Berlin. Österreich leitet im Kampf gegen die vierte Welle drastische Schritte ein. Das Land kündigt eine Impfpflicht sowie einen Lockdown an.

Bis zuletzt hatte die österreichische Regierung beteuert, dass es beides nicht geben werde – doch jetzt kommen sie: Lockdown und Impfpflicht für alle. Nach dem Vatikanstaat ist Österreich das zweite Land in Europa, dass all seinen Bürgerinnen und Bürgern das Impfen vorschreibt. Angesichts der massiven vierten Corona-Welle geht das Land am Montag in den Lockdown.

Die Lage ist dramatisch: Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 990 bei zugleich exponentiellem Wachstum, auf den Intensivstationen insbesondere in Salzburg (Inzidenz: 1740) wird es knapp. Dort wird nun die Triage vorbereitet. Der Lockdown soll jetzt also diese vierte Welle brechen. Für Geimpfte und Genesene soll er spätestens am 13. Dezember enden, kündigte Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) am Freitag an. Nach zehn Tagen würden die Daten überprüft. Für Ungeimpfte werde der Lockdown aber in jedem Fall weitergehen.

Österreich führt bundesweite Impfpflicht ein

Ab Montag gelten die aus vorangegangenen Ausgangsbeschränkungen bekannten Corona-Regeln. Das Zuhause darf nur aus zwingenden Gründen verlassen werden (Weg zur Arbeit, Arztbesuch, Einkauf im Supermarkt und Aufenthalt im Freien zur Erholung).

Die Impfpflicht soll ab Februar gelten und nach den Worten der Regierung sicherstellen, dass es keine fünfte Welle geben wird. Rechtsexperten glauben, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Gesetzgebung gegeben sind. Verfassungsrechtler Heinz Mayer sagt: "Die rechtliche Lage ist in der jetzigen Situation sehr eindeutig: Die pandemische Situation ist laut Expertenmeinung dramatisch und die Impfpflicht geeignet, diese dramatische Situation zu meistern." Rein rechtlich müsse eine Verhältnismäßigkeit gegeben sein, was der Fall sei. Offen ist aber die Ausgestaltung. Etwa, wie eine Weigerung geahndet werden soll.

Lockdown in Österreich: Kritik von den Medien

Die österreichischen Medien gehen unterdessen mit der Regierung hart ins Gericht. Die Zeitung "Die Presse" spricht von einem Staatsversagen, weil die Regierung es versäumt habe, rechtzeitig zu handeln. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) entschuldigte sich in der Pressekonferenz am Freitag öffentlich. Dabei war er es, der seit geraumer Zeit harte Maßnahmen für alle gefordert hatte – damit aber bis zuletzt am Koalitionspartner ÖVP gescheitert war. Die rechte FPÖ erhob schwere Vorwürfe. Österreich sei nun auf dem Weg in eine "Diktatur", so der selbst an Corona erkrankte FPÖ-Chef ­Herbert Kickl. Er rief die Menschen zu Protesten am Sonnabend in Wien auf.

Mediziner zeigten sich erleichtert über den Lockdown. Die täglichen Rekordwerte bei den Infektionszahlen würden sich erst verzögert in den Normal- und Intensivstationen widerspiegeln. "Es ist wirklich höchste Zeit für eine Vollbremsung", so die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin.

Österreich: Lockdown galt bisher nur für Ungeimpfte

Zu den bisherigen Maßnahmen zählte eine 3G-Regel am Arbeitsplatz. Die Beschäftigten müssen nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind. Am 8. November folgte die 2G-Regel für Veranstaltungen, Gastronomie und Tourismus, die Ungeimpften den Zutritt zu weiten Bereichen in der Freizeit verwehrte. Am Montag traten noch schärfere Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte in Kraft.

Bisher hatten die Einschränkungen im Nachbarland vor allem Personen ohne Corona-Impfung betroffen. Die nun verkündeten Beschlüsse treffen allerdings jetzt auch die Geimpften, weil die bisherigen Maßnahmen die Welle nicht brechen können.

Österreich: Schwerer Schlag für Tourismus

Ein Lockdown beeinträchtige das Weihnachtsgeschäft extrem, so der Geschäftsführer des Handelsverbands, Rainer Will. Ein Teil der Geschäfte sei existenziell gefährdet. "Die Branche muss Umsatzverluste von rund 2,7 Milliarden Euro verkraften." Finanzminister Gernot Blümel stellte für besonders betroffene Branchen wie Handel und Tourismus weitere Wirtschaftshilfen in Aussicht.

Für den Tourismus ist die Entwicklung unmittelbar vor dem geplanten Start der Wintersaison erneut ein schwerer Rückschlag. Sie bedeute über den Umsatzverlust hinaus einen erheblichen Imageschaden, sagte Susanne Kraus-Winkler vom Fachverband Hotellerie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).

Die Gäste seien nicht nur wegen der schönen Landschaft gekommen, sondern auch wegen des Gefühls der Sicherheit. "Sicherheit ist die neue Währung im Tourismus". Der Lockdown selbst sei alternativlos. „Wir müssen das jetzt mittragen", sagte Kraus-Winkler. Die Branche setze auf ein Durchstarten in der zweiten Saisonhälfte ab Mitte Januar. "Wir hoffen, dass noch was zu retten ist", meinte die Expertin.(afp/dpa/fmg)