Washington, D.C. . Das gab es noch nie: First Lady Jill Biden kehrt erstmals nach der Wahl zu ihrem alten Job zurück - Dozentin an einer Universität.

Von dem Etikett der "berühmtesten Lehrerin in Amerika" will Jill Biden (70) zwar nichts wissen. Allerdings wird sie nun damit leben müssen, dass Studenten ihre neue Dozentin wie einen Superstar behandeln. Schließlich wurde die Gattin des 46. US-Präsidenten vergangene Woche die erste First Lady in der Geschichte der USA, die in ihrem gelernten Beruf arbeitet und einem Job außerhalb des Weißen Hauses nachgeht.

Zweimal pro Woche wird die Englischprofessorin in dem traditionsreichen Washingtoner Vorort Alexandria am Northern Virginia Community College (NoVa) Seminare und Vorlesungen halten. Frauenorganisationen bejubeln die Entscheidung und sprechen von einem Durchbruch für die Gattinnen mächtiger Politiker, die sich in der Vergangenheit oft mit größtenteils symbolischen Aufgaben begnügt haben.

Jill Biden: Lehrerin seit 40 Jahren

Fremd sind ihr Klassenzimmer und Hörsäle keineswegs. Seit über 40 Jahren arbeitete Biden zeitweise als Lehrkraft an Gymnasien und Unis. Erst, als sie 1977 Joe Biden heiratete, zog sie sich einige Zeit aus dem Berufsleben zurück und begleitete den langjährigen Senator während seiner steilen politischen Karriere. Als Barack Obama dann aber ihren Ehemann zum Vizepräsidenten berief, lockte sie wieder der Lehrbetrieb.

Also fuhr Jill Biden regelmäßig in den westlich von Washington gelegenen Bezirk Loudoun County und unterrichtete auf dem dortigen Nova Campus. Nun, als Gattin des mächtigsten Mannes im Lande, will sie abermals nicht zuhause sitzen.

Allerdings hat Biden auch keine Ambitionen, wie ihrerzeit Nancy Reagan gegen Drogenmissbrauch zu Felde zu ziehen oder sich im Stile Hillary Clintons als Architektin einer neuen Gesundheitsreform zu profilieren. Sie will wieder unter Menschen, genauer gesagt, unter Schüler und Studenten.

Diskussionen um Jill Bidens Sicherheit

Anders als noch während ihrer Zeit als Gattin des Vizepräsidenten wird "Dr. B.", wie sie von Studenten angesprochen werden will, nun in Begleitung einer Kolonne gepanzerter Limousinen des Secret Service auf dem Campus erscheinen. Inwieweit die First Lady denselben Personenschutz haben würde wie der Präsident und andere ranghohe Politiker, war einige Zeit Gegenstand heftiger Debatten im Beraterkreis der Bidens.

Schließlich legen beide großen Wert auf ihr volkstümliches Image, als "Präsident und First Lady zum anfassen", die sich unter Menschen begeben und den persönlichen Kontakt nicht scheuen. Wegen einschlägiger Erfahrungen mit Bidens Vorgänger Donald Trump konnten sich aber schließlich jene Berater durchsetzen, die sogar für verschärfte Sicherheitsvorkehrungen plädierten.

Ein neues Sicherheitsteam schützt die First Lady

Die Zusammenstellung des Sicherheitsteams der First Lady ist geprägt von personellen Veränderungen. Dazu kam es, weil mehrere leitende Secret Service Beamte als Trump-Loyalisten galten. Loyalisten, die teilweise sogar jener sogenannten "Großen Lüge" Vertrauen schenkten, wonach der wahre Wahlsieger der ehemalige Präsident war und Biden den Sieg "gestohlen" habe. Einer der Sicherheitsbeamten, Anthony Ornato, wurde unter Trump sogar zum stellvertretenden Stabschef im Weißen Haus ernannt.

Trumps Gefolgsleuten die Sicherheit seines Nachfolgers und dessen Gattin anzuvertrauen stelle ein unzumutbares Risiko dar und könnte die Sicherheit der Bidens gefährden, argumentierten einflussreiche Demokraten. Nicht nur wegen deren politischen Überzeugungen und Treue zu ihrem früheren Chef, sondern auch, weil sich viele während der Corona-Krise auf Geheiß der Trumps weigerten, Masken anzuziehen.

Jill Biden: Ihr Deckname ist "Capri"

Also folgt heute eine Equipe an größtenteils neuen Sicherheitsbeamten der First Lady, die als Deckname "Capri" wählte. Selbst während ihrer Veranstaltungen an der Uni sollen Mitarbeiter des Secret Service für die Sicherheit der 70-Jährigen sorgen. Auch interessant: Joe Biden und Familie trauern um "First Dog"

Bewusst hatten sich die Bidens übrigens auch von den selbstherrlichen Secret Service Tarnnamen der Trumps unterscheiden wollen. So wollte der Immobilienunternehmer unter seinem bewaffneten Begleitschutz als "Mogul" bekannt sein, während sich First Lady Melania als "Muse" verstand. Vergleichsweise simpel und bescheiden nimmt sich dagegen Präsident Bidens Code-Name aus, den die Sicherheitsbeamten in Anlehnung an seine Herkunft "Celtic", also "Keltisch", nennen.

Erste Lehrveranstaltungen mit Maske für First Lady

Neben ihrer neuen Sicherheitsmannschaft ist ebenfalls neu für Jill, dass sie nun erstmals maskierten Studenten gegenüberstehen wird, die angesichts der grassierenden Delta-Variante des Coronavirus verpflichtet sind, sich auf dem Unigelände eine Schutzmaske über Mund und Nase zu ziehen.

Doch selbst mit Maske freue sich die First Lady auf die Herausforderung und insbesondere die Gelegenheit, nach zahlreichen Lehrveranstaltungen, die über die Videokonferenz Plattform Zoom gehalten wurden, Studenten nun wieder in Person zu erleben, sagte Bidens Pressesprecher.

Auch verstehe sie sehr wohl, wie tief die Maskenpflicht Lehrer, Elternbeiräte und Politiker in den USA gespalten hat. So ist in größtenteils liberalen Küstenstaaten die Schutzmaske in der Schule Pflicht und Selbstverständlichkeit.

Biden: Nicht wir Menschen sind Feinde, sondern das Coronavirus

Gegensätzlich dazu: Florida. Dessen Gouverneur Ron DeSantis ist einer von vielen Republikanern, die es Schulen verboten, Masken vorzuschreiben. "Diese verletzt das Recht aller Eltern, freie Entscheidungen über die Gesundheit und Schulausbildung ihrer eigenen Kinder zu treffen" sagte DeSantis, dessen Entscheidung mittlerweile von einem Gericht gekippt wurde.

Mit dem diplomatischen Geschick, das sich die Wähler von einer First Lady erwarten, will Biden daher eine Vermittlerrolle übernehmen. Vor ihrer ersten Vorlesung schrieb sie im Nachrichtenmagazin "Time", dass angesichts der steigenden Neuerkrankungen alle Amerikaner zusammenhalten müssten. "Wir dürfen nicht vergessen, dass nicht wir Menschen Feinde sind, sondern wir einen gemeinsamen Feind haben, nämlich das Virus".