Berlin. Die Impfpflicht in Kliniken und Pflegeheimen kann kommen. Das Verfassungsgericht hält das Gesetz für rechtens. Jedenfalls vorerst.

Es ist eine brisante Entscheidung, in einer hochemotionalen Debatte. Jetzt haben die höchsten deutschen Verfassungsrichter entschieden: Die Impfpflicht in Pflegeheimen und Krankenhäusern kann kommen – vorerst zumindest. Mitte März müssen alle Angestellten in Einrichtungen des Gesundheitswesens eine Corona-Impfung nachweisen. Sonst droht ihnen der Jobverlust.

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eilantrag von Gegnern der Impfpflicht in Pflege und Medizin abgelehnt. Im Grundsatz entschied das Gericht: Die Nachteile, die Angestellten im Gesundheitswesen akut Mitte März durch die Impfpflicht drohten, seien weniger schwer als die Nachteile, die bei einem Aussetzen der Regelung für besonders bedrohte Menschen zu befürchten seien – also etwa Ältere und Erkrankte.

Corona-Impfpflicht: Gericht hält an Gesetz fest

Die Richter in Karlsruhe stellen in ihrer Entscheidung also den Schutz der vulnerablen Gruppen der Gesellschaft vor das Recht des Einzelnen, über eine Impfung selbst entscheiden zu können. Jedenfalls in einer ersten groben Prüfung und nur in den Einrichtungen, die nun von der Regelung betroffen sind: Kliniken, Arztpraxen, Pflegeheime, Hebammenpraxen. "Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber", teilte das Gericht mit.

Eine endgültige Entscheidung über die Impfpflicht in Pflege und Medizin steht noch aus. Denn: Dem Beschluss zum Eilantrag muss nun noch ein Hauptverfahren folgen, das noch einmal detailliert die Rechtmäßigkeit der Impfpflicht für Klinken und Heime prüfen soll.

Vorerst sieht das Verfassungsgericht jedoch nicht, dass den nicht-geimpften Pflegekräften oder Ärztinnen ein "irreversibler" beruflicher Nachteil entstehe. "Für jene, die eine Impfung vermeiden wollen, kann dies zwar vorübergehend mit einem Wechsel der bislang ausgeübten Tätigkeit oder des Arbeitsplatzes oder sogar mit der Aufgabe des Berufs verbunden sein", heißt es in der Begründung der Entscheidung. "Dass die in der begrenzten Zeit bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde möglicherweise eintretenden beruflichen Nachteile irreversibel oder auch nur sehr erschwert revidierbar sind oder sonst sehr schwer wiegen, haben die Beschwerdeführenden jedoch nicht dargelegt."

Auch den besonderen Schutz von älteren Menschen und Vorerkrankten vor einer Infektion mit Corona hebt das Gericht in Karlsruhe in dem Beschluss noch einmal hervor: "Hochaltrige Menschen sowie Menschen mit Vorerkrankungen" wären in der Zeit bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde einer "deutlich größeren Gefahr" ausgesetzt, sich mit dem Coronavirus zu infizieren "und deshalb schwer oder gar tödlich zu erkranken".

Corona-Impfpflicht löste Proteste aus

Geklagt hatten überwiegend ungeimpfte Beschäftigte in Kliniken und Pflegeeinrichtungen, aber auch Leiter von Heimen und Krankenhäuser, die ihr ungeimpftes Personal weiter beschäftigen wollen.

Als Bundestag und Bundesrat Mitte Dezember beschlossen hatten, die Impfpflicht im Gesundheitswesen ab Mitte März einzuführen, kam es zu Protesten bei einem Teil der Beschäftigten in den Pflegeberufen. Beim Verfassungsgericht in Karlsruhe waren Dutzende Beschwerden eingegangen, viele davon mit Eilanträgen.

Es gilt aber auch: Der Großteil der Angestellten in Einrichtungen von Medizin und Pflege ist geimpft. Viele halten die Schutzimpfung laut Umfragen für richtig, viele sehen auch die Impfpflicht als einen Weg aus der Pandemie und einen Schutz für gefährdete Personen.

Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.