Berlin. Viele Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen werden inzwischen untersagt. Doch was gilt für die sogenannten „Spaziergänge“?

Die Idee ist simpel: Um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren und im Vorhinein kein Verbot zu kassieren, treffen sich Querdenker und ihre Sympathisanten mittlerweile „spontan“ zu „Spaziergängen“. So spontan sind diese Zusammenkünfte aber oft gar nicht – vielmehr organisieren die Gleichgesinnten sie vorab in Chatgruppen.

Für die Polizei wird es trotzdem immer schwieriger, in das Geschehen einzugreifen, da die Demonstrationen nicht angemeldet und damit schwerer zu verfolgen sind. Städte wie München untersagen die „Spaziergänge“ jetzt mit Allgemeinverfügungen – auch weil das Gewaltpotenzial der Teilnehmer eklatant hoch ist. Doch was ist die Rechtsgrundlage dafür?

Querdenker-„Spaziergänge“ gelten juristisch als Versammlungen

Unter Juristen unumstritten ist, dass auch die kurzfristig angesetzten Spaziergänge Versammlungen sind. Als Versammlung zählt das Bundesverfassungsgericht eine „örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zu gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung“. Von einer Versammlung spricht man generell, wenn mindestens zwei Personen zusammenkommen. Das kann zu dem Zweck einer Kundgebung oder Demo sein, aber auch ein Karnevalsumzug.

Voraussetzung für den Bestand einer Versammlung ist, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam und von außen erkennbar einen Standpunkt einnehmen. Das muss nicht zwangsläufig durch Skandieren passieren, oft reicht die bloße Anwesenheit, die Ortswahl und eine gemeinsame Willensbildung, sich zu treffen. Das gilt auch für Verabredungen via Whatsapp und Telegram. Oft tragen die „Spaziergänger“ auch Fahnen oder Plakate bei sich und bewegen sich auf einer klaren Route. All diese Merkmale erfüllen die rechtlichen Bedingungen, um von einer Versammlung zu sprechen.

Teilnehmende eines sogenannten
Teilnehmende eines sogenannten "Spaziergang" gegen die Coronamaßnahmen in Ravensburg. © dpa

Corona-Demos: Was gilt nach Versammlungsrecht?

In Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes ist das Versammlungsrecht garantiert: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Wieso kann die Polizei also gegen die Demos vorgehen?

Auch für das starke Grundrecht auf Versammlungen gibt es Einschränkungen: Zum einen gibt der reine Grundgesetzartikel schon vor, dass das Treffen friedlich, nicht aufrührerisch und ohne Waffen vonstattengehen muss. Bezieht man sich allerdings auf den Wortlaut, wird man stutzig: Wieso muss eine Versammlung angemeldet werden, selbst wenn das Grundgesetz explizit festlegt, dass man in Deutschland „ohne Anmeldung oder Erlaubnis“ zusammenkommen darf?

Der verfassungsrechtliche Schutz garantiert lediglich, dass eine Versammlung nicht verboten oder aufgelöst werden darf, nur weil sie vorher nicht angemeldet wurde. Spontan und ohne Erlaubnis darf man sich also treffen und eine Versammlung ausrufen.

Doch die Versammlungsfreiheit der einen schränkt die Freiheiten von Unbeteiligten und Gegendemonstranten ein. Hier kollidieren also Grundrechte – deshalb darf der Gesetzgeber tätig werden und die Versammlungsfreiheit einschränken.

Grundrecht Versammlungsfreiheit: Was sind die gesetzlichen Einschränkungen?

Die maßgeblichen Regelungen dazu finden sich im Versammlungsgesetz des Bundes, oft haben die Bundesländer auch noch eigene Regelwerke. Im Bundesgesetz ist unter anderem festgelegt, dass Versammlungen unter freiem Himmel spätestens 48 Stunden vorher beim zuständigen Ordnungsamt angemeldet werden müssen.

Tut man dies nicht, hat dies oft auch strafrechtliche Konsequenzen. Die Versammlung darf zwar auch ohne Anmeldung stattfinden – doch Veranstalter und Teilnehmer müssen mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Geht aber Gewalt von der Versammlung aus, darf sie natürlich aufgelöst werden.

Anmeldung von Versammlungen: Das wird geprüft

Bei der Anmeldung müssen auch bestimmte Informationen offengelegt werden, unter anderem Art und Grund der Versammlung und eine voraussichtliche Teilnehmerzahl. Im Freien muss so den Behörden die Möglichkeit gegeben werden, zu prüfen, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von der Versammlung ausgehen könnte. Diese kann auch darin bestehen, dass Abstandsregeln oder die Maskenpflicht nicht eingehalten werden und dadurch eine erhöhte Infektionsgefahr mit dem Coronavirus entsteht.

Tatsächlich sind in Deutschland spontane Versammlungen im öffentlichen Raum also noch einmal besonders geschützt. Doch unter Juristen ist klar: Wird schon Tage vorher im Netz dazu aufgerufen, sich zu einer bestimmten Zeit an einem festgelegten Ort zu versammeln, ist der „Spaziergang“ nicht mehr spontan und unterliegt damit den Bestimmungen für Versammlungen.

„Spaziergänge“ gegen die Corona-Maßnahmen: Was kann die Polizei tun?

Querdenker und andere Teilnehmer der „Spaziergänge“ melden die Demonstrationen unter freiem Himmel aus taktischen Gründen nicht an. Damit begeht jeder Mitläufer eine Ordnungswidrigkeit, wenn er oder sie sich auch nach dreifacher Aufforderung der Polizei nicht entfernt.

Ebenso wie für das Nichteinhalten der Maskenpflicht werden hier Bußgelder verhängt. Die Auflösung der Versammlung darf nur das letzte Mittel sein, die Ordnungsbehörden müssen nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz handeln.

(bml)