Berlin. Ein Gutachten für das Wirtschaftsministerium warnt vor dem Rentenkollaps. Wir sollten auf andere Länder schauen, findet unser Autor.

Wenige Monate vor der Bundestagswahl gibt eine Runde von wirtschaftlichen Regierungsberatern einen tiefen Blick in den Rentenabgrund frei. Das Sachverständigengremium entwirft in einem Gutachten für das Bundeswirtschaftsministerium ein düsteres Szenario, was die Zukunft der gesetzlichen Alterssicherung in Deutschland angeht: Dem System könnte der Kollaps drohen, falls in einigen Jahren die Zahl der Ruheständler aufgrund der Altersentwicklung in der Bevölkerung deutlich steigt und zugleich immer weniger Jüngere durch ihre Beiträge die Rente finanzieren müssen.

Auch dem Staat drohen demnach immense Probleme. Schon jetzt muss er jedes Jahr Milliardensummen zur Finanzierung der Rente dazu buttern. Künftig müsste es noch viel mehr sein. Dafür muss an anderen wichtigen Stellen gespart werden. Die Experten warnen vor einer dramatischen Zuspitzung der Lage schon in wenigen Jahren.

Renteneintrittsalter könnte bald bei 68 Jahren liegen

Die grundsätzlichen Probleme, die die Regierungsberater beschreiben, sind bereits seit längerem bekannt. Allerdings verknüpfen die knapp 40 Forscherinnen und Forscher ihren Befund mit einer äußerst kritischen Abrechnung zur bisherigen Rentenpolitik der Großen Koalition. Die Politik habe „die illusionäre Erwartung geweckt, dass sich höhere Beiträge und ein niedrigeres Rentenniveau dauerhaft vermeiden lassen“.

Es ist die höfliche Umschreibung für einen Vorwurf, für den es im politischen Geschäft auch einen drastischeren Begriff gibt: Populismus. Die Rechnung für viele kostspielige Maßnahmen wie etwa die Rente mit 63, Mütterrente und Grundrente lande auf dem Tisch der nächsten Generation.

Um das System in Zukunft zu entlasten, machen die Experten nun einen politisch brisanten Vorschlag: Sie plädieren unter anderem dafür, die steigende Lebenserwartung auch an eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu koppeln. Im Jahr 2042 läge der Renteneintritt demnach bei 68 Jahren. Es ist ein Plädoyer mit Sprengkraft. Schon die Rente mit 67 hat seinerzeit zu immensen Debatten geführt. Denn es bleibt erneut die grundsätzliche Frage, ob tatsächlich alle bis in dieses Alter arbeiten können oder ob sie nicht doch vorzeitig, aber dafür mit Kürzungen der Rente, in Ruhestand wechseln.

Arbeitswelt muss sich an ältere Arbeitnehmer anpassen

Sollte das gesetzliche Rentensystem der Zukunft tatsächlich darauf ausgerichtet werden, dass Menschen länger berufstätig sind, müssen auch die Bedingungen dafür stimmen. Der Arbeitsmarkt wird Modelle bereitstellen müssen, die auf ältere Arbeitnehmer und ihre Leistungsfähigkeit zugeschnitten sind. Viele Ältere haben Lust, länger im Job zu bleiben. Sollten sie es in einigen Jahren aber sogar müssen, muss die Arbeitswelt für diese Gruppen einen Takt finden, bei dem sie gut mithalten kann. Die Pflicht der Rentner müsste mit eine Pflicht der Arbeitgeber einher gehen.

Klar ist aber schon jetzt: Die Politik muss sich für die Zukunft mehr überlegen als ein teures System auf Pump, das den Jungen in ein paar Jahren um die Ohren fliegt. Es geht um Ehrlichkeit, aber auch um Ideenreichtum. Deutschland sollte den Blick in andere Länder wagen, wo eine ähnliche Altersstruktur der Bevölkerung sichere Renten ermöglicht, ohne dass die Bezüge schrumpfen, die Jungen überfordert werden und der Renteneintritt weiter nach hinten verlegt wird. Gewiss, Wahlkampfzeiten sind für solche Reformen kein guter Moment. Aber sobald es eine neue Regierung gibt, sollte sie sich das Thema vornehmen - und zwar sehr rasch und ohne falsche Versprechungen.