Berlin. Nach dem Auffliegen der NSU-Terrorzelle stand auch das Versagen der Behörden im Mittelpunkt der Untersuchungen. Innenminister Seehofer zieht nach der Aufarbeitung der Fehler eine positive Bilanz.

Zehn Jahre nach Enttarnung der NSU-Terrorzelle sind nach Ansicht von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die notwendigen Konsequenzen aus dem damaligen Versagen der Behörden gezogen.

"Der NSU-Komplex wurde in Bund und Ländern aufgearbeitet. Es gab 13 Untersuchungsausschüsse, davon zwei auf Bundesebene", sagte der geschäftsführende Minister der Deutschen Presse-Agentur. Zwar sei es nicht möglich gewesen, alle Fragen restlos zu beantworten. "Aber die Handlungsempfehlungen für die Bereiche Polizei, Justiz, Nachrichtendienste und Demokratieförderung sind weitestgehend umgesetzt."

Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) war am 4. November 2011 aufgeflogen, mit dem Tod von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Erst dann stellte die Polizei fest, dass es Neonazis waren, die zwischen 2000 und 2007 acht Gewerbetreibende mit Wurzeln in der Türkei, einen griechischen Schlüsseldienstbetreiber und eine junge Polizistin getötet hatten. Nach den Attentaten war jahrelang in die falsche Richtung ermittelt worden.

Viele Fehler wiederholt

Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser widersprach Seehofer. Aus dem "systemischen Staatsversagen unglaublichen Ausmaßes", das der NSU-Terror zu Tage gefördert habe, seien "nicht alle politisch notwendigen Lehren" gezogen worden. Viele Fehler hätten sich beim islamistischen Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016 wiederholt. Nach wie vor gelte: "Zwischen Bundes- und Landesbehörden und insbesondere zwischen Polizei und Nachrichtendiensten werden relevante Informationen zu spät oder gar nicht weitergegeben."

Auf die Frage, warum beispielsweise sein Parteikollege, der frühere bayerische Innenminister Günther Beckstein, zunächst keine Spuren in Richtung Rechtsextremismus verfolgen ließ, sagte Seehofer: "Ich kenne niemanden, der die NSU-Morde nicht von Anfang an aufklären wollte. Aber wir haben zu spät erkannt, dass all diese Morde auf das Konto einer rechten Terrorzelle gingen. Auf diesem Auge waren wir zu lange blind." Das müsse deutlich gesagt werden, "auch wenn es weh tut".

Der NSU-Komplex und islamistische Terroranschläge der Vergangenheit hätten gezeigt, dass vernetzte Behörden "im Kampf gegen Terroristen und Extremisten das A und O sind", betonte der scheidende Innenminister.

In den Jahren seit dem Auffliegen des NSU habe der Rechtsextremismus in Deutschland sein Gesicht verändert. Es gebe heute zwar weniger Ausschreitungen als in den 1990er Jahren, "aber die Szene ist nach wie vor militant, und das Personenpotenzial steigt seit Jahren kontinuierlich an", sagte Seehofer. Feste Strukturen oder Gruppen seien oft nicht vorhanden und für den Einzelnen, der sich im Internet radikalisiere, auch nicht mehr notwendig. Seehofer bilanzierte: "Der Befund ist klar: Der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für die Sicherheit in Deutschland."

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