Berlin. Drei gegen einen: Will Friedrich Merz in Allianz mit Jens Spahn und Carsten Linnemann seinen Widersacher Norbert Röttgen verhindern?

Beten ist ein Anfang. Mit einem Gottesdienst im Kardinal Schulte Haus in Bergisch Gladbach begann am Montag die Klausur der CDU-Bundestagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen. Die Christdemokraten sind schwer erschüttert, 24,1 Prozent bei der Bundestagswahl lassen sich nicht gesundbeten.

Ihr Vorsitzender Armin Laschet steht dafür gerade und gibt die Führung ab. Aus der Landesgruppe wird aller Voraussicht nach sein Nachfolger kommen, in diesem Fall tatsächlich: keine Chefin. Im Gespräch sind nur Männer.

CDU-Vorsitz: Merz und Röttgen haben die größten Chancen

Die größten Aussichten haben laut Umfragen unter CDU-Anhängern der Wirtschaftsexperte Friedrich Merz und Außenpolitiker Norbert Röttgen. Merz gilt als der Konservativere von beiden, Röttgen verortet sich selbst „in der Mitte“. Gern präzisiert er: „in der modernen Mitte“. Gegen das Etikett „Schwarz-Grüner“ hätte er auch nichts einzuwenden.

Anders als Röttgen muss Merz Konkurrenz aus dem eigenen Lager befürchten. Laut „Bild“ hat er sich denn auch mit Carsten Linnemann und Jens Spahn getroffen und sucht eine Verständigung. Wenn sich konservative Hoffnungsträger gegenseitig die Stimmen abjagen, steigen nur Röttgens Chancen.

Merz twitterte zu dem Bericht, „nicht mein Absender, nicht meine Handschrift“. Röttgen nahm es gelassen: „Dass miteinander gesprochen wird, ist klar.“

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen verortet sich selbst „in der modernen Mitte“. Berichte über ein parteiinternes Bündnis gegen ihn scheinen den Rheinländer nicht zu beunruhigen.
CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen verortet sich selbst „in der modernen Mitte“. Berichte über ein parteiinternes Bündnis gegen ihn scheinen den Rheinländer nicht zu beunruhigen. © imago images/Müller-Stauffenberg | imago stock

Es soll eine schnelle Lösung geben, bis Mitte Dezember

Wegen des Allerheiligen-Feiertages tagen die CDU-Gremien nicht wie gewohnt montags, sondern am heutigen Dienstag. Dann werden sich Präsidium und Vorstand wohl die Empfehlung der Kreisvorsitzenden zu eigen machen und beschließen, dass die Mitglieder über die Parteiführung abstimmen, wiewohl die formale Entscheidung auf einem Parteitag fallen wird.

Es soll keinen langen Vorstellungsprozess mit Regionalkonferenzen geben. Ein Parteitag Mitte Dezember – um den 17./18. – wird angestrebt. Dahinter steckt die Überlegung, sich parallel zum erwarteten Bündnis von SPD, Grünen und FDP zu sortieren. Lesen Sie dazu:SPD, FDP und Grüne: Das steht im Ampel-Sondierungspapier

Noch immer hat niemand offiziell eine Bewerbung abgegeben

Aus Respekt vor den Gremien hat bisher keiner eine Bewerbung angemeldet. „Es ist jetzt auch nicht die Zeit der Drängler“, sagt Röttgen. Ab heute gibt es keinen Grund mehr abzuwarten; schon in der Vorstandssitzung könnten erste Kandidaturen publik werden.

Eine Befragung der Mitglieder hat nur bei mehr als einem Kandidaten Sinn. Nur ein eindeutiges, möglichst überwältigendes Votum stärkt den Zusammenhalt. Es ist fast zwingend, dass der konservative Flügel sich auf einen Kandidaten verständigt, der das Stimmenpotenzial ausschöpft. Lesen Sie auch:Norbert Röttgen: „Die CDU steht nah an der Klippe“

Stellen Linnemann und Spahn ihre Ambitionen zurück?

Merz sagte neulich, „es müssen die drei Buchstaben CDU im Vordergrund stehen und nicht ICH“. Es geht bei solchen Personalentscheidungen freilich immer auch um die eigenen Ambitionen: Zwei müssen sie zurückstellen, einer nicht. Merz ist 65 Jahre alt, Spahn 41, Linnemann 44. Für Merz schließt sich ein Zeitfenster, für Spahn und Linnemann nicht.

Carsten Linnemann ist Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, aber bisher der Kandidat mit der geringsten bundespolitischen Prominenz. Dem Paderborner dürfte ein Verzicht am leichtesten fallen.
Carsten Linnemann ist Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, aber bisher der Kandidat mit der geringsten bundespolitischen Prominenz. Dem Paderborner dürfte ein Verzicht am leichtesten fallen. © dpa | Michael Kappeler

Linnemann war als Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion für den größten Teil der Wähler ein unbeschriebenes Blatt. Schon für den Vorsitz in die engere Wahl zu kommen ist eine Aufwertung.

Ein Verzicht dürfte Spahn ungleich schwerer fallen. Schon 2018 unterlag er im Rennen um den CDU-Vorsitz. Zwei Jahre später nahm sich der Gesundheitsminister erneut zurück und stellte sich in den Dienst von Laschet. Lesen Sie auch:CDU-Spitze: Wer vom Mitgliederentscheid profitieren könnte

Was könnte Merz Spahn anbieten für einen Verzicht?

Merz würde Spahn gern die Kandidatur ausreden – andernfalls hätte er ihm gleich seine Unterstützung zusichern können. Die Frage ist, was Merz ihm anbieten könnte: Vielleicht den Zuschlag für die nächste Kanzlerkandidatur in vier Jahren? Den Fraktionsvorsitz, die Rolle des Oppositionsführers im Bundestag?

Eine Kanzlerkandidatur kann er ihm nicht garantieren und streng genommen nur die Unterstützung der CDU zusichern. Die bayerische Schwesterpartei CSU hat ein Wörtchen mitzureden. Einen Fraktionsvorsitzenden gibt es längst mit Ralph Brinkhaus. Ob er das Feld kampflos räumen wird?

Verzichtet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorerst auf seinen höheren Ambitionen? Und wenn ja, zu welchem Preis? Lockt Merz den Münsterländer mit der Aussicht auf die Kanzlerkandidatur in vier Jahren? Oder dem Fraktionsvorsitz?
Verzichtet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorerst auf seinen höheren Ambitionen? Und wenn ja, zu welchem Preis? Lockt Merz den Münsterländer mit der Aussicht auf die Kanzlerkandidatur in vier Jahren? Oder dem Fraktionsvorsitz? © imago images/Jürgen Heinrich | imago stock

Der 65-jährige Merz will es noch einmal wissen

Im Gespräch mit unserer Redaktion riet Merz dazu, Fraktions- und Parteivorsitz in eine Hand zu legen. Der „Tagesspiegel“ zitierte ihn aber auch mit den Satz, Oppositionsführer könnte er, „aber das tue ich mir nicht noch mal an“. Eines schließt er aus: Er werde nicht noch mal „in eine streitige Abstimmung auf einem Bundesparteitag gehen“.

Legt man die Aussagen nebeneinander, entsteht nicht das Bild eines Hinterbänklers, sondern eines Mannes, der es noch mal wissen und eine liberal-konservative Allianz schmieden will, parteiintern gegen Röttgen. Aber da ist noch Brinkhaus, für sechs Monate als Fraktionschef bestätigt. Will er es bleiben, gebe es eine Gewähr dafür: selbst um die Laschet-Nachfolge kämpfen. Auch das halten Parteifreunde für möglich.

Die Lektionen in Sachen Teambuilding stehen noch aus

Merz und Röttgen markieren Gegenentwürfe. Aber zu einer Richtungsentscheidung gehört mehr: eine Agenda. Wie wollen die (unerklärten) Bewerber die CDU auf die Erfolgsspur bringen? Da könnte der Rat eines Experten helfen, der für heute bei der Landesgruppe angekündigt wurde: Norbert Haug. Der frühere Motorsport-Chef von Mercedes referiert über „Teambuilding“. Zu schade, dass die Merzens und Röttgens da schon wieder in Berlin sein werden.