Berlin. Die Ampel-Koalition will den Weg für noch schärfere Corona-Auflagen frei machen. Auch die Impfpflicht in der Pflegebranche rückt näher.

Die künftige Bundesregierung knüpft da an, wo die bisherige aufhört: beim Corona-Krisenmanagement. Der Bundestag soll in zwei Extrasitzungen am Dienstag und Freitag weitere Auflagen beraten und beschließen. Am Donnerstag steht dann bereits die nächste Ministerpräsidentenkonferenz an.

Wie akut ist der Handlungsbedarf?

Das Robert-Koch-Institut gab am Montag (6.12.) die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche mit 441,9 an, mehr als am Vortag. Von Entspannung kann keine Rede sein. Dazu kommen zwei Sonderfaktoren. Erstens die Corona-Variante Omikron. In Großbritannien verdoppelt sich ihr Anteil alle drei Tage – trotz hoher Impfquote.

„Eine solche Verbreitung, ohne Beispiel, stoppt man nicht leicht“, twitterte der designierte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Zweitens steht Weihnachten vor der Tür. Familien kommen zusammen und werden „für eine Reihe von Ansteckungen sorgen“, gibt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zu bedenken.

Zusammengeklappte Tische und Stühle vor einem Lokal in München Ende 2020 – nach den Plänen der Ampel sind Restaurant-Schließungen wieder möglich.
Zusammengeklappte Tische und Stühle vor einem Lokal in München Ende 2020 – nach den Plänen der Ampel sind Restaurant-Schließungen wieder möglich. © picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON

Was genau plant die „Ampel“?

In einem Gesetzentwurf stellen sie klar, dass in einer kritischen Pandemielage Versammlungen und Veranstaltungen untersagt werden können – mit Ausnahme der gesetzlich geschützten Demonstrationen. Auch Schließungen von Restaurants oder Kongressen sind möglich. Darüber entscheidet das jeweilige Bundesland.

Der Bund gibt anders als früher keine Kriterien vor, etwa einen festen Grenzwert für Inzidenzen. Der rechtliche Rahmen ist eine Öffnungsklausel für das Infektionsschutzgesetz. Sie ermöglicht weitergehende Einschränkungen in der Verantwortung der Länder.

Bekommen die Bundesländer den Spielraum, den sie angemahnt haben?

Sehr umstritten war, dass SPD, Grüne und FDP die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ am 25. November auslaufen ließen. Sie war die Rechtsgrundlage für viele Maßnahmen. Die Ampel hat zwar diese Entscheidung nicht zurückgenommen, aber die Übergangsphase großzügig gestaltet, in der harte Maßnahmen noch weiter möglich sein sollen. Erst sollte sie bis zum 15. Dezember gelten. Laut Entwurf wird sie nun um zwei Monate verlängert.

Praktisch bedeutet dies, dass Hotspot-Länder wie Sachsen nichts zurücknehmen müssen. Indirekt ist es das Eingeständnis der Regierungskoalition, dass sie die epidemische Lage nationaler Tragweite übereilt beendet hat.

Derweil denkt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil laut über eine „begrenzte Auszeit“ nach. Das läuft darauf hinaus, das öffentliche Leben nach den Feiertagen so runterzufahren - zum Beispiel verlängerte Schulferien –, dass man das Infektionsgeschehen besser in den Griff bekommt. So geht in Europa Portugal vor. Dort werden Homeoffice und Schulferien um eine Woche verlängert.

Welche Konsequenzen werden die meisten Bürger zu spüren bekommen?

Während die Verschärfungen von Land zu Land und je nach Infektionslage unterschiedlich ausfallen können, ist die Testpflicht für alle Beschäftigten und Besucher in Kliniken und Pflegeheimen relevant. In dem Entwurf wird klargestellt, dass Patienten und Begleitpersonen, die die Einrichtung oder das Unternehmen nur „für einen unerheblichen Zeitraum betreten“, nicht als Besucher gelten – so etwa Eltern beim Kinderarzt.

Wie will die Ampel für mehr Impfungen sorgen?

Lauterbach sagt mit Blick auf die Omikron-Variante, „wir impfen jetzt gegen die Zeit“. Er glaubt, dass ein schwerer Krankheitsverlauf mit den Boosterimpfungen „fast sicher vermeidbar“ ist. Für die Impfkampagne hat der Staat bisher vor allem auf die Haus- und Betriebsärzte gesetzt.

Nun sollen auch Apotheker, Tier- und Zahnärzte Menschen ab zwölf Jahren impfen können. Voraussetzung sollen eine vorherige ärztliche Schulung und geeignete Räumlichkeiten sein. Es gibt nahezu 19.000 Apotheken, die vielerorts die tragende Säule der Teststrategie sind. Wenn auch nur ein Teil der Apotheken mitzieht, wird es leichter, einen Impftermin zu bekommen.

Wann kommt die Impfpflicht?

Sie kommt in zwei Schritten: Zunächst für alle Einrichtungen, in denen besonders gefährdete Menschen betreut oder gepflegt werden, für Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen, Tageskliniken, Arzt- und Zahnarztpraxen, Praxen sonstiger medizinischer Heilberufe, Pflege- und Behinderteneinrichtungen. Bis zum 15. März sollen Beschäftigte nachweisen, dass sie genesen oder vollständig geimpft sind, beziehungsweise aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden sollen.

Die lange Toleranzzeit kommt daher, dass die Ungeimpften die Chance haben sollen, eine Impfung zu bekommen. Der nächste Schritt wäre eine allgemeine Impfpflicht, die politisch nicht in trockenen Tüchern ist. Im Regierungslager ziert sich noch die FDP.