Berlin. Corona-Geimpfte können andere Menschen mit dem Virus anstecken. Daher sollten auch sie jetzt vorsichtig sein, meint Alessandro Peduto.

Als in Deutschland vor knapp elf Monaten die ersten Corona-Impfungen anliefen, war von einer „Spritze in die Freiheit“ die Rede. Ein kleiner Piks sollte die Kehrtwende bringen nach endlos scheinenden, harten Monaten im Lockdown und einem Alltag, der im konkreten wie im übertragenen Sinn steril geworden war.

Plötzlich schien ein anfangs äußerst schwer zu bekämpfendes, vielfach todbringendes Virus besiegbar zu sein. Wer sich impfen lässt, so die damalige Annahme, hat die Pandemie hinter sich. Und je mehr Menschen sich spritzen lassen, desto schneller sollten Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und viele weitere beschwerliche Erscheinungen dieser Krise der Vergangenheit angehören.

Nach anfänglicher Euphorie deutliche Ernüchterung

Alessandro Peduto, Politik-Korrespondent
Alessandro Peduto, Politik-Korrespondent © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Doch die anfängliche Euphorie im Kampf gegen Corona ist inzwischen deutlicher Ernüchterung gewichen. Etwa, weil keineswegs alle Menschen in einer Impfung den Weg in die Freiheit sehen. Im Gegenteil. Viele betrachten die Spritze als Nötigung, ja, als Übergriff.

Sie fühlen sich in der Freiheit eingeschränkt, selbst über ihren Körper und ihre Gesundheit zu entscheiden, und verweigern daher die Impfung. Neuerliche Debatten über eine Impfpflicht dürften diese Abwehrhaltung verstärken.

Ungeimpfte offenbar bereit zu erkranken und zu sterben

Den Preis für ihre Ablehnung sind viele Ungeimpfte offenbar bereit zu zahlen, nämlich das weitaus höhere Risiko, schlimm an Covid-19 zu erkranken oder gar daran zu sterben. Mit ihrer Haltung bringen sie aber nicht nur die volllaufenden Intensivstationen zunehmend in Not, sondern auch kranke Mitmenschen, denen aus Platzmangel in den Kliniken wichtige Operationen verwehrt werden.

Wer sich nicht impfen lässt, ist daher mitverantwortlich für die Verschärfung der Lage.

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Verantwortung auch für die schon Geimpften

Doch Verantwortung tragen in der Gesellschaft auch diejenigen, die sich bereits gegen das Virus haben spritzen lassen. Denn anders als anfangs erhofft, können sich auch Geimpfte weiterhin infizieren und den Erreger an andere weitergeben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst schwer erkranken, ist zwar zum Glück deutlich geringer, auch wenn es derzeit besonders bei älteren Menschen zu Impfdurchbrüchen kommt, weil die Schutzwirkung des Vakzins nachlässt. Dennoch kann von Geimpften eine Gefahr für andere ausgehen.

Das große Versprechen löst sich nicht ein - vorerst

Im Kern ist dies eine bittere Erkenntnis. Denn das große Versprechen von der „Spritze in die Freiheit“ löst sich damit nicht ein – zumindest vorerst nicht. Auffrischungsimpfungen gegen Corona, wie sie jetzt in der Breite geplant sind, können die Schutzwirkung nach jüngsten Studien zwar wieder erhöhen und wohl auch die Ansteckungsgefahr senken. Doch bislang hat nur eine kleine Minderheit den sogenannten Booster. Damit bleibt vorerst für viele das Risiko.

Somit ist es jetzt auch an den Geimpften, durch vorsichtiges Verhalten in den kommenden Wochen und Monaten mit dafür zu sorgen, dass sich das ersehnte Ende der Pandemie nicht zusätzlich verzögert.

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Rücksichtnahme und Vorsicht bleiben das Gebot der Stunde

Wer den vollen Corona-Schutz hat, sollte nicht der Versuchung verfallen, leichtfertig ein sorgenloses Leben wie vor Corona zu führen und damit andere der Gefahr einer Ansteckung auszusetzen. Das gilt besonders im nahenden Winter, wenn die Infektionszahlen weiter zunehmen dürften

Ja, die Vorstellung ist frustrierend, sich trotz zweifacher Impfung weiterhin an Maskenpflicht und Abstandsregeln zu halten und sicherheitshalber auch öfter wieder einen Corona-Test zu machen. Es wäre schön, die Welt könnte all das endlich hinter sich lassen.

Aber es hilft nichts. Rücksichtnahme und Vorsicht sind und bleiben auch für Geimpfte das Gebot der Stunde, wenn die Pandemie in Deutschland nicht erneut aus dem Ruder laufen soll.