Berlin. 40 Prozent leiden nach einer Corona-Infektion weiter unter Symptomen. Eine große Studie soll nun das Krankheitsbild näher beschreiben.

Deutlich mehr als die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geschätzten zehn Prozent der an Covid-19 erkrankten Personen könnten auch Monate nach der Infektion noch an Symptomen, dem sogenannten Long-Covid-Syndrom, leiden. Das zeigen jetzt erste Ergebnisse einer Langzeitstudie der Johannes-Gutenberg-Universität sowie der Universitätsmedizin Mainz, die am Montag vorgestellt wurden.

Im Rahmen einer der größten Covid-19-Studien in Deutschland beobachteten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bereits im vergangenen Jahr rund 10.000 Menschen in Mainz und Umgebung, um mehr Informationen über die Infektiosität des Coronavirus und den Verlauf einer Infektion zu erlangen. Darauf aufbauend soll nun eine groß angelegte Long-Covid-Studie durchgeführt werden. Insgesamt werden dabei etwa 600 Patienten und Patientinnen genau auf die vorliegenden Symptome untersucht.

40 Prozent der Erkrankten haben nach der Infektion noch Symptome

Das Coronavirus sei ein „Chamäleon“ erklärte der Leiter des Wissenschaftlichen Vorstandes der Universitätsmedizin Mainz, Ulrich Förstermann, bei der Vorstellung der Studie am Montag. Es könne einerseits zu schweren bis tödlichen und andererseits zu asymptomatischen Verläufen führen und unabhängig von der Schwere der Krankheit Long Covid auslösen. „Warum das so ist und wer Long Covid kriegt und wer nicht, das ist ungeklärt“, sagte Förstermann. Ziel der Studie solle daher sein, eine spezifische Charakterisierung des Krankheitsbildes zu erstellen und mögliche Risikofaktoren für eine Long-Covid-Erkrankung herauszuarbeiten.

Erste Daten aus der Langzeitstudie ergaben, dass knapp 40 Prozent der wissentlich und unwissentlich erkrankten Personen auch sechs Monate nach der Infektion noch über Beschwerden berichteten. Jede vierte wissentlich erkrankte und jede fünfte unwissentlich erkrankte Person gab dabei sogar an, unter mäßigen bis schweren Long-Covid-Symptomen zu leiden.

Kein klares klinisches Muster bei Symptomen

Dabei waren Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer, 46 Prozent der Frauen und 35 Prozent der Männer wiesen Langzeitfolgen auf. Im Gegensatz zum Geschlechterunterschied gab es in Bezug auf das Alter kaum Differenzen, alle Altersgruppen waren fast gleichmäßig betroffen.

Als Long-Covid-Symptome definieren die Forschenden der Universitätsmedizin Mainz Beschwerden, die auch sechs Monate nach der Erkrankung noch bestehen. Diese Symptome seien dabei sehr unspezifisch gewesen und hätten bisher kein klares klinisches Muster ergeben. Wissentlich infizierte Personen litten am häufigsten unter Abgeschlagenheit, Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigungen, Gedächtnisstörungen, Kurzatmigkeit und Schlafstörungen. Bei unwissentlich erkrankten Menschen sahen die Symptome etwas anders aus. Hier litten die Patienten und Patientinnen laut eigener Aussage an Gelenkschmerzen oder -schwellungen sowie Stimmungsschwankungen.

Im Zeitverlauf gehen Beschwerden zurück

Eine positive Beobachtung konnten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen allerdings ebenfalls bereits machen: Im Zeitverlauf seien die Beschwerden in vielen Fällen zurück gegangen, erklärte der Sprecher der Studienleitung, Philipp Wild. Dennoch verbleibe eine kleine Gruppe von Personen mit dauerhaften Symptomen.

Die bisherigen Erkenntnisse hätten außerdem den Zusammenhang zwischen der Schwere der akuten Symptome und der Wahrscheinlichkeit, an Long Covid zu leiden, bestätigen können. Je stärker das Beschwerdebild der akuten Infektion ausgeprägt sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit für Long-Covid-Symptome.

Long-Covid-Studie soll Wissenslücken schließen

Tatsächlich gaben allerdings auch in der Vergleichsgruppe, also bei den Personen, die nicht mit dem Coronavirus infiziert waren, knapp 40 Prozent an, long-covid-artige Symptome zu spüren, wenn auch in etwas unterschiedlicher Ausprägung und noch unspezifischer. Laut den Verantwortlichen der Studie sei das allerdings kein Zeichen dafür, dass das Krankheitsbild nicht vorhanden sei, sondern vielmehr dafür, dass bei den Symptomen eine besonders niedrige Spezifität vorliege und dringend Forschungsbedarf zur Definition des Krankheitsbildes bestehe.

Genau diese Wissenslücke soll die Long-Covid-Studie nun schließen. Dabei soll es nicht nur darum gehen, das Krankheitsbild genau zu untersuchen, sondern auch zu analysieren, wie sich die Erkrankung auf den Alltag der Betroffenen auswirkt und welchen Zusammengang zwischen der Impfung und Long Covid besteht. Gleichzeitig wollen die Forschenden auch herausfinden, welche subklinischen Symptome, also unbemerkte körperliche Veränderungen, die in Zukunft Beschwerden herbeiführen könnten, eine Covid-19-Erkrankung möglicherweise auslösen könnte. Mit ersten Ergebnissen rechnen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im zweiten Quartal des kommenden Jahres. (csr)