Berlin. Die Kreisvorsitzenden sollen eine Mitgliederbeteiligung an der Wahl des Laschet-Nachfolgers anstoßen. Der Prozess könnte lange dauern.

Wenn es einen Zusammenhang gibt zwischen der Zukunft der CDU und den Augenringen von Generalsekretär Paul Ziemiak, dann steht es schlimm um die alte Volkspartei. Nicht Armin Laschet, der Noch-Parteichef, erklärt an diesem Montag den Plan zur Rettung der CDU, er schickt Ziemiak vor. Was der Generalsekretär dann mit müdem Blick erläutert, ist der Fahrplan für eine lange Hängepartie. Am Ende soll eine komplett neu gewählte Parteispitze stehen.

Es ist Montagmittag, 14.15 Uhr, zwei Wochen nach der Bundestagswahl. Tief im Westen Berlins sitzen um diese Zeit die Sondierer von SPD, Grünen und FDP zusammen. Diskret und zügig wollen sie bis zum Ende der Woche klären, ob es Koalitionsverhandlungen für ein Ampelbündnis geben kann. Ein paar Kilometer weiter im Osten, im Konrad-Adenauer-Haus, hat sich an diesem Morgen die Parteispitze der CDU versammelt.

Die Gegensätze könnten nicht größer sein: Dort drei Parteien, die sortiert und selbstbewusst verhandeln und Bilder der Geschlossenheit liefern. Hier die ehemalige Kanzlerinnenpartei, die einst gut geölte Machtmaschine, die nach dem Wahldesaster als Sanierungsfall dasteht. Die einzig denkbare Regierungsoption – sie ist hinter dem Horizont verschwunden, Jamaika ist im Moment nur noch eine Fata Morgana. Daran dürfte auch Ziemiaks Fahrplan nichts ändern. Im Gegenteil.

CDU-Parteispitze legt Anfang November weiteren Kurs fest

Formal ist Armin Laschet noch Parteichef, doch seit seinem angekündigten Amtsverzicht hat er Mühe, überhaupt noch als Moderator wahrgenommen zu werden. In der Rolle also, in der er sich selbst am meisten wohlfühlt und am liebsten sieht. Doch Machtfragen sind selten Fragen, die man mit einer freundlichen Gesprächsführung löst. Die Beratungen der CDU-Spitze dauern an diesem Morgen länger als geplant, die Gesichter derjenigen, die den Sitzungsraum schon früher verlassen, wirken müde. Lesen Sie hier: Krise in der Parteispitze – wie geht es mit der CDU weiter?

Der Plan, der am Ende dabei herauskommt, ist komplex: Die Kreisvorsitzenden sollen in einer Konferenz am 30. Oktober über die Beteiligung der Basis bei der Entscheidung über einen neuen Parteichef beraten. Sollten sie ein Mitgliedervotum empfehlen, wird der Bundesvorstand am 2. November das Verfahren in Gang setzen. Das heißt: Die potenziellen Kandidaten bekommen Zeit, sich zu bewerben, anschließend gehen sie auf Vorstellungstour.

Zwei bis vier Wochen mindestens könnten mit Regionalkonferenzen vergehen, danach käme das Mitgliedervotum. Sollten zwei Kandidaten in die Stichwahl kommen, müsste es eine zweite Runde geben. Ein Parteitag, der das Votum der Basis formal bestätigt und den kompletten Vorstand neu wählt, ist deswegen kaum noch in diesem Jahr zu erwarten.

Geht die CDU ohne neuen Vorstand in die Landtagswahlen?

Je länger es aber dauert, desto größer dürfte der Ärger gerade bei den Wahlkämpfern in NRW, im Saarland und in Schleswig-Holstein sein. „Wir können uns wegen wichtiger Landtagswahlen im kommenden Frühjahr nicht ewig Zeit nehmen für den personellen Auswahlprozess, wir müssen schnell wieder handlungsfähig werden“, sagt Dennis Radtke, Vizechef des Arbeitnehmerflügels CDA, aus Bochum.

Mit der Konferenz am 30. November baut die Parteiführung zumindest noch eine mögliche Bremse ein. „Führt man eine Mitgliederbefragung durch, dauert es länger“, betont Ziemiak.

Wer folgt auf Laschet? CDU-Politiker bringen sich in Stellung

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    Viele Gegner eines Mitgliederentscheids fürchten in Wahrheit vor allem einen Durchmarsch von Friedrich Merz. Ein CDU-Vorstandsmitglied beschreibt es so: „Wenn die 400.000 Mitglieder der CDU den Parteichef bestimmen könnten und Friedrich Merz kandidieren würde, dann würde vermutlich Merz diese Wahl klar gewinnen – schon aufgrund unserer Mitgliederstruktur.“

    Dass der Mitgliederentscheid seine große und letzte Chance wäre, sieht auch Merz selbst wohl so. Er hat schon frühzeitig für diese Basisbeteiligung plädiert. Eine Bewerbung für diesen Fall hält sich Merz offen, während er bereits eines klargestellt hat: „Ich schließe eines aus: Ich werde nicht noch einmal in eine streitige Abstimmung auf einem Bundesparteitag gehen.“ Dort hatte er zweimal verloren, 2018 gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und im Januar 2021 gegen Laschet. Hintergrund: Wer will Armin Laschets Nachfolger werden?

    Keine Frau im Kandidatenfeld

    Im möglichen Bewerberfeld ist der konservative Ex-Fraktionschef Merz mit fast 66 Jahren der älteste. Außenexperte Norbert Röttgen ist zehn Jahre jünger, Gesundheitsminister Jens Spahn mit 41 Jahren der Jüngste. Ralph Brinkhaus (53) hat durch die Wahl zum Fraktionschef bereits einen ersten Teilerfolg erzielt.

    Dazu kommen die jungen Regierungschefs in den Ländern – wie Tobias Hans im Saarland oder Michael Kretschmer in Sachsen. Öfter genannt wird auch Schleswigs-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Der 48-Jährige aber winkt erst mal ab: „Ich bin gerne bereit, bei der Neuaufstellung im Bund zu helfen, aber nicht in vorderster Front“, sagte der CDU-Politiker der „Welt“. Lesen Sie auch: Das sind die Favoriten auf den CDU-Parteivorsitz

    Unter den CDU-Frauen dagegen rührt sich bislang keine. Dabei stünde eine starke Kandidatin der erneuerungswilligen Partei durchaus gut: Die Neuaufstellung der CDU könne inhaltlich, personell und strukturell „nur mit den Frauen in der Partei gelingen“, sagt die Vorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz. Ob sie auch über eine Doppelspitze geredet hätten, wird Ziemiak am Ende noch gefragt. Nein, das hätten sie nicht.