Berlin. Die Bundesländer haben sich einstimmig für eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen ausgesprochen. So geht es jetzt weiter.

  • Bund und Länder haben am Donenrstag über ein einheitliches Vorgehen im Corona-Winter beraten
  • Dabei ging es auch um die Einführung einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen
  • Kommt die berufsbezogene Impfpflicht? Das ist der aktuelle Stand

Angesichts des rasanten Wiederanstiegs der Infektionszahlen haben Bund und Länder beim Corona-Gipfel auch über die mögliche Einführung einer Impfpflicht beraten. Konkret geht es dabei um eine verpflichtende Immunisierung für Angestellte im Gesundheitswesen.

Im Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz heißt es dazu: "Wir müssen besonders die vulnerablen Gruppen zusätzlich schützen. Die Länder halten es für erforderlich, dass Angehörige von Heil- und Pflegeberufen und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern (und in Einrichtungen der Eingliederungshilfe sowie in Alten- und Pflegeheimen) aufgrund des engen Kontakts zu vulnerablen Personen verpflichtet werden, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Die Länder bitten den Bund, dies schnellstmöglich umzusetzen."

Bundesländer für berufsbezogene Impfpflicht – wie geht es jetzt weiter?

Die Bundesländer stimmten laut dem Vorsitzenden ihrer Konferenz, dem Regierungschef von Nordrhein-Westfalen Hendrik Wüst, einstimmig für die berufsbezogene Impfpflicht. Entscheiden muss darüber allerdings der Bundestag. Der Bund werde in Kürze darüber befinden, wie er sich zu dieser Länderbitte verhalte, sagte die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Zuvor war das Thema in der Politik heiß diskutiert worden – bisher schien ein einstimmiges Ergebnis allerdings unwahrscheinlich. SPD-Kanzleranwärter Olaf Scholz befürwortete aber bis zuletzt eine Debatte über eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen – etwa für Beschäftigte in Pflegeheimen. "Ich finde es richtig, dass wir jetzt eine Diskussion darüber begonnen haben, ob man das machen soll", sagte er am Montagabend bei einer Veranstaltung der "Süddeutschen Zeitung". Unter den Ampel-Parteien herrschte bei dem Thema allerdings Uneinigkeit.

Wie sinnvoll ist eine solche Impfpflicht?

Viele Experten halten eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen oder eine einrichtungsspezifische Impfpflicht mittlerweile für notwendig. Gerade in Pflegeheimen kam es in den vergangenen Wochen immer wieder zu verheerenden Corona-Ausbrüchen mit zahlreichen Todesopfern. Immer war ein Teil des Personals ungeimpft.

In einem "Positionspapier" einer Gruppe von Ärzten und Virologen vom 11. November, darunter Max-Planck-Forscherin Viola Priesemann und Intensivmediziner Christian Karagiannidis, heißt es: "Impfen und Boostern ist ein sehr mächtiges Werkzeug zur Vermeidung schwerer Verläufe." Das Papier nennt Strategien gegen Covid-19 im bevorstehenden Winter.

Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass es gelte, drei Gruppen besonders zu impfen: Menschen mit Immunschwäche, Ältere – sowie Beschäftigte im Gesundheitswesen und in Pflegeberufen. Corona-Impfungen in dieser dritten Gruppe könnten "die Verbreitung des Virus und damit die Übertragung auf die, für die eine Fürsorgepflicht besteht, deutlich reduzieren und sind somit für den Schutz der vulnerablen Personen wichtig".

Frisch Geimpfte haben den Wissenschaftlern zufolge eine etwa 20-fach geringere Wahrscheinlichkeit, das Virus zu übertragen, als Ungeimpfte. Nach fünf Monaten liege der Impfschutz noch bei 50 bis 70 Prozent.

Was sagt der Ethikrat zu einer Impfpflicht?

Auch der Deutsche Ethikrat hatte sich für eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen ausgesprochen: "Beschäftigte, die schwer oder chronisch kranke sowie hochbetagte Menschen beruflich versorgen, wie ärztliches und pflegendes Personal, aber auch Mitarbeitende des Sozialdienstes, der Alltagsbegleitung oder der Hauswirtschaft, tragen eine besondere Verantwortung dafür, die ihnen Anvertrauten nicht zu schädigen."

Wer unterstützt diese Forderung noch?

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft befürwortet für eine Impfpflicht für bestimmte Berufe. In den Krankenhäusern seien bereits mehr als 90 Prozent der Pflegekräfte vollständig gegen Covid-19 geimpft, sagte der Vorsitzende Gerald Gaß. Die jüngsten verheerenden Corona-Ausbrüche in Pflegeheimen zeigten aber, dass es "noch viel Nachholbedarf" gebe.

Eine "moralische Impfpflicht" für bestimmte Berufsgruppen sieht Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery: Ungeimpfte Pflegende, Ärzte, aber auch Köche in Altenpflegeheimen könnten "wirklich lebensbedrohliche Infektionsbomben sein für die alten Menschen". Eine rechtliche Impfpflicht könne er sich allerdings nicht vorstellen. In der ARD-Sendung "Anne Will" hatte Montgomery von einer "Tyrannei der Ungeimpften" gesprochen und damit heftige Kritik ausgelöst. Auch der Deutsche Städtetag dringt auf eine schnelle gesetzliche Impfpflicht für Beschäftigte in Schulen, Kitas, im Gesundheits- und Pflegebereich.

Geht eine solche Impfpflicht rechtlich überhaupt?

Verfassungsrechtlich ist eine Impfpflicht tatsächlich möglich, sagte der Berliner Rechtswissenschaftler Christian Pestalozza dem Redaktions-Netzwerk Deutschland (RND). Da es sich allerdings um einen Eingriff in die individuelle Entscheidungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit des Einzelnen handelt, müsste ein "legitimes Ziel" eindeutig geklärt sein, das mit "milderen Mitteln" nicht erreichbar sei. Angesichts der aktuellen Pandemielage halte er diese Voraussetzungen für gegeben, so Pestalozza. Welche Berufsgruppen in die Pflicht genommen werden können, müsse nach dem Infektionsschutzgesetz oder den jeweiligen Länderverordnungen entschieden werden.

Haben andere Länder schon eine ähnliche Regelung?

In vielen europäischen Ländern ist die Impfpflicht für Berufe mit Kontakt zu besonders gefährdeten Gruppen längst umgesetzt. In Frankreich und Italien etwa müssen Beschäftigte im Krankenhaus- und Pflegebereich, aber auch Feuerwehrleute und Polizei eine Impfung nachweisen. Wer das nicht kann oder will, dem droht eine Suspendierung ohne Lohnfortzahlung.

(fmg mit dpa)