericht ebenfalls. "Voraussetzung der Prüfung einer der Verletzung von Gleichbehandlungsgrundsätzen wäre eine Vergleichbarkeit. Schon alleine eine aufgrund der unterschiedlich anzuwendenden Rechtsvorschriften ist diese nicht gegeben. Eine Finanzierung aus Steuermitteln führt nicht zu einem anderen Ergebnis." (day)

    Dieser Artikel wurde zuerst auf waz.de veröffentlicht.