Berlin. Blinkt es auf unseren Straßen zu viel? Die Feuerwehr soll ihr Blaulicht reduzieren. Nun fürchten die Rettungskräfte um ihre Sicherheit.

  • Gibt es auf Deutschlands Straßen zu viele Blaulichter von Feuerwehr und Rettungswagen?
  • Das Verkehrsministerium will nun die Anzahl der Blaulichter einschränken
  • Doch das sorgt für Ärger - und Experten warnen

Ein nebliger Novembermorgen. Stau im Berufsverkehr auf der Berliner Stadtautobahn. Plötzlich durchleuchtet dieses charakteristische, gespenstische blaue Licht das Wageninnere. Das Signal wirkt. Der Blick in den Rückspiegel bestätigt: Von hinten nähert sich ein Rettungswagen. Zwei Blaulichter blinken aus dem Kühlergrill.

Ohne den gleichzeitigen Einsatz des Martinshorns besitzt der Rettungswagen zwar noch keine Sonderrechte, doch ist nun besondere Vorsicht geboten. Hätte man den Wagen auch ohne die beiden zusätzlichen Lichter gesehen? Denn die „eigentlichen“ beiden Blaulichtpaare thronen hoch oben auf dem Fahrzeugdach.

Feuerwehr: Weniger Licht ist Pflicht

Die Frage ist berechtigt. Denn das Bundesverkehrsministerium (BMVI) hat im Juli die Anzahl der erlaubten Blaulichter für die Feuerwehr reduziert. Ein Blaulichtpaar vorn und hinten, mehr ist erst mal nicht mehr drin. Und die dürfen ihr Licht nur noch in eine Richtung werfen, eine „Hauptabstrahlrichtung“. Bei wem mehr blinkt, der muss abrüsten. Ausnahmegenehmigungen können erteilt werden.

Offenbar vermutete das Ministerium Wildwuchs und Leuchtspektakel auf den Autobahnen wie in der Techno-Disco. Auf Anfrage spricht es von „beliebig vielen Warnleuchten“, die „in alle Richtungen“ blinkten. Dies habe zu einer „Übersignalisierung“ geführt und andere Verkehrsteilnehmer geblendet und verunsichert.

Stiftung: Tödliche Unfälle werden zunehmen

Pierre-Enric Steiger ist Präsident der Björn Steiger Stiftung in Winnenden, die sich dafür einsetzt, die Notfallhilfe in Deutschland zu verbessern. Für ihn ist diese Änderung der Straßenverkehrszulassungsordnung „nicht hinnehmbar“, wie er es in einem Brief an das BMVI formuliert, der unserer Redaktion vorliegt: „Sie gefährdet die Verkehrssicherheit, die Einsatzkräfte in ihrem beruflichen Alltag und damit uns alle.“

Eine Vielzahl von blauen Signallichtern sei gerade auf kurvenreichen, schwer einsehbaren Landstraßen lebensschützend. Es sei wichtig, dass das Licht in alle Richtungen abstrahle. Die meisten EU-Staaten rüsten genau deswegen ihre Rettungsfahrzeuge auf.

Sein Fazit: „Um es ganz deutlich zu sagen: Die beschriebenen Maßnahmen werden die Zahl tödlicher Unfälle an Einsatzkräften erhöhen.“ Dachlichter würden im Gegensatz zu Lichtern im Kühlergrill oft nicht gesehen.

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Feuerwehr fordert „sofortige Rücknahme“

Der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) ist ebenfalls empört. „Die Wahrscheinlichkeit von Unfällen auf Einsatzfahrten ist deutlich erhöht. Die Dichte des Verkehres und der Schallschutz der Fahrzeuge sind stetig gewachsen. Eine gute optische Sichtbarkeit ist daher von besonderer Bedeutung“, teilt der Verband unserer Redaktion mit. Er hat einen Vorschlag zur sofortigen Nachbesserung eingereicht. Auch der technische Entwickler Jan Noelle von der Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein fordert in einem Schreiben die „sofortige Rücknahme“ der Paragrafen-Änderung.

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Berechnungen beziehen sich auf 50 Jahre alte Messungen

Berechnungen der Winkel, in denen die Lichter sichtbar seien, bezögen sich auf 50 Jahre alte Messungen, seitdem habe sich die Bauweise von Einsatzwagen stark verändert. Gerade auf Autobahnen oder Schnellstraßen sei die Situation nun „akut lebensbedrohlich“. Dass viele Autofahrer sich durch den Lichtverkehr gestört fühlen, kann auch der Autoclub ACE nicht erkennen und stellt sich auf die Seite der Feuerwehr: „Einsatzkräfte müssen bestmöglich geschützt werden. Sie retten tagtäglich Leben“, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion.

Berufsfeuerwehr empört: „Wir werden dargestellt wie Auto-Tuner“

Thomas G. ist bei der Berufsfeuerwehr. „Mich ärgert, dass wir dargestellt werden wie Auto-Tuner, die aus reiner am Blinken ihren Wagen mit Leuchten pimpen“, sagt er. Auch der DFV beklagt, dass niemand die Menschen gefragt hat, die es täglich bei ihrer riskanten Arbeit betrifft. Bei all dem Streit über die „Rundumkennleuchte“ schwingt auch der ewige Konflikt zwischen denjenigen mit, die in Amtsstuben Entscheidungen fällen, und denjenigen, die auf der Straße für die Sicherheit sorgen. Wurde die Feuerwehr tatsächlich nicht einbezogen?

Das BMVI spielt den Ball an das Innenministerium. Dieses sei zuständig für die Feuerwehr. Es sei wie auch die Länder angehört und einbezogen worden – niemand habe einen Einwand gegen die Reduzierung gehabt.