Berlin. Einige AfD-Vetreter behaupten, über die Briefwahl würde bei der Bundestagswahl betrogen. Dabei wählt die Partei die Methode Trump.

"Steck ihn selber rein" – Mit diesem reichlich zweideutigen Slogan macht die Alternative für Deutschland (AfD) in Brandenburg gerade Stimmung gegen die Briefwahl. Kurz vor der Bundestagswahl zeichnet sich bei der Wahl per Brief eine Rekordbeteiligung ab, der Bundeswahlleiter Georg Thiel rechnet damit, dass "in jedem Fall über 40 Prozent" der Stimmen per Post kommen. Vielleicht sogar mehr: "Wir gehen von einer Verdopplung gegenüber der Bundestagswahl 2017 aus", sagte Thiel unserer Redaktion. Damals stimmten im Schnitt 28,6 Prozent der Wählerinnen und Wähler per Brief ab.

Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass von Rechts und Rechtsaußen gegen die Briefwahl geschossen wird. Die AfD verweist selbst gerne darauf, dass sie bei Briefwählenden schlechter abschneidet als bei Menschen, die an die Urne gehen. Der Grund dafür ist einfach: Unter Wählerinnen und Wählern der AfD ist die Urne schlicht beliebter als der Brief. Unterschiede im Stimmverhalten von Urnen- und Briefwählern sind laut Bundeswahlleiter indes "kein Hinweis auf eine Manipulation". Lesen Sie auch: Bundestagswahl: Welche Koalitionen sind realistisch?

Briefwahl: AfD glaubt an Betrug

Das hält Teile der AfD freilich nicht davon ab, falsche Behauptungen in die Welt zu setzen, die das Vertrauen in die Briefwahl – und damit in die Wahl überhaupt – untergraben sollen. In trumpesker Manier behauptet etwa die Leipziger AfD bei Facebook, "erhebliche Fälle von Wahlbetrug sind (...) traurige Wahrheit" und deutet in einer dazu verbreiteten Grafik an, Briefwahlstimmen würden statt der AfD tatsächlich den Grünen zugeschlagen. Beweisen kann die AfD Leipzig das nicht, Facebook selbst schaltet unter dem AfD-Post einen Faktencheck, der die Falschbehauptung richtig stellt.

Mit ähnlichen Behauptungen hatte der ehemalige US-Präsident Donald Trump bei der US-Wahl im vergangenen Jahr versucht, das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in den demokratischen Prozess zu untergraben. Bereits lange vor der Wahl wurden Trump und die Republikaner nicht müde zu verbreiten, die Wahl würde von den Demokraten gestohlen, indem sie millionenfach Briefwahlunterlagen fälschten.

Selbst juristisch war Trump gegen die Briefwahl vorgegangen. Sein Anwalt Rudy Giuliani hatte in einem denkwürdigen Auftritt vor einer Landschaftsgärtnerei in Philadelphia vier Tage nach der Wahl Klagen gegen Auszählungen oder Stimmen-Verifizierungen angekündigt. Mindesten 63 solcher Verfahren waren anhängig, alle gingen verloren. Im März 2021 hat der US Supreme Court die letzte Trump-Klage abgeschmettert. Nennenswerter Wahlbetrug hat in den USA nicht stattgefunden.

Betrug bei Briefwahl: Auszählung der Stimmen ist sicher

In Deutschland hält die AfD unterdessen vor allem das Auszählungsverfahren für die Briefwahlstimmen für vermeintlich betrugsanfällig und fordert ihre Anhänger auf, als Wahlbeobachter die Auszählung zu überwachen. Das ist grundsätzlich gestattet, jeder Briefwahlraum ist für die Öffentlichkeit frei zugänglich. "Wer möchte, kann die gesamte Tätigkeit des Briefwahlvorstandes beobachten", heißt es vom Bundeswahlleiter. Der Briefwahlvorstand besteht dabei aus fünf bis neun Wahlberechtigten, die sich gegenseitig kontrollieren. Bei der Auszählung müssen mindestens fünf Mitglieder des Vorstands anwesend sein. Lesen Sie hier: Das verspricht die AfD ihren Wählern

Umfrage zeigt: Die meisten Wähler haben sich entschiedenUmfrage zeigt: Die meisten Wähler haben sich entschieden

Die Wahlbriefe sind bis zum Zeitpunkt der Auszählung unter Verschluss. Erst am Wahltag gehen sie an die Vorstände und werden ab 15 Uhr geöffnet. Der Wahlschein wird auf Gültigkeit geprüft, beanstandete Wahlbriefe werden verpackt und bis zu ihrer Vernichtung aufbewahrt. Die übrigen Stimmzettelumschläge werden dann in die Wahlurne geworfen, damit niemand nachvollziehen kann, wer wie gewählt hat. Lesen Sie jetzt: So beantragen sie ihre Briefwahl-Unterlagen Online

Nach Ende der Wahlzeit werden die Umschläge geöffnet und die per Briefwahl abgegebenen Stimmen öffentlich ausgezählt. Alles zusammen soll Betrug verhindern. "Die Briefwahl ist sicher", betonte Bundeswahlleiter Thiel unserer Redaktion gegenüber.

Briefwahl: Manipulation steht unter Strafe

Ebenfalls beliebter Einwand gegen die Briefwahl: Die geheime Stimmabgabe werde nicht garantiert. So könnte beim Ausfüllen des Wahlzettels Einfluss von Dritten genommen werden – während eine Wahlkabine bei der Urnenwahl nur alleine betreten werden dürfe. Tatsächlich ist dieser Vorwurf nicht gänzlich aus der Welt zu räumen. Niemand kann am Ende wirklich garantieren, dass Briefwähler ihren Stimmzettel alleine ausgefüllt haben. Die eidesstattliche Erklärung dazu erfüllt lediglich die rechtlichen Ansprüche. "Der Gesetzgeber hat es unter Strafe gestellt, hier zu manipulieren", sagte Bundeswahlleiter Thiel dieser Redaktion. Auch interessant: Wahltag und Auszählung: Wie ist der Ablauf am 26. September?

Das Bundesverfassungsgericht etwa wies bei der Zulassung der Briefwahl bei der Europawahl im Jahr 2009 darauf hin, dass eine deutliche Zunahme der Briefwahl mit dem Leitbild der Urnenwahl in Konflikt treten könne. Aber: In ihrem Urteil hielten die Karlsruher Richter fest, die Briefwahl diene dem Ziel, eine möglichst umfassende Wahlbeteiligung zu erreichen und sei somit verfassungskonform.

Der doppelten Stimmabgabe unterdessen wird ein sehr wirksamer Riegel vorgeschoben. Jede beantragte Briefwahl wird im Wählerverzeichnis vermerkt. Wer seinen Wahlschein also mit der Briefwahl verschickt hat, kann am Wahltag nicht ein zweites Mal an die Urne gehen. Briefwähler werden vom Wahlvorstand schlicht nicht mehr zur Urnenwahl zugelassen.

So funktionieren die Briefwahlen

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