Berlin. Schon jetzt fehlen Millionen geeignete Wohnungen für Senioren und Seniorinnen. Und das Problem dürfte sich noch drastisch verschärfen.

  • Stabile Renten sind auch im Wahlkampf zur Bundestagswahl ein Thema
  • Ein Problem, über das kaum jemand spricht: Es gibt kaum passende Wohnungen
  • Das Problem könnte sich in den nächsten Jahren drastisch verschärfen

Für viele Rentner und Rentnerinnen ist das Wohnen im Alter eine beschwerliche Sache. Bei Menschen, die körperlich nicht mehr so mobil sind wie einst, erschwert schon eine einfache Stufe vor der Haustür den Einkauf enorm. Auch enge Treppenhäuser, Türschwellen oder veraltete Bäder können die eigenen vier Wände zum Hindernisparcour werden lassen. Das Pestel-Institut hat errechnet, dass in Deutschland aktuell 2,8 Millionen Senioren-Haushalte sich nicht ohne Probleme in der eigenen Wohnung bewegen können. In barrierefreien Wohnungen leben demnach nur gut 525.000 Rentner und Rentnerinnen. "Aktuell fehlen in Deutschland also rund 2,275 Millionen Seniorenwohnungen", sagt der IG-BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger dieser Redaktion.

Was Sie jetzt über die Frührente wissen müssen

weitere Videos

    Der Bedarf an altersgerechten Immobilien ist groß. Doch er trifft auf einen ohnehin schon äußerst angespannten Wohnungsmarkt. Außerdem dürfte die Nachfrage nach barrierefreien Wohnungen noch einmal drastisch ansteigen. Denn in den kommenden Jahren gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. "Der Jahrgang 1965 wird 2035 das 70. Lebensjahr erreichen. Dann wird es in Deutschland nach Berechnungen des Pestel-Instituts bereits 3,45 Millionen Haushalte geben, in denen Ältere mit eingeschränkter Mobilität leben", mahnt Feiger. Das wäre ein sattes Plus von 22 Prozent. Seit längerem warnen daher auch andere Experten eindrücklich: Deutschland droht die "Graue Wohnungsnot".

    Rente: Altersarmut verschärft das Problem

    Neben der reinen Angebot-und-Nachfrage-Schematik gibt es zudem weitere Faktoren, die die Lage zusätzlich verschärfen. Da wären zum einen besorgniserregende Prognosen zu Altersarmut. Wie jüngst aus einer Anfrage des Linken-Chefs Dietmar Bartsch an das Bundesarbeitsministerium hervorging. Demnach befindet sich rund jeder dritte Vollzeitbeschäftigte mit einer zu erwartenden Bruttorente unterhalb von 1200 Euro für den Ruhestand Armutsrisikobereich. Nicht umsonst sind die Pläne von CDU, SPD, Grüne und Co. zu einer Rentenreform für die Wähler eine der wichtigsten Themen im Wahlkampf. "Die Rente ist sicher" war einmal.

    Wer aber mit unsicherer Rente und unsicherer Wohnung leben muss, wird schnell feststellen: Preiswert und barrierefrei geht auf dem Wohnungsmarkt in der Regel nicht miteinander einher. Zudem ist es für Senioren und Seniorinnen auch wichtig, dass sie an ihrem Wohnort gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln angebunden und ausreichend Arztpraxen in der Nähe sind. Allein eine solche Lage kann die Miete für klamme Rentner und Rentnerinnen schon unerschwinglich machen. Gerade in teuren Städten ist der Umzug damit oft gleichbedeutend mit einem kompletten Wechsel des Wohnorts, Verlust der vertrauten Kontakte und Umgebung – eine Horrorvorstellung für viele ältere Menschen.

    Als Alternative bleibt dann nur der Umbau der aktuellen in eine barrierefreie Wohnung. Nur ist auch das teuer. Allein der Einbau einer Tür in die Badewanne kann schnell mehrere tausend Euro kosten. Das Pestel-Institut schätze 2019 die durchschnittlichen Kosten eines barrierefreien Umbaus auf 16.000 Euro. Die Kosten dürften seitdem dank anhaltendem Handwerkermangel und steigenden Rohstoffpreisen weiter in die Höhe geschossen sein.

    Für viele Rentner und Rentnerinnen gehört zum selbstbestimmten Leben im Alter auch eine eigene Wohnung. Doch wenn der Umbau für mehr Barrierefreiheit zu teuer wird, droht der Umzug ins Altenheim.
    Für viele Rentner und Rentnerinnen gehört zum selbstbestimmten Leben im Alter auch eine eigene Wohnung. Doch wenn der Umbau für mehr Barrierefreiheit zu teuer wird, droht der Umzug ins Altenheim. © imago-images.de | Westend61

    Barrierefreie Wohnungen: Bund will Fördermittel nicht aufstocken

    Der Bund fördert solche Umbauten mit dem äußerst begehrten Investitionszuschuss Barrierereduzierung. 2021 lag er bei maximal 6.250 Euro pro beantragter Umbaumaßnahme. Doch schon im Juni war Schluss. Die Fördermittel von insgesamt 104 Millionen Euro waren komplett aufgebraucht, wie aus einer kleinen Anfrage der Grünen an die Bundesregierung hervorgeht, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt. Das ist keine Überraschung, denn auch im Vorjahr hatten die Fördermittel nur bis November ausgereicht und dabei stand mit gut 169 Millionen Euro noch ein deutlich größeres Budget zur Verfügung. Angesichts der Grauen Wohnungsnot und der immensen Nachfrage nach den Fördermitteln erscheint die Frage der Grünen nach einer Aufstockung der Fördermittel für 2021 nur logisch. Die Antwort der Bundesregierung ist jedoch deutlich: "Weitere Aufstockungen sind derzeit nicht geplant."

    Feiger von der IG-Bau fordert ebenfalls eine Erhöhung der bisherigen Förderprogramme. Werde die Zahl der barrierearmen Wohnungen nicht erhöht, drohe auch ein volkswirtschaftlicher Schaden. "Wenn 'die nicht barrierefreie Wohnung' zum Grund für den Umzug ins Pflegeheim wird, ist dies individuell erschütternd und gesellschaftlich teuer", warnt Feiger. Er bezieht sich dabei auf eine einfache Berechnung des Pestel-Instituts aus dem Jahr 2019. Demnach kostet die stationäre Pflege in einem Heim jährlich ganze 8.500 Euro mehr, als die ambulante Pflege in den eigenen vier Wänden. Im Vergleich dazu rechnet sich der Umbau zu einer barrierefreien Wohnung schon nach kurzer Zeit.

    "Fest steht: Wir bekommen mehr Senioren und leider auch mehr Altersarmut. Also brauchen wir auch mehr Senioren-Wohnungen – vor allem mit günstiger Miete", sagt Feiger. Zudem regt der IG-BAU-Chef eine Selbstverpflichtung für Wohnungskonzerne an. Diese sollten sich verpflichten, mindestens 20 Prozent der freiwerdenden Wohnungen altersgerecht umzubauen.