Rom/Berlin. Der Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer macht wenig Hoffnung auf einen Durchbruch im Kampf gegen den Klimawandel.

Wer sich in Rom etwas wünschen will, wirft eine Münze in den Trevi-Brunnen. Jedes Jahr folgen viele Tausend Touristen diesem alten Volksglauben. Auch die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer versuchten am Sonntag ihr Glück nach dem Prinzip Hoffnung. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ wie ihre Kollegen ein Ein-Euro-Stück in den prunkvollen Marmorbrunnen fallen.

Sollten sich Merkel & Co. einen Durchbruch beim Kampf gegen den Klimawandel ersehnt haben, erwies sich das Tête-à-Tête als Schlag ins Wasser. Zwar sind die G20-Länder für 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, konkrete Schritte gab es am Ende des zweitägigen Spitzentreffens aber nicht. Eine schlechte Voraussetzung für den bis zum 12. November dauernden Weltklimagipfel in Glasgow.

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G20: Leere Formelkompromisse

Im Schluss-Kommuniqué konnte man sich nur darauf einigen, das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 in allgemeiner Form zu bestätigen. Demnach soll der Anstieg der durchschnittliche Erdtemperatur „deutlich unter zwei Grad“ über dem vorindustriellen Niveau gehalten werden.

Zudem war von „Anstrengungen“ die Rede, die 1,5-Grad-Marke anzupeilen. Das Wie, Wo und Wann blieben jedoch in Rom nebulös. Je länger die Staats- und Regierungschefs am Wochenende tagten, desto mehr wurde das Schluss-Kommuniqué verwässert. So gab es nicht mal mehr eine Einigung auf „sofortiges Handeln“, wie es in einem früheren Entwurf geheißen hatte.

Stattdessen geht es nun um „bedeutungsvolles und wirksames Handeln“. Ein müder und am Ende leerer Formelkompromiss. Nach den vorliegenden nationalen Aktionsplänen werden die CO2-Emissionen bis 2030 um 16 Prozent ansteigen – obwohl ein Rückgang um 45 Prozent nötig wäre, um die Erwärmung wie in Paris vereinbart auf 1,5 Grad zu deckeln. Dies hätte jedoch fatale Folgen wie Dürren, Hochwasser, Eisschmelze oder Stürme.

Warnung der Klimaschützer

Experten gaben sich entsetzt. „Wir steuern auf eine Erwärmung um 2,7 Grad und auf eine katastrophale Entwicklung der Klimakrise zu“, betonte Jörn Kalinski von der Entwicklungsorganisation Oxfam. „Die hier an den Tag gelegte Unentschlossenheit und Uneinigkeit droht unseren Planeten zu verbrennen.“

Auch der Direktor des Potsdam Instituts für Klimaforschung, Ottmar Edenhofer, schlug Alarm. „Die Emissionen steigen weiter jedes Jahr – und zwar dramatisch“, sagte Edenhofer der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wir steuern nicht auf 2,7 Grad zu, sondern auf vier Grad, und damit auf ein nicht mehr zu beherrschende Erderwärmung.“

Verbeugung vor China

Beim Ziel der Kohlendioxidneutralität gab es in Rom ebenfalls keine Fortschritte. War ursprünglich vom G20-Gastgeber Italien 2050 als Zieldatum angestrebt worden, ist jetzt allgemeiner von „Mitte des Jahrhunderts“ die Rede.

Eine Verbeugung vor allem vor dem Industrie-Giganten China, der rund 30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursacht. Die Volksrepublik will erst 2060 klimaneutral werden. Die gleiche Frist hat sich die Gas-Großmacht Russland gesetzt. CO2-Neutralität bedeutet, dass nicht mehr Kohlendioxid ausgestoßen wird, als die Atmosphäre aufnehmen kann.

Widerstand gegen die Jahreszahl 2050 gab es in Rom auch von Schwellenländern und von Staaten mit großer Produktion fossiler Energien. So wollte sich Indien auf kein Zieldatum festlegen. Die EU hatte sich bereits zur CO2-Neutralität bis 2050 verpflichtet, Deutschland will das bereits fünf Jahre vorher erreichen.

Weiterer Rückschritt: Ursprünglich sollten die Subventionen für fossile Brennstoffe bis 2025 angestrebt werden. In Rom wurde das Zieldatum wieder gestrichen. Stattdessen wurde nur das alte Bekenntnis von 2009 bekräftigt, die Subventionen „mittelfristig“ zu beenden.

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Kohleausstieg bleibt offen

„Selbst ein Hinweis auf die „alarmierenden Berichte“ des Weltklimarates, der vor den Gefahren der Erderwärmung gewarnt hatte, wurde im Text mit „jüngste Berichte“ abgeschwächt. Ein Kohleausstieg wurde nicht einmal direkt erwähnt.

Auch die Zusage, die Investitionen in Kohlekraftwerke auslaufen zu lassen, blieb wenig konkret. Sollte das ursprünglich „in den 2030er Jahren“ geschehen, fehlte im Abschluss-Kommuniqué die Jahreszahl. Es wird jetzt „so schnell wie möglich“ ins Auge gefasst. Damit könnte wurde auf China und Indien Rücksicht genommen. Beide Länder stützten ihre Stromerzeugung stark auf Kohle.

China litt zuletzt unter massivem Energiemangel. Die Volksrepublik muss sogar Strom für die Industrie rationieren. Deshalb wurden die Förderung und der Import von Kohle wieder erhöht.

Gefährdete Inseln

Für einige kleine Staaten ist das Signal von Rom verheerend – sie fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. „Wir sind ein Land, das nur zwei Meter über dem Meeresspiegel liegt“, warnte die Klima-Botschafterin der Marshallinseln im Pazifik, Tina Stege.

Derzeit drohe ein Meeresspiegelanstieg von 0,5 Metern mit jährlichen Überschwemmungen. Land und Gebäude müssten immer weiter erhöht werden. „Ich kann nicht akzeptieren, dass die Marshallinseln in 50 Jahren Geschichte sind“, mahnte Stege.